Rehabilitation (Stuttg) 2012; 51(04): 271-272
DOI: 10.1055/s-0032-1321734
Bericht
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Gruppenprogramme der medizinisch-beruflich orientierten und der beruflichen Rehabilitation – 7. Fachtagung des Zentrums Patientenschulung vom 10. bis 11. Mai 2012 in Würzburg

Group Programs of Work Related Medical Rehabilitation, MBOR, and Vocational Rehabilitation – 7th Expert Meeting of the Center of Patient Education, May 10–11, 2012 in Wuerzburg
A. Reusch
1   Universität Würzburg
,
R. Küffner
1   Universität Würzburg
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Publication History

Publication Date:
03 August 2012 (online)

Das Zentrum Patientenschulung richtete im Mai 2012 seine 7. Fachtagung in Würzburg aus. Die in Kooperation mit der Deutschen Rentenversicherung Bund organisierte Veranstaltung beschäftigte sich mit Gruppenprogrammen der medizinisch-beruflichen orientierten (MBOR) und der beruflichen Rehabilitation.

Seit 1999 finden regelmäßig Fachtagungen des Zentrums Patientenschulung statt, die aktuelle Themen und Trends in der Patientenschulung aufgreifen, wie z. B. Patientenorientierung, Qualitätsaspekte von Gruppenprogrammen und Dozentenqualifikation. Sie stellen eine Basis für den Austausch zwischen Forschung und Praxis dar und sollen Fragen des Transfers von Schulungsthemen in die Praxis beantworten: Welche theoretischen und empirisch untermauerten Ansprüche an Gruppenprogramme sind in der Praxis umsetzbar? Welche neuen Entwicklungen und Impulse aus der Praxis können in Forschung und Theoriebildung aufgenommen werden?

Die neuen Anforderungen an die medizinisch-beruflich orientierte Rehabilitation und die berufliche Rehabilitation beinhalten didaktisch-methodische Prinzipien für die Praxis, die schon seit vielen Jahren in der Patientenschulung angewandt werden. Ziel der diesjährigen Tagung war es, den fachlichen Austausch zwischen MBOR, beruflicher Rehabilitation und der „klassischen“ Patientenschulung zu fördern. Die Tagung stieß auf großes Interesse und war mit 130 Teilnehmern ausgebucht.

Schwerpunkt des ersten Tages waren Gruppenprogramme der medizinisch-beruflich orientierten Rehabilitation. Zunächst wurde von Dr. Silke Neuderth und Dr. Heiner Vogel (Würzburg) das Anforderungsprofil an die medizinisch-beruflich orientierte Rehabilitation aus Sicht der Deutschen Rentenversicherung vorgestellt. Berufsbezogene Gruppen haben demnach sowohl bei den Basisangeboten für alle Rehabilitanden als auch bei den MBOR-Kernmaßnahmen für Rehabilitanden mit besonderen beruflichen Problemlagen einen zentralen Stellenwert. Bei entsprechender Organisation und ausreichender Auslastung ist auch eine wirtschaftliche Erbringung gesichert. Dr. Neuderth gab im Anschluss einen Überblick zu MBOR-Gruppenprogrammen, deren Themen und Qualitätsmerkmalen. MBOR-Gruppenprogramme sind insbesondere in der Psychosomatik, Sucht und Orthopädie gut umgesetzt, allerdings stehen Manualisierung und Evaluation häufig noch aus. Etablierte Programme sind in einem Praxishandbuch und auf der Homepage des Projektes (www.medizinisch-berufliche-orientierung.de) beschrieben.

Nach dieser Einführung wurden exemplarisch 2 Gruppenprogramme aus der Orthopädie/Rheumatologie vorgestellt: Monika Dorn (Bad Eilsen) berichtete von der Konzeption und Evaluation des Seminars „Berufliche Zukunft“, das in 5 Modulen auf das Ziel der Motivierung von Rehabilitanden mit besonderen beruflichen Problemlagen in der Rheumatologie ausgerichtet ist. Dr. Dieter Küch (Bad Sooden-Allendorf) stellte ein mehrstündiges Gruppenprogramm zur Verbesserung der Berufs- und Stresskompetenz vor, für das vor dem Hintergrund positiver Erfahrungen nun auch Train-the-Trainer-Seminare angeboten werden. Beide Programme basieren auf individualisierter Wissensvermittlung, Zielklärung und verhaltensbezogener Kompetenzverbesserung. Das indikationsübergreifende Gruppenprogramm ZAZO zur Klärung und Förderung der beruflichen Motivation von Rehabilitanden wurde von Dr. Jens Hinrichs (Münster) vorgestellt. Dieses Programm nutzt u. a. die Bewusstmachung impliziter Motive zur beruflichen Zielklärung und wird aktuell in verschiedene Settings implementiert.

