Kinder- und Jugendmedizin 2017; 17(02): 75-80
DOI: 10.1055/s-0038-1629405
Nicht maligne Hämatologie
Schattauer GmbH

„Migrantenanämien“ oder „Migrationsanämie“

Neue Worte für „alte“ Erkrankungen„Migrant anemias“ or „migration anemias“New terms for „old“ diseases
H. Cario
1   Klinik für Kinder- und Jugendmedizin, Universitätsklinikum Ulm
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Publikationsverlauf

Eingereicht am: 04. Dezember 2016

angenommen am: 13. Dezember 2016

Publikationsdatum:
24. Januar 2018 (online)

Zusammenfassung

Wenn man im Zusammenhang mit der Migration von Anämien spricht, sind in der Regel damit Erkrankungen gemeint, die in Deutschland überwiegend oder nahezu ausschließlich bei Migranten oder Personen mit Migrationshintergrund auftreten. Viele der Erkrankungen sind aufgrund früherer Migrationsbewegungen bereits seit längerem in Deutschland präsent und ein ernst zu nehmendes Problem. Dies betrifft insbesondere die neben dem G6PD-Mangel als weltweit häufigste monogene Erbkrankheiten geltenden Hämoglobinerkrankungen, die Thalassä-mien und die Sichelzellkrankheit. Neu an der gegenwärtigen Situation ist vor allem der plötzliche Anstieg chronisch therapiebedürf-tiger Patienten, mit einem großen Anteil schwerkranker Patienten mit umfangreichen Komplikationen, die noch dazu oft nur bruchstückartig bekannt sind. Viele Patienten weisen Zeichen einer deutlich inadäquaten Transfusionstherapie, eine erhebliche Eisenüberladung, eine Allo- und Autoimmunisie-rung oder durch frühere Transfusionen übertragene Hepatitis B- und Hepatitis-C-Infektionen auf. Interdisziplinäre, alters- und strukturübergreifende Behandlernetzwerke sind zur Bewältigung dieser Herausforderung zwingend notwendig.

Summary

Anemias in the context of migration are usually regarded as comprising those types of anemias occurring predominantly or almost exclusively in migrants or persons with a background of previous migration. Actually, due to previous migration processes many of these disorders have been present as serious medical problem in Germany already for longtime. This particularly concerns the hemoglobinopathies, i. e. thalassemias and sickle cell disease, representing the most common monogenic inherited disorders worldwide, and G6PD deficiency. Major new aspects in the current situation concern the sudden increase of the number of patients with “migration anemias” needing regular care, many of them affected by severe prior complications. Many patients display symptoms of previous inadequate transfusion therapy, severe iron overload, allo- and auto-immunization, or previously transfusion-transmitted HBV and HCV infections. Multi-professional networks for medical care across ages and structures are necessary to cope with this important challenge for all health care professionals.