Dtsch Med Wochenschr 1926; 52(3): 96-97
DOI: 10.1055/s-0029-1200641
© Georg Thieme Verlag, Stuttgart

Zur Pathogenese der Sekretionsstörungen des Magens1). II. Beziehungen zwischen Magen und Duodenalsaft. Abhängigkeit der sekretorischsen Magenfunktion von Leber- und Pankreastätigkeit

W. Arnoldi, M. Schechter
  • Aus der II. Medizinischen Universitätsklinik der Charité in Berlin. (Direktor: Geh.-Rat F. Kraus.)
1) I. siehe in Nr. 48,1925.
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Publication Date:
21 August 2009 (online)

Zusammenfassung

Zwischen Magen- und Duodenalsaftsekretion bestehen bestimmte Beziehungen. In unkomplizierten Fällen finden wir dann Hyperazidität mit Hypercholie, anderseits Hyp- bzw. Anazidität mit Hypocholie verbunden. Unsere Duodenalsaftuntersuchungen beziehen sich auf Menge, Bilirubin- und Gallensäuregehalt, also mehr auf den Anteil der Lebertätigkeit hinsichtlich des Verhaltens des Duodenalsaftes als auf den der Pankreastätigkeit. Wir könnten uns daher auch so ausdrücken: erhöhte Lebertätigkeit, soweit sie sich namentlich in der Ausscheidung des Bilirubins mit der Galle kundgibt, geht bei unkomplizierten Fällen mit vermehrter sekretorischer Erregbarkeit des Magens einher, verringerte Lebertätigkeit mit einer Verminderung der Magensaftproduktion nach einem Sekretionsreiz.

Bei Anaemia perniciosa haben wir den Kernpunkt der Störung im Verhalten des Blutes außerhalb der Leber in die Erythropoëse und Erythrorhexis zu legen. Der gesteigerte Erythrozytenzerfall kann trotz ausgezeichneter Remission der Krankheit unvermindert fortdauern. Aus diesem Grunde wird auch während der Remission reichliches Material für die Bilirubinbildung und Ausscheidung durch die Leber zur Verfügung gestellt. Der hohe Bilirubingehalt des Duodenalsaftes bleibt daher auch während einer Remission unvermindert bestehen. Ebenso steht es mit der Anazidität. Für die Entstehung und Unterhaltung der Anazidität käme die Leber schon eher in Betracht, zumal wenn wir eine etwa sich entwickelnde Anadenie als Schlußstein einer zunächst funktionellen Störung, und zwar als Inaktivitätsatrophie mit oder ohne begleitende entzündliche Vorgänge, auffassen. Allerdings wissen wir über die Lebertätigkeit bei Anaemia perniciosa noch wenig. Meist ist die Leber bei Perniziosa nicht imstande, die Bilirubinausscheidung so stark zu vermehren, daß der Serumbilirubinspiegel normal wird. (Aehnliches, wenn auch in sehr abgeschwächtem Maße, wird in der III. Mitteilung hinsichtlich der Lebertätigkeit bei gewöhnlicher Hyp- und Anazidität zu erwähnen sein.) Die Leber ist ferner bei Perniziosa, abgesehen von anderen histologischen Abweichungen, gewöhnlich verfettet. Rosenquist[1)] fand in Zeiten der Verschlimmerung bei Perniziosa Anzeichen von Gewebseiweißzerfall periodisch auftreten. Es sei weiter daran erinnert, daß die O2-Ausnahme meist, die Eisenablagerung stets gesteigert sind. Aus alledem läßt sich der Verdacht aussprechen, daß bei dieser Erkrankung nicht nur Anazidität besteht, sondern eine Beeinträchtigung des Stoffwechsels überhaupt sowie wahrscheinlich auch eine solche gewisser Teile der Lebertätigkeit. Es wird also noch festzustellen sein, ob zwischen Anazidität und Leberfunktionsstörung auch bei Anaemia perniciosa Zusammenhänge vorhanden sind, entsprechend denen, wie wir sie bei gewöhnlicher Anazidität annehmen.

Wir haben hier keine besondere Rubrik über Kranke mit Stauungsikterus oder mit Cholezystitis hinsichtlich ihres Magen- sowie Duodenalsaftes aufgestellt, obwohl wir eine Reihe diesbezügliche Untersuchungen vornahmen. Bei Ikterus wird[2)] sowohl An- wie Norm- wie Hyperazidität gefunden. Auch hier wird noch besonders untersucht werden müssen, ob Abweichungen der Magensaftsekretion zu bestimmten Teilen der Lebertätigkeit in Beziehung stehen, derart, wie wir sie hier annehmen, und zwar Hyperazidität bei vermehrter Leber- und relativ verminderter Pankreastätigkeit, Anazidität bei verminderter Leber- und relativ vermehrter Pankreastätigkeit. Es wird bei Perniziosa, Ikterus und anderen Erkrankungen ebensosehr der Pankreas- als der Lebertätigkeit Aufmerksamkeit zu schenken sein, da wenigstens bezüglich des Kohlenhydrathaushaltes zwischen Leber und Pankreas enge biologische Beziehungen bestehen. Die Leber besorgt in erster Linie den Zuckerzufluß zu Blut und Gewebe, die Bauchspeicheldrüse dagegen liefert das zum Umsatz notwendige Hormon, das Insulin.

