Dtsch Med Wochenschr 1911; 37(28): 1297-1300
DOI: 10.1055/s-0028-1130804
© Georg Thieme Verlag, Stuttgart

Ueber die Behandlung der Tuberkulose mit dem Kochschen albumosefreien Tuberkulin1)

G. Jochmann, Stabsarzt B. Möllers
  • Aus dem Institut für Infektionskrankheiten (Direktor: Geh. Ober-Med.-Rat Prof. Dr. Gaffky), und der Infektionsabteilung des Rudolf Virchow-Krankenhauses
1) Die Untersuchungen wurden mit Mitteln der Robert Koch-Stiftung ausgeführt und werden in dem nächsten Heft der „Veröffentlichungen der Robert Koch-Stiftung” ausführlich mitgeteilt werden.
Further Information

Publication History

Publication Date:
22 June 2009 (online)

Zusammenfassung

1. Das Kochsche albumosefreie Tuberkulin ist ein spezifisch wirksames Tuberkulinpräparat, das im Gegensatz zu dem klassischen Alttuberkulin Koch aus einer albumosefreien Kulturflüssigkeit hergestellt wird. Es enthält daher nur solche eiweißartigen Stoffe, die der Tuberkelbacillus während seines Wachstums bildet und die teils von der lebenden Kultur an das Nährmedium abgegeben, teils aus den absterbenden Bazillen durch Autolyse frei werden.

2. Ein weiterer Unterschied gegenüber dem Alttuberkulin besteht darin, daß bei der Einengung der Kulturflüssigkeit höhere Temperaturen vermieden werden.

3. Das Präparat hat alle Eigenschaften eines spezifischen Tuberkulinpräparates:

a) es tötet tuberkulöse Meerschweinchen unter den charakteristischen Erscheinungen des Tuberkulintodes;

b) es gibt mit spezifischem antikörperhaltigen Tuberkuloseserum Komplementbindung;

c) durch die Präzipitationsmethode sind darin spezifische Antikörper nachweisbar;

d) es gibt sowohl bei subkutaner wie bei intrakutaner Probe die charakteristischen Reaktionen;

e) es macht bei therapeutischer Verwendungen der Mehrzahl der Fälle charakteristische Herdreaktionen.

4. Bei der subkutanen Tuberkulinprobe sind die subjektiven Beschwerden in den meisten Fällen geringer als beim Alttuberkulin.

5. Bei der therapeutischen Verwendung erweist sich das albumosefreie Tuberkulin als ein mildes Präparat, das die Durchführung oft ganz reaktionsloser Kuren bis zur Maximaldosis in relativ kurzer Zeit gestattet und gute Heilerfolge zeitigt.

6. Wegen der geringen damit verbundenen Nebenerscheinungen ist es besonders auch zur ambulatorischen Behandlung geeignet.

7. Die Vorbehandlung mit dem albumosefreien Tuberkulin setzt die Empfindlichkeit gegenüber dem Alttuberkulin nur in geringem Grade herab, vermutlich deshalb, weil im Alttuberkulin durch Hitze extrahierbare toxische Stoffe enthalten sind, die das albumosefreie Präparat nicht besitzt.

8. Es empfiehlt sich deshalb nicht, auf die Behandlung mit dem albumosefreien Tuberkulin eine solche mit Alttuberkulin folgen zu lassen. Dagegen wird eine Nachbehandlung mit der Bazillenemulsion sehr gut vertragen und kann relativ schnell zu Ende geführt werden, da die Empfindlichkeit gegenüber dem Bazillenpräparat durch die Vorbehandlung mit dem albumosefreien Tuberkulin herabgesetzt ist.

9. Eine nennenswerte Produktion von komplementbindenden Antikörpern wird durch die Behandlung mit dem albumosefreien Tuberkulin in der Regel nicht erzielt. Nur in einzelnen Fällen gelang es bei hohen Dosen, Antikörper zu erzielen. Es entspricht das analogen Beobachtungen bei der Behandlung mit Alttuberkulin.