Aktuelle Dermatologie 2024; 50(07): 299-300
DOI: 10.1055/a-2330-8807
Editorial

Fleißig wie eine Biene

Bustling like a Bee
Christiane Bayerl
1   Klinik für Dermatologie und Allergologie, Helios Dr. Horst Schmidt Kliniken Wiesbaden, Hauttumorzentrum Wiesbaden, Wiesbaden, Deutschland
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Voll Verblüffung las ich in meiner Tageszeitung in einem Interview mit einem Imker, dass Bienen nur so weit fliegen, wie sie müssen. Nur „weil sie geschäftig von Blüte zu Blüte fliegt, gilt die Biene als emsig“. Dies sei aber weit gefehlt. Wenn sie schon nach 50 Metern fündig werden, nehmen Bienen einen Flugweg von 3,5 km, den sie auch schaffen könnten, nicht auf sich. Der ganze Schwarm beackert dann einheitlich ein Revier (Mannheimer Morgen 25.5.2024, zuhause, Seite 2).

Dagegen ist der Fleiß der Dermato-Allergologen, die Stichreaktionen versorgen und die Allergen-Immuntherapie durchführen (AIT), vermehrt gefordert. Hymenopterenstiche sind die häufigsten relevanten Auslöser von schweren anaphylaktischen Reaktionen in unseren Breitengraden [1]. Am häufigsten stechen Faltenwespen und Honigbienen. Bei 3% der Bevölkerung ereignen sich anaphylaktische Reaktionen. In Deutschland liegt die Zahl der Todesfälle pro Jahr unter 30, meist Erwachsene, Männer führend. Risikofaktoren für schwere Reaktionen sind eine erhöhte basale Serumtryptase, Mastozytose oder hereditäre α-Tryptasämie, kardiovaskuläre Vorerkrankungen/Medikamente und ein höheres Lebensalter. Neu ist nach der S2k-Leitlinie Insektengiftallergie die lange Therapiedauer, jetzt 5 Jahre! Bei wiederholten Nebenwirkungen unter der AIT oder systemischen Reaktionen auf die AIT oder auf einen Feldstich wird die AIT verlängert [2]. Bei Mastozytose, Imker-Tätigkeit, nicht vermeidbarer Exposition, hereditärer α-Tryptasämie, oder Herz-/Kreislauf- oder Atemstillstand auf einen Indexstich wird die AIT lebenslang empfohlen. Die hereditäre α-Tryptasämie ist genetisch bedingt und basiert auf mehreren Genkopien, die für Tryptase kodieren und so zu erhöhten Mastzell-Tryptase-Werten im Serum führen. Dadurch ergibt sich ein deutlich höheres Risiko für Anaphylaxien, noch höher als bei Mastozytose. 4–8% der Bevölkerung sind betroffen, bei einigen finden sich neben Anaphylaxien in der Vorgeschichte Symptome wie Pruritus, chronische Schmerzsyndrome, Gelenkhypermobiliät, Reizdarm und Tachykardien. Die Diagnose wird durch Genuntersuchungen gestellt (Anzahl der Kopien von TPSAB1). Zwei Adrenalin-Autoinjektoren sind zu verordnen bei schwerer Anaphylaxie, bei hereditärer α-Tryptasämie, bei einem Körpergewicht größer 100 kg, bei unkontrolliertem Asthma bronchiale, bei schlechter Erreichbarkeit medizinischer Versorgung, bei Mastozytose und aus organisatorischen Gründen (Kinderbetreuung, familiäre Situation etc.). Über die schlechtere Wirksamkeit der AIT unter β-Blockern und ACE-Hemmern soll der Patient schriftlich informiert werden, eine Kontraindikation liegt jedoch nicht mehr vor. Bei Eintritt einer Schwangerschaft unter einer schon laufenden und gut vertragenen AIT wird die Therapie fortgeführt [1] [2].

Aus dem Anaphylaxie-Register sind Auswertungen seit 2017 möglich geworden, die 5851 Fälle umfassen, bei denen 225 (3,8%) durch berufliche Allergene ausgelöst waren. 186 (82,7%) waren durch Insektenstiche bedingt. Die Betroffenen waren im beruflichen Umfeld meist Männer, jünger als die außerberuflich Gestochenen, Bienen waren dort führend. Erfreulicherweise gab es bei den beruflich Gestochenen häufiger eine anschließende AIT, was wiederum für den Fleiß der Dermato-Allergologen spricht [3]. Bei den Berufssparten stellten besonders die Arbeiten im Freien, in der Landwirtschaft, in der Gastronomie oder als Bienenzüchter Risikotätigkeiten dar.

Kommen Sie gut und stichfrei durch den Sommer und bleiben Sie fleißig,

Ihre

Christiane Bayerl



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Article published online:
12 July 2024

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  • Literatur

  • 1 Rueff F, Bauer A, Becker S. et al. Diagnose und Therapie der Bienen- und Wespengift-Allergie. Allergologie 2023; 10: 649-689
  • 2 Ring J, Beyer K, Biedermann T. et al. S2k-Leitlinie zu Akuttherapie und Management der Anaphylaxie – Update 2021. Allergo J Int 2021; 30: 1-25
  • 3 Worm M, Höfer V, Dölle-Bierke S. et al. Occupational anaphylaxis – data from the anaphylaxis registry. Allergy 2024; 79: 702-710