Der Klinikarzt 2014; 43(4): 179
DOI: 10.1055/s-0034-1376436
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© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Minimalinvasive Chirurgie: Nur ein Aspekt der „besseren Kosmetik“?

Wolfgang E Thasler
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Publikationsdatum:
07. Mai 2014 (online)

Die Technik der „minimalinvasiven Chirurgie“ wurde bisher häufig lediglich unter dem Aspekt der „besseren Kosmetik“ betrachtet, bei sonst – soweit messbar – allenfalls vergleichbaren Ergebnissen. Wie kann man sie also zum Thema einer ganzen Ausgabe dieser Zeitschrift machen?

Wird man sich jedoch bewusst, dass es mittlerweile wohl jeder von uns vorziehen würde, eine elektive Cholezystektomie an sich „minimalinvasiv“ – also laparoskopisch – durchführen zu lassen, so erscheint die Entwicklung dieser heute etablierten Technik bereits in einem anderen Licht. Neben dieser subjektiven Einschätzung zeigt sich auch in der allgemeinchirurgischen Versorgungsrealität, dass heute die offene Gallenblasenentfernung zugunsten der laparoskopischen Cholezystektomie die Ausnahme darstellt, auch wenn schwerwiegende, durch das laparoskopische Vorgehen hervorgerufene Komplikationen wie beispielweise eine (unbemerkte) Verletzung des Gallengangs, die Morbidität mit einer Häufigkeit von 0,1–5 % bestimmen.

Gerade in den letzten 10 Jahren hat die kontinuierliche Weiterentwicklung der medizin-technischen Ausstattungen die chirurgischen Möglichkeiten und den Operationskomfort des Operateurs deutlich verbessert. Angefangen von feineren Dissektions- und Nahtinstrumenten, die eine bessere Gewebepräparation ermöglichen, über kabellose Funktionsinstrumente, die die Handhabung des Operationssitus vereinfachen, bis hin zu hochauflösenden (High Definition, HD) und dreidimensionalen Bildwiedergabesystemen (3D-Optiken). Ferner sind technische Innovationen im Bereich der Trokare zu nennen, welche als nichtschneidende, transparente Einmal-Systeme mit der Kamera eingebracht werden können und somit eine zusätzliche Sicherheitskontrolle ermöglichen, bis hin zu Single-Port-Systemen, die Zugangswege in das Abdomen deutlich verbessern. Nicht alle dieser Neuerungen zeigen in der breiten Anwendung ihre Durchsetzungsfähigkeit. Vor 10 Jahren wurden unter dem Schlagwort „Single-Port-Technik“ neue Instrumente und Zugangswege gerade in der laparoskopischen Chirurgie eingeführt. Dabei erfolgt der Zugang nicht über mehrere über die Bauchdecke verteilte kleine Inzisionen sondern über eine etwas größere (2½–3½ cm) Inzision. Über einen einzelnen Port können so mehrere Trokare und Instrumentenkanäle eingeführt werden. Dieser Zugangsweg hat jedoch sowohl die Operationstechnik durch manuelles Arbeiten auf sehr engem Raum, längere Kamerasysteme sowie ein eingeschränktes Sichtfeld deutlich verkompliziert und technisch erschwert als auch eine höhere Komplikationsträchtigkeit mit sich gebracht. Gerade in dieser „technischen Neuerung“ spiegelt sich die Kontroverse zwischen der für Patienten nützlichen Innovation und im Wesentlichen durch einen „Marketing-Aspekt“ gekennzeichneten Neuheiten. Gerade derartige mit Nachteilen behaftete Entwicklungen tendieren die minimalinvasive Chirurgie auf kosmetische sowie „Trend-Aspekte“ zu reduzieren. Dies ist ein anschauliches Beispiel für eine für das Patientenwohl nutzlose Fehlentwicklung, die durch die Erhöhung der manuell-technischen Anforderungen an die Fertigkeiten des Chirurgen – einhergehend mit einem (falschen) Ehrgeiz, Eingriffe laparoskopisch eben auch mit dieser Single-Port-Technik durchzuführen – charakterisiert ist.

Eine technische Weiterentwicklung, die sich in Zukunft vor dem Anspruch einer weiteren Reduzierung des Zugangstraumas durchsetzen wird, ist die Verwendung von Mikroinstrumenten, die eine Schaftbreite von 2½–3½ mm haben und teilweise ohne Trokare in das Abdomen eingebracht werden können. Die dadurch entstehenden Hautinzisionen sind im Rahmen der weiteren Abheilung quasi unsichtbar und „narbenfrei“. In Verbindung mit einem Kameratrokar, der im Bereich des Nabels und damit hinsichtlich Narbenbildung weitestgehend ebenfalls unsichtbar bleibt, können gängige Operationen ohne zusätzliche Trokarapplikation erfolgen. Diese schränken im Gegensatz zur Single-Port-Technik das Operationsfeld und die Möglichkeiten der Übersicht sowie der Instrumentenradius nicht ein.

Eine weitere reichlich diskutierte technische Innovation ist die „Roboter-gestützte Chirurgie“. Sie ist ebenfalls gefährdet, aufgrund der ökonomischen Dimension und des chirurgisch-technischen Aufwands in eine ähnliche Ecke wie die Single-Port-Technik gedrängt zu werden. Auch hier werden mittlerweile alle möglichen viszeral-chirurgischen Eingriffe mit einem Operationsroboter durchgeführt und in der Literatur beschrieben. Dabei zeichnet gerade die Möglichkeit, minimalinvasiv, sehr versiert und dreidimensional abgebildet auf engstem Raum operieren zu können, die “Roboter-Chirurgie“ aus. Die Durchführung der radikalen Prostatektomie in der Urologie mit dem Operationsroboter hat sich trotz der Nachteile des enormen technischen Aufwands – sowohl ökonomisch als auch in Operationsvor- und nachbereitung – auch unter dem Aspekt des „Marketings“ durchgesetzt. In der Viszeralchirurgie erfordert ein minimalinvasives Vorgehen eine hohe Flexibilität und einen großen „Handlungsradius“ (OP-Feld vom kleinen Becken bis zum Zwerchfell), der derzeit gerade auch mit der Aufgabe einer finanzierbaren Versorgungschirurgie einen breiten Einsatz der Roboterchirurgie limitiert. Es bleibt abzuwarten, für welche Eingriffe sich in der Allgemein- und Viszeralchirurgie für dieses Verfahren tatsächlich Vorteile für den Patienten nachweisen lassen.