Daß zwischen Magensafterregbarkeit, Leber und Pankreas Verbindungen existieren, machten übrigens auch die Beobachtungen der Mitteilung I bereits wahrscheinlich. Der vermehrten Saftproduktion nach Traubenzuckerzufuhr wäre eine vermehrte Zuckerabgabe aus der Leber bei Hyperazidität an die Seite zu stellen, der verminderten Magensaftproduktion nach Pankreonverabfolgung eine vermehrte Pankreastätigkeit mit Subazidität. Für die Annahme einer Abhängigkeit der sekretorischen Magenfunktion von Leber-Pankreas-Kohlenhydrathaushalt müssen wir jedoch noch weitere Belege liefern. Es sprechen klinische Beobachtungen bei Hyperazidität für vorhandene Störungen im Kohlenhydrathaushalt dieser Kranken. Oft leiden sie unter heftigem Durst, Juckreiz und zuweilen auch an vorübergehender kürzerer oder längerer anhaltender leichter Glykosurie, ohne daß es je zu einem wirklichen Diabetes kommt[3)]. Gegen Zucker und Süßigkeiten sind sie empfindlich. Mit Sicherheit geht aus unseren Untersuchungen (Gruppe IV bis VI) hervor, daß zwischen Bilirubinhaushalt und Magen keine einfachen direkten Beziehungen vorhanden sind, sondern mehr indirekte, über den Kohlenhydrathaushalt verlaufende. Wir wissen[1)], daß nach Leberexstirpation beim Hunde eine Hypoglykämie neben einer Vermehrung des indirekten Bilirubins auftritt, die durch energische Zuckerzufuhr beseitigt wird. Durch die Zufuhr von Zucker gelingt es, die Tiere länger am Leben zu erhalten. Uebrigens besteht nach der Herausnahme der Leber bei weiterer Tätigkeit des Pankreas eine relative Ueberfunktiondes Pankreas. Es fehlt der Zuckerfluß aus der Leber zu Blut und Gewebe. Auch bei schwerer Leberschädigung und Hepatargie muß in diesem Sinne eine relative Pankreasüberfunktion vorhanden sein. Daher bewährt sich bei akuter gelber Leberatrophie (P. F. Richter) die Zufuhr von Traubenzucker, was wir bestätigen konnten. Umgekehrt liegen die Dinge bei Pankreasschädigung, die wir z. B. bei Diabetes mellitus annehmen müssen. Ist in solchen Fällen die Lebertätigkeit relativ im Vergleich zur Pankreastätigkeit erhöht, wird die bisweilen zu findende Hyperazidität mit Hypercholie, wie bei der den beiden Kranken der Gruppe VII, ohne weiteres im Sinne unserer Auffassung verständlich. Bei Diabetes und erschöpfter Lebertätigkeit wird dagegen Subazidität sowie eine geringere oder fehlende Hypercholie des Duodenalsaftes zu erwarten sein.

In Fällen von Stauungsikterus muß eine erhöhte Lebertätigkeit mit Vermehrter Magensafterregbarkeit und vermehrter Umwandlung von indirektem Bilirubin in direktes verbunden sein, eine verminderte Lebertätigkeit mit verringerter Magensafterregbarkeit und verminderter Bilirubinumwandlung. Sicher ist auch die Zuckerabgabe aus der Leber in das Blut eine verschiedene. Zu einer Aenderung des Blutzuckerspiegels kommt es jedoch (bei Diabetes!) erst dann, wenn auch die Aufnahmefähigkeit der Zellen für Zucker beeinträchtigt wird[2)].

Wir finden also bei einer Reihe von Personen deutliche, bei anderen nicht ohne Weiteres erkennbare einfache Beziehungen zwischen Magensaftsekretion und Duodenalsaft bzw. zwischen Magen, Leber und Pankreas. Namentlich die in der ersten Mitteilung besprochenen Beobachtungen, aber auch die hier wiedergegebenen sprechen dafür, daß der Kohlenhydrathaushalt mit seinen Hauptregulatoren, Leber und Pankreas zur Magenfunktion in einer näheren Verbindung steht, und zwar in der Art, daß vermehrte Lebertätigkeit (mit reichlicher Zuckerausschüttung in das Blut und reichlicher Galleabscheidung in das Duodenum) einhergeht mit Hyperazidität, verminderte Lebertätigkeit mit An- oder Hypazidität, die Beziehungen des der Magensaftsekretion zur Erythropoëse, Erythrorhexis und dem Bilirubinhaushalt dürften dagegen mehr indirekte, über den Kohlenhydrathaushalt verlaufende sein.

Ist unsere hier wiedergegebene Auffassung richtig, dann kann man das Ergebnis einer Magensekretionsprobe auch zur Beurteilung der Leber- und Pankreastätigkeit mit verwenden. Auf weitere Einzelheiten in den Beziehungen zwischen Magen, Leber und Pankreas wollen wir in einer späteren Mitteilung eingehen.

Ueber das Hormon des östrischen Zyklus. II.: Beitrag zu den chemischen und pharmakologischen Eigenschaften und zur Eichung eines östrogenen Hormons (Schluß aus Nr. 1.)

1 Zschr. f. kiln. M. 1903, 49.

2 Vgl. v. Noorden, Handb. d. Path. u. Stoffwechsels

3 Vgl. dazu Hijmanns van den Bergh, D. m. W. 1925.

1 Zschr. f. kiln. M. 1903, 49.

2 Vgl. v. Noorden, Handb. d. Path. u. Stoffwechsels

3 Vgl. dazu Hijmanns van den Bergh, D. m. W. 1925.

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