Dtsch Med Wochenschr 2001; 126(18): 544
DOI: 10.1055/s-2001-13293
Kurze Mitteilungen
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Erregerresistenz - Unterschiede in der Epidemiologie

Further Information

Publication History

Publication Date:
31 December 2001 (online)

Die Einführung der antibakteriellen Chemotherapie von Infektionen als eine kausale Behandlung einer Krankheit war einer der größten Fortschritte der Medizin; in einem vergleichsweise sehr kurzen Zeitraum haben nun bestimmte Erreger von Krankenhausinfektionen eine Mehrfachresistenz entwickelt, die die Grenzen der zugelassenen Substanzen erreicht. Obgleich es gegen grampositive Bakterien in den letzten Jahren zwei neue Präparate gibt (Quinupristin/Dalfopristin, Linezolid), ist insgesamt gesehen der Vorsprung zwischen der Entwicklung neuer antibakterieller Wirkstoffe und der Resistenzentwicklung sehr knapp geworden. Die Resistenzentwicklung erfolgte in verschiedenen Ländern und Regionen allerdings in unterschiedlichem Ausmaß - aus der Analyse dieser Situationen resultieren wichtige Schlussfolgerungen für die dringend gebotene Verlangsamung der Resistenzentwicklung.

Auftreten und Verbreitung der Resistenz haben zwei wesentliche Grundlagen: das Vorhandensein von »Resistenzgenen« bei den Bakterien und den Selektionsdruck. Genauere Kenntnisse dieser Hintergründe sind wichtige Grundlagen für präventives Handeln.

Nach wie vor sind Pneumokokken der wichtigste Erreger der ambulant erworbenen Pneumonie. Eine im Rahmen des European Antibiotic Resistance Surveillance Systems durchgeführte Studie hat frühere Daten umfassend bestätigt: Es besteht eine enge Korrelation zwischen der Häufigkeit der Penicillinresistenz in europäischen Ländern (z. B. Spanien, Portugal > 40 %, in Deutschland < 1 %) und dem Einsatzvolumen von Benzylpenicillin (U. Buchholz, unveröffentl. Ergebnisse). Eine andere Studie in Deutschland [1] ermittelte für S. pneumoniae zu 4 % Resistenz gegen Penicillin. Der Zusammenhang zwischen Selektionsdruck und Resistenz konnte vor einigen Jahren in Finnland auch für die Makrolidresistenz bei Streptococcus pyogenes gezeigt werden, sie erreichte 1990 13 % dieser Erregerspecies und ging nach der Reduktion des Makrolideinsatzes zurück.

Die Analyse des unterschiedlichen Ausmaßes der Resistenzentwicklung bei Erregern von Krankenhausinfektionen sollte von folgenden Kriterien ausgehen:

In welchem Ausmaß werden resistente Erreger und übertragbare Resistenzgene von »außen« in Krankenhäuser eingebracht? Für Resistenzgene, die durch Anwendung von bestimmten Antibiotika in der Tiermast selektiert worden waren (z. B. bei Enterokokken Glykopeptidresistenz) konnte dies eindeutig nachgewiesen werden 2; ein Verbot für diesbezüglich kritische Antibiotika als Masthilfen wurde ab 1999 zumindest in EU-Ländern wirksam. Es gibt erste Berichte über Auftreten von MRSA (Methicillin- und mehrfachresistente S. aureus) aus den USA und aus Australien bei nichthospitalisierten Patienten, ein Zusammenhang mit der Behandlung von Wundinfektion mit Cephalosporinen der 3. Gruppe ist wahrscheinlich. Besondere Aufmerksamkeit erfordern darüber hinausgehend Alten- und Pflegeheime. Hier wird mit erhöhtem Hygienebewusstsein schon viel erreicht. Besiedlung oder Infektion mit MRSA bei einem potenziellen Bewohner sind allerdings kein Grund für die Verweigerung der Aufnahme 3. In welchem Maße erfolgt eine Ausbreitung multiresistenter Erreger zwischen Patienten und welche Bedeutung hat der chemotherapeutische Selektionsdruck? In einem großen belgischen Krankenhaus wurde gezeigt, dass durch die konsequente Durchsetzung entsprechender Hygienemaßnahmen die Häufigkeit von MRSA deutlich reduziert werden konnte 4. Aus einer umfassenden Fall-Kontrollstudie in einem großen deutschen Klinikum ging hervor, dass die Anzahl von Patientenverlegungen und der Einsatz von Fluorchinolonen unabhängig voneinander Risikofaktoren für die Ausbreitung von MRSA sind 5. Über Fälle von Infektionen mit Glykopeptid-intermediär empfindlichen S. aureus (GISA) wurde aus Europa bisher nur sporadisch berichtet, inzwischen gibt es offensichtlich Ausbrüche in französischen Krankenhäusern. GISA werden aus primär glykopeptidempfindlichen MRSA selektiert, für ihr Auftreten ist die Dauer der Glykopeptidbehandlung beim Einzelnen Patienten offenbar entscheidend, für ihre weitere Verbreitung verbesserungsbedürftige Hygiene. In welchem Maß ist die Verbreitung der Antibiotikaresistenz Folge von mikroökologischem Ungleichgewicht? Wie eine Untersuchung in den USA zeigte, führt der Einsatz von Chemotherapeutika, die auch gegen Anaerobier wirksam sind, zur erhöhten Kolonisierungsdichte von glykopeptidresistenten Enterokokken und begünstigt ihre Verbreitung 6.

Wichtige Voraussetzung für das rechtzeitige Erkennen der Resistenzentwicklung ist eine auf das jeweilige Krankenhaus (ggf. Abteilung/Station) bezogene Erfassung nosokomialer Infektionen in Verbindung mit einer Erreger- und Resistenzstatistik. § 23 des neuen Infektionsschutzgesetzes hat dafür den rechtlichen Rahmen gesetzt.

Literatur

  • 1 Shah  P, Korn S, Rosenthal E JK. Zunahme von Penicillin-resistenten Pneumokokken in Deutschland.  Dtsch Med Wschr. 2000;  125 1518
  • 2 Witte W. Selective pressure by antibiotic use in livestock.  Int J Antimicrob Agents. 2000;  16 19-24
  • 3 Heuck D, Hamouda O, Claus H, Witte W. Erst Ergebniss einer überregionalen Studie zur MRSA-Besiedlung bei bewohnern von Alten- und Pflegeheimen.  Hyg Med. 2000;  25 191-192
  • 4 Struelens M J, de Gheldre Y, Deplano A. Comparative and library epidemiological typing systems.  Infect Control Hosp Epidemiol. 1998;  19 565--569
  • 5 Dziekan G, Hahn A, Thund K. et al . Methicillin-resistant Staphylococcus aureus in a teaching hospital.  J Hosp Infect. 2000;  46 263-270
  • 6 Donskey  C J, Chowdhury T K, Hecker M T. et al . Effect of antibiotc therapy on the densitiy of vancomycin-resistant enterococci in the stool of colonized patients.  N. Engl. J. Med. 2000;  343 1925-1932

Prof. Dr. Wolfgang Witte

Robert-Koch-Institut

Burgstr. 37

38855 Wernigerode