Nach der Pause standen berufsbezogene Gruppenprogramme aus der Psychosomatik und Neurologie im Fokus. Die Berufsbezogene Therapiegruppe (BTG), die Dr. Rüdiger Zwerenz (Mainz) präsentierte, gliedert sich in eine Motivations- und eine Bearbeitungsphase, in denen berufsbezogene Konflikte und Belastungen zunächst thematisiert und anschließend bearbeitet werden. Die Wirksamkeit einer Online-Nachschulung eines weiteren berufsbezogenen Programms wird aktuell geprüft, um die Nachhaltigkeit solcher Angebote zu erhöhen. Prof. Andreas Hillert (Prien am Chiemsee) erläuterte vor dem Hintergrund des Zusammenhangs ungesunder Bewältigungsmuster im Lehrerberuf mit psychischen Erkrankungen das Konzept der Therapiegruppe „Arbeit und Gesundheit im Lehrerberuf“ (AGIL). Die Interven­tion BOMeN (Berufliche Orientierung in der Medizinischen Neurorehabilitation) wurde von Dr. Anke Menzel-Begemann (Bielefeld) dargestellt. Sie richtet sich an leichter betroffene Schlaganfall- und Schädelhirn-Trauma-Patienten und thematisiert in frühzeitiger und intensiver Schulung berufs- und alltagsbezogene Stärken und Schwächen mit dem Ziel einer realistischen Einschätzung der individuellen Belastbarkeit. Alle vorgestellten Programme liegen in manualisierter Form vor und sind wissenschaftlich evaluiert.

Am zweiten Tag lag der Schwerpunkt auf Maßnahmen der beruflichen Rehabilitation. Dr. Andreas Wohlfahrt (Hamburg) gab einen Überblick zu den Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsplatz (LTA) und erläuterte den Zusammenhang mit Patientenschulung vor dem Hintergrund des „neuen Reha-Modells“ in der beruflichen Bildung, welches eine eigenständige Förderung der Gesundheitskompetenz vorsieht. Anschließend erläuterte er, wie diese Förderung im Rahmen des Kurs- und Beratungsangebotes des Berufsförderungswerkes Hamburg verwirklicht wird. Gesundheitsbildung in verschiedenen Gruppenangeboten ist dort in der beruflichen Bildung fest verankert und wird individualisiert angeboten. Roland Küffner (Würzburg) präsentierte im Anschluss erste Ergebnisse einer Befragung von 28 Berufsförderungswerken. Hierbei standen insbesondere deren Gruppenprogramme zur Förderung von Gesundheitskompetenz im Blickpunkt. Zwischen den Einrichtungen besteht hohe inhaltliche und formale Varianz, die die Unterschiedlichkeit der Bildungseinrichtungen widerspiegelt.

Claudia Schulz-Behrendt (Rüdersdorf) behandelte die Relevanz der Patientenschulungen in der Sozialarbeit. Ihre Kernaussage war, dass viele Themen der sozialen Beratung auch in Gruppen angeboten werden können. Andrea Nordmann (Bad Krozingen) stellte das Konzept des „Berufscoaches“ vor, der die berufliche Wiedereingliederung mit dem Rehabilitanden frühzeitig, effektiv und nachhaltig plant und begleitet. Bewährte Gruppenangebote beginnen bereits in der stationären Rehabilitationsklinik und werden dann im Zentrum Beruf und Gesundheit weiter fortgesetzt.

Dass arbeitsbezogene Bewältigungsmuster Einfluss auf den Integrationserfolg haben, wurde von Ricardo Baumann (Köln) erläutert. Vor diesem Hintergrund entwickelte eine Projektgruppe eine AVEM-gestützte Förderung gesunder arbeitsbezogener ­Bewältigungsmuster bei beruflichen Bildungsleistungen, die ­exemplarisch in 2 Berufsförderungswerken ausgearbeitet, erprobt und evaluiert werden. Tina Klügel (Köln) berichtete abschließend über ein laufendes Projekt, welches ebenfalls in 2 Berufsförderungswerken und von 2 freien Bildungsträgern durchgeführt wird. Das Gruppentraining zum Selbstmanagement in 6 Modulen basiert auf dem Selbstmanagementansatz, dem Rubikon-Modell und dem Züricher Ressourcen-Modell und wird aktuell evaluiert.

In den Diskussionen zwischen den Vorträgen und während des Abschlussplenums wurde deutlich, dass der „Blick über den Tellerrand“ gelungen war. Sowohl Vertreter der beruflichen Rehabilitation als auch der MBOR und der Patientenschulung betonten das hohe Maß an Übereinstimmung in Zielsetzung und Methoden der Gruppenprogramme. Vielfach wurde der Wunsch nach weiterem Austausch, Vernetzung und Verzahnung der Angebote geäußert.

Alle Beiträge können von der Homepage des Zentrums Patientenschulung (www.zentrum-patientenschulung.de) heruntergeladen werden.