Laryngorhinootologie 2017; 96(03): 199-200
DOI: 10.1055/s-0043-101414
Facharztfragen
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Fragen für die Facharztprüfung

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Publication Date:
18 April 2017 (online)

Innenohr, Gleichgewichtssinn und Otobasis

? Sprechen Sie über überschwellige audiologische Untersuchungsmethoden!

Antwort Überschwellige audiologische Untersuchungsmethoden messen verschiedene psychoakustische Phänomene. In der zusammenführenden Auswertung mit dem Reinton- und Sprachaudiogramm ist durch diese Testmethoden eine Abgrenzung zwischen sensorischen und neuralen Schwerhörigkeitsursachen (Nachweis eines Recruitments oder Lautheitsausgleichs) möglich. Diese subjektiven Teste erfordern eine gute Mitarbeit des Patienten, viel Erfahrung in der Durchführung und eine kritische Auswertung in der Zusammenschau aller Befunde. Es ist nicht selten, dass die Ergebnisse der einzelnen Teste nur teilweise übereinstimmen. Hilfreich ist dann die additive Durchführung objektiver Testverfahren wie OAE und BERA.

Häufig verwendete überschwellige Tests sind der SISI-Test, der Lüscher-Test, der Fowler-Test und die Geräuschaudiometrie nach Langenbeck.

SISI- und Lüscher-Test prüfen das Unterscheidungsvermögen von Lautstärkeschwankungen. Voraussetzung ist eine reine sensorineurale Schwerhörigkeit, die in der Prüffrequenz mindestens 40 dB erreichen muss. Der Prüfton wird 20 dB überschwellig angeboten und der Proband signalisiert das Erkennen der Lautstärkeschwankungen. Bei einer sensorischen Schwerhörigkeit werden diese Lautstärkeschwankungen genauso wahrgenommen, wie sie ein Hörgesunder wahrnimmt (=SISI 80–100%, Lüscher kleinste erkannte Lautstärkeschwankung <1 dB). Bei einer neuralen Schwerhörigkeit werden keine Lautstärkeschwankungen wahrgenommen (=SISI 0–15%, Lüscher kleinste erkannte Lautstärkeschwankung >2 dB).

Die Geräuschaudiometrie nach Langenbeck beruht auf dem psychoakustischen Phänomen, dass ein Ton in einem Rauschen immer dann gehört wird, wenn Ton und Rauschen gleich laut sind. Voraussetzung ist eine senkenförmige sensorineurale Schwerhörigkeit. Gemessen werden kann im Frequenzbereich zwischen 0,5 und 4 kHz mit Lautstärken zwischen 40 und 80 dB. Mündet im geschädigten Bereich die Geräuschtonschwelle in die Reintonschwelle ein, liegt eine sensorische Schwerhörigkeit vor. Weicht die Geräuschtonschwelle um ≥10 dB aus, ist das ein Hinweis auf eine neurale Schwerhörigkeit.

Der Fowler-Test kann bei seitendifferenten reinen sensorineuralen Schwerhörigkeiten durchgeführt werden. Grundlage ist, dass Patienten mit einseitiger Innenohrschwerhörigkeit überschwellige akustische Reize trotz unterschiedlicher Hörschwelle gleich laut empfinden.

Die Seitendifferenz in der Prüffrequenz muss mindestens 30 dB betragen. Der Messbereich liegt bei 0,5–6 kHz. Auf dem besser hörenden Ohr wird beginnend ein 10 dB überschwelliger Ton eingestellt, der in 20 dB-Schritten gesteigert wird. Der jeweilige Prüfton auf dem schlechter hörenden Ohr wird so lange gesteigert, bis der Proband angibt, beide Töne gleich laut zu hören. Ein Lautheitsausgleich spricht für eine sensorische Schwerhörigkeit, kein Lautheitsausgleich für eine neurale Schwerhörigkeit.

Generell sollten wenn möglich 2 überschwellige Verfahren durchgeführt und gemeinsam bewertet werden. Recruitmentpositive Befunde weisen auf eine Innenohrschwerhörigkeit hin, schließen eine neurale Schwerhörigkeit aber nicht mit Sicherheit aus. Recruitmentnegative Befunde machen eine neurale Genese der Schwerhörigkeit wahrscheinlich.

