Dtsch Med Wochenschr 1908; 34(23): 1002-1005
DOI: 10.1055/s-0029-1186572
© Georg Thieme Verlag, Stuttgart

Untersuchungen über das Meningococcenserum

 Krumbein - technischem Leiter des Schweizerischen Serum- und Impfinstituts, P. Schatiloff - Privatdozent an der Universität Charkow
  • Aus dem Institut zur Erforschung der Infektionskrankheiten in Bern. (Direktor: Prof. Dr. W. Kolle.)
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Publication Date:
11 August 2009 (online)

Zusammenfassung

Die Ergebnisse unserer Untersuchung, deren belege ausführlich in den bei Gustav Fischer in Jena erscheinenden Arbeiten aus dem Institut zur Erforschung der Infektionskrankheiten mitgeteilt werden sollen, lauten: Entgegen den Angaben von Kraus und Dörr[1)] sowie von Ballner und Reibmeyer[2)] bildet die Methode der Komplementverankerung eine Bereicherung der serumdiagnostischen Methoden und kann zur Wertbestimmung des Meningococcenserums benutzt werden. Die Methode gibt in der Hand des Geübten, wenn alle Kontrollversuche, wie wir es stets getan haben, herangezogen werden, durchaus gleichmäßige und außerordentlich konstante Resultate. Wenn man nur genau quantitativ arbeitet, so ist es gleichgültig, ob man Extrakte von Bakterien oder die formerhaltenen Meningococccen selbst für die Komplementverankerung benutzt.

Wenn auch durch diese Untersuchungen mit Meningococcen die Frage nicht sicher entschieden werden kann, ob die Komplementverankerungsmethode einen Nachweis von bakteriolytischen Ambozeptoren gestattet, so deuten die Ergebnisse der Versuche, namentlich die Therme-Labilität und geringe Haltbarkeit der ablenkenden Stoffe sowie das Fehlen derselben in dem in den Höchster Farbwerken hergestellten agglutinierenden und nach Ruppels Angaben Schutz- und Heilwirkung entfaltenden Serum doch darauf hin, daß die durch Komplementverankerung nachweisbaren Stoffe keine echten Ambozeptoren, sondern höchstwahrscheinlich spezifische Stoffe eigener Art sind. Es würde also die von Neufeld und Hüne,[3)] Händel [4)] sowie Moreschi [5)] für das Typhus- und Choleraserum nachgewiesene Inkongruenz des Gehaltes an Ambozeptoren und verankernden Stoffen auch durch unsere Untersuchungen über Meningococcenserum Bestätigung erfahren. Die komplementverankernden Stoffe des Meningococcenserums gehen nach unseren Untersuchungen auch der Agglutination nicht parallel. Diese Frage, kollidiert aber garnicht mit der Tatsache, daß die Methode der Komplementverankerung nach Bordet-Gengou für die Wertbestimmung des Meningococcenserums so lange wertvolle Dienste leistet, bis wir mit Sicherheit tierpathogene Stämme herstellen oder lösliche Meningococcengifte gewinnen können. Beides bietet aber bisher wenig Aussicht auf Erfolg, wenn sich nicht die Angaben von Kraus und Dörr über die aus Agarkulturen hergestellten Gifte bewahrheiten.

Die durch Komplementverankerung nachweisbaren Stoffe sind durchaus spezifisch. Sie sind auch für die Differenzierung und Identifizierung der Meningococcen praktisch brauchbar. Selbst in Bakteriengemischen läßt sich mittels dieser Methode der Identitätsnachweis für formerhaltene oder gelöste Meningococcen erbringen, sie zeigt sieh also hier überlegen der Agglutinationsreaktion. Prüft man eine größere Anzahl von Meningococcenkulturen unter gleichen Bedingungen mit ein und demselben Serum, so zeigen sich ganz erhebliche Unterschiede in den Grenzwerten. Dieselben treten auch bei polyvalenten Serumpräparaten auf und sind in letzterem Falle auch bei den einzelnen zur Herstellung des polyvalenten Serums benutzten Kulturen nachweisbar. Sie gehen nicht parallel mit den durch Agglutinationsprüfung erhaltenen Werten. Bei Benutzung einer und derselben Kultur bzw. ihrer Extrakte läßt sich der Gehalt an komplementverankernden Stoffen verschiedener Sera feststellen. Es konnte die bemerkenswerte Tatsache ermittelt werden, daß das in den Höchster Farbwerken hergestellte Serum nach Ruppel eine ausgesprochene Schutzkraft hat, da die von Ruppel benutzten Stämme für Mäuse eine Dosis letalis von 1/100 000 Oese bei intraperitonealer Injektion besaßen, aber trotz hoher Agglutinationskraft fast keine spezifischen Stoffe mittels der Bordet-Gengouschen Methode erkennen ließ. Eine geringe Bindungsfähigkeit zeigte auch das von der Firma Merck hergestellte Serum trotz hoher Agglutinationskraft. Dagegen ließen sich bei den in dem Berliner bzw. Berner Institut zur Erforschung der Infektionskrankheiten hergestellten Serumpräparaten nicht nur annähernd gleiche Agglutinationstitres, sondern auch ein gleich hoher Gehalt an spezifischen Stoffen durch die Komplementverankerung nachweisen.

1 I. c.

2 I. c.

3 Neufeld und Hüne, Arbeit aus dem Kaiserlichen Gesundheitsamt Bd. 25.

4 Händel, Deutsche medizinische Wochenschrift 1907, Dezember.

5 Moreschi, Berliner klinische Wochenschrift 1907.

1 I. c.

2 I. c.

3 Neufeld und Hüne, Arbeit aus dem Kaiserlichen Gesundheitsamt Bd. 25.

4 Händel, Deutsche medizinische Wochenschrift 1907, Dezember.

5 Moreschi, Berliner klinische Wochenschrift 1907.