Diabetes aktuell 2024; 22(04): 137
DOI: 10.1055/a-2300-6462
Editorial

Diabetes-Technologie… in Indien

Antje Bergmann
1   Dresden
,
Peter E.H. Schwarz
2   Dresden
› Author Affiliations

Vor einigen Tagen haben wir unseren Deutschen Diabeteskongress erlebt und auf diesem Kongress wurde viel über digitale Diabetologie, ein digitales Diabetes-Disease-Management-Programm und die Anwendung von digitalen Gesundheitsanwendungen diskutiert. Die Sessions waren in vielen Fällen leider gering besucht, die Diskussion aber konstruktiv, gerade im Hinblick, wie digitale Anwendungen in die Behandlungspfade für Menschen mit Diabetes integriert werden können.

Einige Tage später gab es ein Diabetes- und Technologie-Meeting in Indien. Es war absolut spannend dort teilzunehmen, da die Säle gerappelt voll waren und ganz aktiv von ärztlichen Kollegen diskutiert wurde, wie Digitalisierung einen Mehrwert für die Patienten schaffen kann. Die Rahmenbedingungen sind allerdings ganz andere. Einerseits gibt es viel mehr Technologie im Diabetessektor in Indien, als in Deutschland. Viele für uns unbekannte Sensoren, interessanterweise auch Insulinpumpen und AID-Systeme wurden vorgestellt, die nur in Indien existieren und mit digitalen App-Lösungen für Menschen mit Diabetes - die von Ärzten, von Krankenhausketten oder von Praxisketten herausgegeben wurden - zusammenarbeiten. Der spannendste Teil war aber die Diskussion um die Anwendung von künstlicher Intelligenz im Diabetes-Sektor. Es gibt eine Fülle von digitalen Anwendungen, die mit künstlicher Intelligenz dem Patienten helfen, sein Selbstmanagement zu verbessern. Es wurde diskutiert, was hierbei überwiegt – der Nutzen für den Patienten oder ein bisher unter Umständen unbekanntes, aber doch bestehendes Risiko. Interessant war auch, dass die CEOs der großen westlichen Firmen alle persönlich in Indien präsent waren (das habe ich auf einem deutschen Kongress noch nicht erlebt) und mitdiskutiert haben. Die Innovation, das spürte man aber sehr schnell, kommt nicht von den großen europäischen oder amerikanischen Firmen, sondern von indischen oder asiatischen Firmen, die sehr nah am Patienten arbeiten. Im Gespräch mit einem Geschäftsführer einer sehr großen indischen Firma fragte ich ihn, warum er seine Produkte nicht nach Europa bringt, da wir diese Produkte sehr gerne auch in Europa hätten… seine lapidare Antwort war „der europäische Markt ist viel zu klein…“.

Das ist lehrreich. Manchmal denken wir, wir sind der Nabel der Welt im Hinblick auf Innovation in der Diabetologie, aber wir sollten über den Tellerrand hinausschauen und ggf. auch lernen, wie in anderen Ländern und Märkten Behandlungslösungen für Menschen mit Diabetes entstehen, die sich klar an den Bedürfnissen der Patienten orientieren und auch beispielhaft für europäische digitale Diabeteslösungen sein können. Im Moment macht es den Eindruck, dass Indien in Puncto Diabetes-Technologie uns schon davongelaufen ist. Allerdings steht Deutschland nicht schlecht da, gerade mit dem Digitalgesetz. Vielleicht können wir dieses nutzen, um noch etwas Energie zu raffen, um wenigstens zügig hinterherlaufen zu können – oder digitale Lösungen zu entwickeln, die so innovativ sind, sodass wir selbst die Inder in Stauen versetzen.

Wir wünschen Ihnen viel Spaß beim Lesen.

Mit herzlichen Grüßen

Ihre Antje Bergmann und Peter Schwarz



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Article published online:
26 June 2024

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