Z Geburtshilfe Neonatol 2024; 228(05): 405
DOI: 10.1055/a-2373-2302
Editorial

Eine kostspielige Investition

Dominique Singer
1   Sektion Neonatologie und Pädiatrische Intensivmedizin, Zentrum für Geburtshilfe, Kinder- und Jugendmedizin, Universitätsklinikum Eppendorf (UKE)
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Liebe Leserinnen und Leser,

im Journal Club dieser Ausgabe der Zeitschrift für Geburtshilfe und Neonatologie (ZGN) wird u. a. ein Paper referiert, das kürzlich in der Zeitschrift Science erschienen ist und deshalb Aufsehen erregt hat, weil es gängige Vorstellungen von den energetischen Kosten der Reproduktion widerlegt. Nach landläufiger biologischer Auffassung ist nämlich der mit der Fortpflanzung verbundene Energieaufwand vor allem durch den Energiegehalt des Nachwuchses, also die synthetisierte „Biomasse“, bedingt. Das Australische Autorenteam hat nun diesen direkten die indirekten Kosten der Reproduktion, definiert als mittlerer Anstieg der Stoffwechselrate während der Brut- oder Tragzeit, gegenübergestellt und für eine Vielzahl unterschiedlicher Spezies, von wasserlebenden Wirbellosen über wechselwarme Wirbeltiere bis hin zu Säugetieren, ausgerechnet. Es zeigte sich, dass die indirekten Kosten der Fortpflanzung in der Regel mindestens 50% des energetischen Gesamtaufwandes (z. B. bei eierlegenden Wechselwarmen) ausmachen, mit dem Übergang von der Ovi- zur Viviparie auf rund 75% ansteigen und bei homöothermen Wirbeltieren (Säugetieren) 90% und mehr betragen. Der Mensch gehört zu den Spezies mit dem höchsten indirekten Anteil von 96% an den reproduktiven Gesamtkosten, wobei die Laktationsperiode noch gar nicht berücksichtigt wurde. Das Ergebnis dürfte für Geburtsmediziner weniger überraschend kommen als für vergleichende Reproduktionsbiologen, ist aber in seiner Allgemeingültigkeit und Größenordnung doch beeindruckend und belegt – wenn es noch eines Beweises bedurft hätte – einmal mehr, welch‘ kostspielige Investition sich hinter der Fortpflanzung verbirgt. Inwieweit dem bei weitem unterschätzten maternalen Investment ein äquivalenter paternaler Energieaufwand gegenübersteht, ist den Autoren zufolge eine offene Frage.



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Article published online:
04 October 2024

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