Aktuelle Rheumatologie 2011; 36(04): 225
DOI: 10.1055/s-0031-1284363
Editorial
George Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Autoinflammatorische Erkrankungen

Autoinflammatory Diseases
H. Michels
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Publication Date:
19 August 2011 (online)

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H. Michels

Noch vor wenigen Jahren suchte man den Begriff Autoinflammation in den Inhaltsverzeichnissen wichtiger rheumatologischer Lehrbücher vergeblich [1] [2] [3]. Die zunehmend erkannte Bedeutung der Autoinflammation nicht nur für „periodische Fiebersyndrome“, sondern für ein breites Spektrum rheumatischer und nichtrheumatischer internistischer Erkrankungen hat den Blickwinkel auf diese Erkrankungen verändert und eröffnet neue Therapieansätze.

Wie S. Stojanov, München, und P. Lohse, Singen, in ihrem Beitrag „Autoinflammatorische Erkrankungen als wichtige Differenzialdiagnosen in der Rheumatologie – ein Update“ ausführen, liegt diesen Erkrankungen überwiegend eine Störung der angeborenen Immunität mit Überproduktion von proinflammatorischen Zytokinen und neutrophiler Inflammation zugrunde, wobei dem NLRP3-Inflammasom eine zentrale Bedeutung zukommt. Nach der exzellenten Darstellung der autoinflammatorischen Syndrome 2007 in dieser Zeitschrift durch P. Lohse fällt der zwischenzeitliche enorme Erkenntniszuwachs auf, zu dessen rascher Identifikation den jeweiligen Autoinflammationssyndromen ein Abschnitt „Update“ zugefügt wurde.

In seinem Beitrag „Systemische juvenile idiopathische Arthritis – Grenzgänger zwischen Autoinflammation und Autoimmunität“ analysiert J. P. Haas, Garmisch-Partenkirchen, den Beitrag der Autoinflammation zur SJIA-Pathogenese. Eine verwechselbare Ähnlichkeit mit dem familiären Mittelmeerfieber (FMF) war bereits früher aufgefallen [4], als gemeinsamer pathogenetischer Nenner wurde nun die Autoinflammation identifiziert [5]: Die typischen fieberhaften SJIA-Schübe sind durch eine Inflammasom-Aktivierung als IL-1ß- (und IL-6) -Wirkungen erklärbar. Im späteren schubfreien Verlauf könnte die Autoimmunität Bedeutung gewinnen. Dementsprechend sind IL-1- bzw. IL-6-Inhibitoren während der sys­temischen Phase der SJIA erfolgreich und wohl auch als „First-line-Therapie“ einsetzbar [6].

M. Aringer, Dresden, erklärt in seinem Beitrag „Autoinflammation in der Inneren Medizin – therapeutische Konsequenzen?“, warum so unterschiedliche Erkrankungen wie Gicht/Pseudogicht, Atherosklerose, Diabetes mellitus Typ 2 oder M. Crohn nunmehr auch zu den autoinflammatorischen Erkrankungen zu zählen sind. Die zentrale Rolle des NLRP3-Inflammasoms als „essentieller Schalter des angeborenen Immunsystems“ sowie dessen Aktivierung durch „Kristalle“ (Harnsäure, Cholesterin, Amyloid, …) werden dabei herausgestellt. Da es sich bei diesen Erkrankungen um Volkskrankheiten handelt, bei denen sich nun neue Therapieoptionen eröffnen, sind die künftigen Auswirkungen dieser neuen Erkenntnisse kaum zu überschätzen.

I. Kötter, Tübingen, trägt in ihrem Beitrag „Morbus Behçet – eine autoinflammatorische Erkrankung?“ die verschiedenen Indizien zusammen, die für eine autoinflammatorische Pathogenese des M. Behçet (MB) sprechen, und unterteilt in klinische, immunologische, genetische und therapeutische Indizien. So können als „therapeutische Indizien“ das vor allem beim FMF, aber auch beim MB wirksame Kolchizin sowie die IL-1-Inhibitoren angeführt werden. Seine HLA-Assoziation (HLA-B51) scheint dem MB jedoch eine Zwischenstellung zwischen den klassischen Autoimmunerkrankungen und hereditären Autoinflammationssyndromen zuzuweisen.

In ihrem Beitrag „Nichtbakterielle Osteitiden als Autoinflammations-Erkrankungen: Krankheitsspektren vom Symptom bis zum Syndrom“ untersucht A.F. Jansson, München, die verschiedenen, mit steriler Osteomyelitis/Osteitis einhergehenden Erkrankungen hinsichtlich einer autoinflammatorischen Pathogenese. Insgesamt lassen sich die nichtbakteriellen Osteomyelitiden als Autoinflammationserkrankungen mit multifaktorieller Ätiopathogenese auffassen. Ein therapeutisches Ansprechen auf IL 1-Inhibition ist bislang nicht systematisch untersucht bzw. publiziert. Abzugrenzen sind mit Osteitiden einhergehende hereditäre Autoinflammationssyndrome wie das DIRA-Syndrom, das sehr gut auf Anakinra anspricht.

 
  • Literatur

  • 1 Textbook of Pediatric Rheumatology. 5 ed. Philadelphia: Elsevier; Saunders; 2005
  • 2 Interdisziplinäre klinische Rheumatologie. 2. Aufl Heidelberg: Springer Medizin Verlag; 2008
  • 3 Wagner N, Dannecker G. Pädiatrische Rheumatologie. Heidelberg: Springer Medizin Verlag; 2007
  • 4 Michels H, Häfner R, Vogel P. Das familiäre Mittelmeerfieber – eine wichtige Differenzialdiagnose zur systemischen juvenilen chronischen Arthritis. Z Rheu­matol 1989; 48: 143-146
  • 5 Pascual V, Allantaz F, Arce E et al. Role of interleukin-1 (IL-1) in the pathogenesis of systemic onset juvenile idiopathic arthritis and clinical response to IL-1 blockade. J Exp Med 2005; 201: 1479-1486
  • 6 Nigrovic PA, Mannion M, Prince FH et al. Anakinra as first-line disease-modifying therapy in systemic juvenile idiopathic arthritis: Report of forty-six patients from an international multicenter series. Arthritis Rheum 2011; 63: 545-555