Anästhesiol Intensivmed Notfallmed Schmerzther 2001; 36(3): 133
DOI: 10.1055/s-2001-11820
EDITORIAL
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Kardiopulmonale Reanimation -
alles neu, alles beim Alten oder öfter mal was Neues?

H. A. Adams1 , C. Krier2
  • 1Zentrum Anästhesiologie, Medizinische Hochschule Hannover
  • 2Klinik für Anästhesiologie und Operative Intensivmedizin, Katharinenhospital, Klinikum der Stadt Stuttgart
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Publikationsverlauf

Publikationsdatum:
31. Dezember 2001 (online)

Im vorliegenden Heft berichtet H. W. Gervais über die„Guidelines 2000 for Cardiopulmonary Resuscitation and Emergency Cardiovascular Care. An International Consensus on Science” der American Heart Association, die in Zusammenarbeit mit dem International Liasion Committee on Resuscitation (ILCOR) entstanden sind, zu dem auch der European Resuscitation Council (ERC) gehört. Die Richtlinien lösen auf internationaler Ebene die bislang gültigen Empfehlungen des ERC aus den Jahren 1998 und 1996, des ILCOR aus dem Jahr 1997 und der American Heart Association aus dem Jahr 1992 ab, von den erst im Jahr 2000 veröffentlichten neuen nationalen Richtlinien der Bundesärztekammer einmal ganz abgesehen. Es stellt sich die Frage, welche wesentlichen neuen Aspekte ein solches Feuerwerk von Richtlinien rechtfertigen, die ja allesamt einen nicht unerheblichen Änderungsaufwand im Bereich der Laien- und ärztlichen Ausbildung sowie der täglichen Praxis der notfallmedizinisch tätigen Ärzte und des Rettungsdienstpersonals nach sich ziehen.

Zunächst ist zu begrüßen, dass hier ein außerordentlich breiter internationaler Konsens für notfallmedizinische Richtlinien in einem Problemfeld gefunden worden ist, dessen vitale Bedeutung - im vollen Sinn des Wortes - nicht zu überschätzen ist. Dabei wurde konsequent versucht, die Maßstäbe der „evidence based medicine” anzulegen. Herausgekommen ist mehr als eine Fleißarbeit mit Zusammenstellung mehr oder weniger gesicherter Ergebnisse; die „Guidelines 2000” enthalten vielmehr eine ganze Reihe tatsächlich neuer Aspekte. Hervorzuheben sind so praxisbezogene Hinweise wie die sichtbare Thoraxexkursion bei Beatmung, der Verzicht auf eine Pulsprüfung durch Laienhelfer (und damit auf den von der Bundesärztekammer weiter vertretenen „diagnostischen Block”) und insbesondere die Neuerung, die Patienten bis zur Intubation mit einem Kompressions-Ventilations-Verhältnis von 15 : 2 (statt bisher 5 : 1 bei der Zweihelfer-Methode) zu behandeln, um die Perfusion besser als bisher zu sichern. Darüber hinaus wird dem Einsatz automatischer externer Defibrillatoren (AED) breiter Raum gegeben, eine Empfehlung, die von den Hilfsorganisationen sehr ernst genommen wird und zu einer erheblichen Verbreitung dieser Geräte mit entsprechenden Konsequenzen auch für die Laienausbildung führen wird. Hier sollten wir Ärzte keine übertriebenen Ängste pflegen, sondern froh sein, wenn dem lebensbedrohten Patienten durch zeitgemäße Technik im Verein mit gewissenhafter Ausbildung schnellstmöglich geholfen wird. Die Grenzen der „evidence based medicine” werden jedoch deutlich, wenn aufgrund eher dürftiger und nicht ohne weiteres übertragbarer Studienergebnisse die Empfehlung gegeben wird, es in bestimmten Fällen (wenn der Helfer zur Beatmung nicht willens oder in der Lage ist) bei der Thoraxkompression bewenden zu lassen. Hier wird ohne Not ein Seitenweg aufgezeigt, der zur Verunsicherung führt und den Blick auf das eigentliche Ziel verstellt.

Insgesamt ist also nicht alles neu, aber auch nicht alles beim Alten, und die neuen Richtlinien sind mehr als eine modische Zeiterscheinung. Es handelt sich um rational nachvollziehbare Neuerungen, die es nunmehr schnellstmöglich zu vermitteln und umzusetzen gilt. Unbeschadet davon werden es nicht die letzten Richtlinien sein, wie ein Blick auf das Titelblatt lehrt. Auch die Autoren dieser Schrift aus dem Jahr 1939 mögen überzeugt gewesen sein, das letztgültige Wissen zu vermitteln. Dem war nicht so und ist nicht so - was niemanden hindern darf, es so gut wie heute gerade eben möglich zu machen.

Prof. Dr. med. H. A. Adams

Zentrum Anästhesiologie
Medizinische Hochschule Hannover

Carl-Neuberg-Str. 1

30625 Hannover

eMail: adams.ha@mh-hannover.de

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