Pharynx, Oesophagus und Hals

? Sprechen Sie über Schmeckstörungen.

Antwort

 Mit der Zunge werden folgende Geschmackssensibilitäten über die Geschmackpapillen perzeptiert: süß, salzig, sauer, bitter, fleischig (umami) und fettig.

Schmeckstörungen sind seltener als Riechstörungen und betreffen im Wesentlichen die ersten 4 Qualitäten. Von den Geschmacksknospen der vorderen 2 Zungendrittel werden die Geschmacksimpulse über den N. lingualis, die Chorda tympani über das Ggl. geniculi und N. intermedius zum rostralen Nc. solitarius geleitet. Vom hinteren Zungendrittel ziehen die sensorischen Fasern über den N. glossopharyngeus nach zentral. Etwa 0,6% der Erwachsenen berichten über passagere gustatorische Störungen, wobei qualitative Änderungen der Schmeckempfindung wie Parageusien oder Phantogeusien am häufigsten sind.

Man unterscheidet epitheliale, nervale und zentralnervöse Ursachen. Die häufigen epithelialen Läsionen der lingualen Schmeckknospen sind meist postinfektiös, peri- und postradiogen, direkt medikamentös, z. B. durch Zytostatika, oder indirekt medikamentös durch deren sialopenische Wirkung, wie z. B. Antihypertensiva, Antihistaminika, Antidepressiva verursacht. Aber auch ein Diabetes mellitus, der M. Sjögren oder andere systemische Erkrankungen wie perniziöse Anämie mit atrophischer Glossitis können ursächlich sein. Neurale Läsionen nach Ohroperation, Tonsillektomie, „Neck dissection“, Tumoren, Schädelfrakturen sind selten, meist einseitig und werden deshalb häufig vom Betroffenen nicht bemerkt. Auch zentralnervöse Störungen z. B. nach Schädelhirntrauma, Hirntumoren, bei neurodegenerativen Erkrankungen oder Schläfenlappenepilepsie sind selten.

Die klassische Gustometrie enthält standardisierte Testlösungen in aufsteigenden Konzentrationen mit Glucose für süß, NaCl für salzig, Zitronensäure für sauer und Chinin für bitter wird die Erkennungsschwelle gemessen. Fleischig und fettig werden nicht geprüft. Man unterscheidet „Ganz- Mund-Testung“ oder Testung des regionalen Schmeckvermögens einzelner gustatorischer Areale.

Die Applikation der Schmeckstoffe geschieht sowohl in flüssiger Form als auch in fester Form, z. B. Oblaten oder imprägnierte Geschmacksstreifen. Mit der Elektrogustometrie wird mono- oder bipolar mit Stromstärken zwischen 1,5–400 µA die Zungenoberfläche gereizt und die regionale Wahrnehmungsschwelle bestimmt. Der Vorteil ist der schnelle Nachweis einer nervalen Läsion und die Möglichkeit, die gustatorischen Anteile des N. glossopharyngeus zu bestimmen. Therapeutisch steht die Behandlung der Ursachen im Vordergrund. Sind qualitative Schmeckstörungen z. B. periodontal, paranasal, durch Vitamin B12-Mangel oder Infektion verursacht, bilden sie sich nach Therapie der ursächlichen Faktoren in der Regel innerhalb von Monaten zurück. Ein Ab- bzw. Umsetzen geschmacksstörender Medikamente ist häufig notwendig. Bei quantitativen Störungen wurde über Therapieversuche mit Zink, lokalen Lidocainapplikationen bei Kakogeusie oder z. B. mit Alpha-Liponsäure bei der idiopathischen Dysgeusie berichtet. Radiogene Schmeckstörungen bessern sich meist über die Zeit. Bei sialopenisch bedingten Schmeckstörungen sind Sialagoga oder künstlicher Speichel indiziert.

Die Empfindung „scharf“ wird durch Schmerzwahrnehmung fortgeleitet und qualifiziert, damit genau genommen keinen Geschmacksqualität. Bei Chili in Speisen wird Schärfe durch das Alkaloid Capsaicin hervorgerufen.