Neuroradiologie Scan 2011; 1(1): 21
DOI: 10.1055/s-0030-1256917
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Puig J, Pedraza S, Blasco G et al. Acute damage to the posterior limb of the internal capsule on diffusion tensor tractography as an early imaging predictor of motor outcome after stroke. AJNR Am J Neuroradiol 2011; 32: 857–863

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Publication Date:
12 October 2011 (online)

Frühe Vorhersage von Bewegungsstörungen nach Schlaganfall

Zwischen Bewegungsstörungen infolge eines Schlaganfalls und der Infarktgröße besteht zwar ein grundsätzlicher Zusammenhang, die Korrelation ist aber nicht stark. Wie Puig et al. berichten, wird die genaue Lokalisation des Infarkts nicht ausreichend berücksichtigt. Die spanische Arbeitsgruppe untersuchte, ob die Bestimmung der Läsion mit der Diffusions-Tensor-Traktografie nach akutem Insult für Bewegungsstörungen prädiktiv ist.

Die Studienpopulation bestand aus Patienten mit einem 1. Infarkt der mittleren Zerebralarterie (MCA), die innerhalb von 12 h nach Symptombeginn in einer Stroke Unit aufgenommen wurden. Zum Aufnahmezeitpunkt sowie nach 3, 30 und 90 Tagen wurde der klinische Schweregrad anhand der NIHSS (NIHSS = National Institute of Health Stroke Scale) bewertet. Um zu entscheiden, welche Strukturen vom Infarkt betroffen waren, überlagerten die Wissenschaftler die Aufnahmen der diffusionsgewichteten MRT mit den Traktografien des Kortikospinaltrakts. Anschließend wurden folgende Bereiche beurteilt: motorischer, prämotorischer Kortex, Centrum semiovale, Corona radiata, hinterer Schenkel der Capsula interna sowie deren Kombinationen.

Es konnten Daten von 60 Patienten (Durchschnittsalter: 68 Jahre) analysiert werden. Mit einem Wert von 11 in den motorischen NIHS-Subskalen hatten die meisten Patienten zum Zeitpunkt der Krankenhausaufnahme mäßige bis schwere neurologische Defizite. Zu diesem Zeitpunkt bestanden bei 78,3 % der Patienten Bewegungsstörungen und bei 59,6 % dieser Patienten waren sie mäßig bis schwer ausgeprägt. Am 3. Tag hatten insgesamt 46,7 % Patienten Bewegungsstörungen, die bei 46,4 % von ihnen mäßig bis schwer waren. Am 30. und 90. Tag wurden 42,8 % und 39,2 % der motorischen Defizite als mäßig bis schwer beurteilt.

Für die Rekonstruktion und Bewertung der Diffusions-Tensor-Bildgebung wurden durchschnittlich 3 min und 30 s benötigt. Bei der Aufnahme in die Stroke Unit war in 23,3 % der Fälle der Kortikospinaltrakt nicht beteiligt, am 30. Tag war bei allen Patienten mit Bewegungsstörungen mindestens ein spezifischer Bereich des Kortikospinaltraktes geschädigt.

Prädiktion von Bewegungsstörungen und beteiligte Kortikospinaltraktbereiche

Schädigungen des hinteren Schenkels der Capsula interna innerhalb der ersten 12h und 3 Tage nach dem Schlaganfall korrelierten besser mit klinischem Schweregrad, axionalen Schäden und Bewegungsstörungen nach 30 und 90 Tagen als Schädigungen jedes anderen Bereichs des Kortikospinaltrakts (p < 0,001). Die Beteiligung von Centrum semiovale, Corona radiata oder beiden Bereichen am 3. Tag war signifikant mit Bewegungsstörungen nach 30 und 90 Tagen (p < 0,004) und axionalen Schäden (p < 0,003) assoziiert. Dagegen war die Kombination aus der Beteilung des hinteren Schenkels der Capsula interna und Centrum semiovale bzw. Corona radiata nicht signifikant in Bezug auf Bewegungsstörungen. Läsionen des hinteren Schenkels der Capsula interna in den ersten 12 h ergaben höchste Sensitivität, Spezifität und prädiktive Werte für Bewegungsstörungen nach 90 Tagen.

Fazit
Die Studie unterstützt die Annahme, dass Bewegungsstörungen nach akutem Schlaganfall eng mit der Lokalisation der Schäden und dem Ausmaß der Kortikospinaltraktbeteiligung zusammenhängen. Bei akuten Schlaganfällen kann die Diffusions-Tensor-Traktografie helfen, betroffene Bereiche genau zu bestimmten und Bewegungsstörungen vorherzusagen.

Matthias Manych, Berlin