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DOI: 10.1055/a-2530-4917
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Abgrenzung Befunderhebungsfehler vs. Diagnoseirrtum
Der Bundesgerichtshof (BGH) hatte bereits in einem Urteil aus dem Jahr 2010 (VI ZR 284/09) ausgeführt, dass ein Befunderhebungsfehler gegeben ist, wenn die Erhebung medizinisch gebotener Befunde unterlassen wird. Hingegen liegt ein Diagnoseirrtum vor, wenn der Arzt erhobene oder sonst vorliegende Befunde falsch interpretiert und deshalb nicht die ihm gebotenen – therapeutischen oder diagnostischen – Maßnahmen ergreift. Darum hat der BGH einen Diagnoseirrtum und keinen Befunderhebungsfehler darin gesehen, dass ein Anästhesist eine auf einem Röntgenbild erkennbare, abklärungsbedürftige Verdichtung im rechten Lungenflügel nicht erkannt und es deshalb unterlassen hat, deren Ursache differentialdiagnostisch abklären zu lassen. Was ist aber, wenn der Behandler dies wahrgenommen hat, was dafürsprechen könnte, dass das Unterlassen weiterer Befunderhebungen als Befunderhebungsfehler einzustufen wäre? Das Oberlandesgericht München urteilte nun, dass es hier auf den Schwerpunkt der Vorwerfbarkeit ankomme. Liegt dieser auf der Verkennung des Röntgenbildes und nicht im Unterlassen weiterer Befunderhebungen, so liegt ein Diagnoseirrtum vor.
OLG München, Endurteil v. 25.01.2024 – 24 U 2058/22
Praxistipp: Irrtümer bei der Diagnosestellung sind oft nicht die Folge eines vorwerfbaren Versehens des Arztes, denn Erkrankungssymptome und ihre Ursachen sind nicht immer eindeutig. Ein Diagnoseirrtum ist also nicht immer gleich ein Behandlungsfehler. Darüber hinaus darf eine aufgrund eines Diagnoseirrtums unterlassene Befunderhebung nicht als Befunderhebungsfehler bewertet werden. Ein sogenannter fundamentaler Diagnoseirrtum ist allerdings als grober Behandlungsfehler einzustufen, wobei „wegen der bei Stellung einer Diagnose nicht seltenen Unsicherheiten (…) die Schwelle, von der ab ein Diagnoseirrtum als schwerer Verstoß gegen die Regeln der ärztlichen Kunst zu beurteilen ist, (…) hoch angesetzt werden“ muss (BGH vom 21.12.2010 – VI ZR 284/09 – juris Rn. 20).
BSG, Urteil vom 25.06.2024, Az. B 1 KR 20/23 R
Publication History
Article published online:
05 February 2025
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