Diabetes aktuell 2013; 11(8): 335
DOI: 10.1055/s-0034-1366890
Editorial
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Telediabetologie – Innovation mit Zukunft

Antje Bergmann
,
Peter E. H. Schwarz
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Publication Date:
10 January 2014 (online)

Im Koalitionsvertrag steht, dass die Telemedizin in Deutschland deutlich ausgebaut werden soll. Hervorgehoben werden dabei insbesondere Anwendungen zur Verbesserung der Behandlungsqualität bei Menschen mit chronischen Erkrankungen. Was liegt da näher als in unserem Falle Diabetes und Telemedizin zu betrachten?

Die Idee für das Heft ist wesentlich älter und stammt aus einer Vielzahl von Diskussionen in den vergangenen Jahren mit Krankenkassen und Gesundheitspolitik und auch im Rahmen des IT-Gipfels im Kanzleramt, wo ermüdend lange über potenzielle Anwendungen der Telemedizin diskutiert wurde. Dabei spielten die großen Telemedizinfirmen eine besondere Rolle und stellten es als telemedizinischen Erfolg dar, wenn ein Arztbrief von einem Arzt zum anderen transportiert werden konnte – was das Fax schon immer konnte. Das zeigt, dass in der Wahrnehmung vieler Beteiligter die Telemedizin in Deutschland in den Kinderschuhen steckt. In skandinavischen Ländern sind telemedizinische Datenübertragungen zum Teil Standard geworden, aber in Deutschland sagt der Leiter der großen Krankenkasse „… uns wurden mehr als 200 Telemedizinprojekte vorgestellt und keines der Projekte hat gehalten was es versprochen hat …“. Woran liegt das? Sicherlich ist Telemedizin durch die Diskussion um die Gesundheitskarte stigmatisiert. Weiterhin konnten Telemonitoring- und Telecare-Anwendungen nie so richtig Fuß fassen, da die Unterstützung von Seiten der Politik eigentlich fehlte. Das ist ein entscheidender Unterschied zu den skandinavischen Ländern. Außer in Akutbetreuungsmodellen (Schlaganfallnetzwerke) führt die Telemedizin in Deutschland immer noch ein Nischendasein. Dem gegenüber zeigen Studien, Pilotprojekte und auch Versorgungsnetzte in anderen Ländern, dass alleine durch Anwendung von Maßnahmen zum Telemonitoring und telemedizinbasierten Interventionen ein signifikanter Zugewinn in der Versorgungsqualität von Menschen, insbesondere mit chronischen Erkrankungen, erreicht werden kann. Worin liegt da das Geheimnis? Telemonitoring alleine erreicht kaum einen Effekt. Telemonitoring kombiniert mit Interventionen, die auf das Profil des Einzelnen abgestimmt sind und mit den Daten aus dem Telemonitoring Hand in Hand gehen, erreichen dagegen einen deutlichen Versorgungseffekt.

Das ist der Schwerpunkt in unserem vorliegenden Heft. Herr Ruile sieht die Telemedizin als interessanten Bestandteil der Schulung von Diabetespatienten an. Neben der etablierten Schulung könnten durch Telemonitoring und Telemedizin die Schulungen intensiviert werden und sich positiv auf das Empowerment der Patienten auswirken. An 2 Beispielprojekten erläutert er diesen Zusammenhang. Herr Schildt stellt das ESYSTA-START-Projekt vor. Hier soll im Rahmen eines telediabetologischen Chronic Care Managements die Versorgung von Diabetespatienten mithilfe von telemedizinischen Übertragungen von Blutzuckerwerten und Insulindaten verbessert werden. Die ersten Ergebnisse sind ausgesprochen positiv und lassen auf ein robustes Versorgungsmodell hoffen. Herr Feinen berichtet über die Historie und die derzeitige Situation der Telemedizin in Deutschland, beschreibt das Potenzial, aber auch die Probleme, die die Telemedizin in Deutschland hat.

Unser Interesse mit der Zeitschrift Diabetes aktuell ist es auch, hin und wieder auf aktuelle medizinische und ggf. kontrovers diskutierte Aspekte in der Diabetologie hinzuweisen. Im Fokus steht dabei natürlich, inwieweit das eine Rolle für Menschen mit Diabetes mellitus spielt, aber es ist unser Ziel, bewusst auch zur Diskussion anzuregen. Vor etwa einem Jahr gab es nun in Deutschland eine Diskussion um die Beschneidung des Jungen. Die Diskussion wurde sehr hitzig geführt und es wurden wissenschaftliche, medizinische, religiöse und ethische Argumente sehr stark mit einer emotionalen Herangehensweise vermischt. Eine solche Diskussion hat im wissenschaftlichen Kontext nur geringe Aussicht ergebnisorientiert geführt zu werden und das hat uns bewogen uns rein rational mit der Thematik zu beschäftigen. In der Übersichtsarbeit haben wir versucht, die international existierende wissenschaftliche Literatur mit höchsten Evidenzgraden zusammenzufassen.

Mit dem letzten Heft von Diabetes aktuell in diesem Jahr wünschen wir Ihnen eine gesegnete Weihnachtszeit und ein gutes und gesundes neues Jahr.

Mit herzlichen Grüßen, verbunden mit einem Dank für Ihre Treue verbleiben

Ihre Antje Bergmann und Peter Schwarz