Nuklearmedizin 1991; 30(S 05): 241-246
DOI: 10.1055/s-0038-1629581
ÜBersichtsartikel - Review Articles
Schattauer GmbH

Strahlenschutz bei kerntechnischen Notfällen einschließlich Schilddrüsenblockade mit

Jod Radiation Protection in Nuclear Emergencies, Including Thyroid Blockage with Iodine
K. Niklas
1   Aus dem Institut für Strahlenschutz, GSF München, Neuherberg, FRG
› Institutsangaben
Weitere Informationen

Publikationsverlauf

Eingegangen: 16. Juni 1991

Publikationsdatum:
10. März 2018 (online)

Zusammenfassung

Für schwere Unfälle an kerntechnischen Anlagen wurde in der Bundesrepublik Deutschland für die Durchführung verschiedener Maßnahmen, wie Verbleiben in Gebäuden, Evakuierung, Einnahme von Jodtabletten und Umsiedlung, ein abgestuftes System von Dosisrichtwerten eingeführt bei deren Erreichen die jeweiligen Maßnahmen angeordnet werden. Zur Betreuung der betroffenen Personen werden Notfallstationen eingerichtet, in denen eine mögliche Kontamination der Körperoberfläche erfaßt und die Dekontamination vorgenommen wird, bevor schließlich durch Strah-lenschutzärzte die Beurteilung weiterer Maßnahmen erfolgt. Danach werden die Personen entweder in ambulante oder stationäre Behandlung entlassen oder, falls sie keiner oder nur einer geringen Strahlenexposition ausgesetzt waren, in vorgesehene Auffangräume weitergeleitet. Um bei Freisetzung größerer Jodaktivitäten eine hohe Strahlendosis der Schilddrüse zu vermeiden bzw. zu verringern, wird eine Schilddrüsenblockade mit Kaliumjodid vorgenommen. Die dafür vorgesehenen Tabletten zu je 100 mg werden von den Katastrophenschutzbehörden an die Bevölkerung verteilt. Da die Bundesrepublik Deutschland in weiten Teilen immer noch ein Jodmangelgebiet ist und somit das Risiko unerwünschter Nebenwirkungen nicht vernachlässigt werden kann, erfolgt die Aufforderung zur Einnahme der Jodtabletten erst bei relativ hoch liegenden Schilddrüsendosen. Die Umsiedlung der Bevölkerung aus einem betroffenen Gebiet - als einschneidendste Maßnahme - kommt nur dann in Frage, wenn langfristig hohe Strahlendosen erwartet werden müssen.

The Government of the Federal Republic of Germany has set emergency reference levels of radiation doses at which countermeasures such as sheltering, evacuation, iodine prophylaxis and resettlement should be considered in case of severe accidents in nuclear installations. Emergency facilities are to be set up for a range of measures to protect the public, such as assessment of contamination and subsequent decontamination. Recommendations as to further therapeutic measures will be made by medical personnel. The administration of stable iodine can block or reduce the accumulation of radioiodine in the thyroid gland. Stable potassium iodine tablets (100 mg each) will be distributed by the local authorities. Since iodine deficiency is still prevalent in large parts of the Federal Republic of Germany, iodine prophylaxis will be recommended only when relatively high radiation doses to the thyroid gland are to be expected. Resettlement of the population - the most drastic countermeasure - must be considered if an excessive dose is expected in the affected area over a long period.

 
  • LITERATUR

  • 1 Guidelines for Iodine Prophylaxis following Nuclear Accidents. Published on behalf of the World Health Organization Regional Office for Europa. Copenhague. 1989
  • 2 Kaliumjodidbevorratung. Österr Ärztez. 1991 46. 12.
  • 3 Rahmenempfehlungen für den Katastrophenschutz in der Umgebung kerntechnischer Anlagen. Gemeinsames Ministerialblatt. 1989 S. 71.
  • 4 Veröffentlichungen der Strahlenschutzkommission, Band 4, »Medizinische Maßnahmen bei Kernkraftwerksunfällen«. Stuttgart, New York: Gustav Fischer; 1986
  • 5 Verordnung über den Schutz vor Schäden durch ionisierende Strahlen (Strahlenschutzverordnung - StrlSchV) v. 13. 10. 1976 in der Fassung der Bekanntmachung vom 30.6.1989, BGBl, Teil I. 1989 S. 1321.