Aktuelle Neurologie 2001; 28: 1
DOI: 10.1055/s-2001-15338
EDITORIAL
Editorial
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Nichtepileptische Anfälle

Non-epileptic Seizures
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Publication Date:
31 December 2001 (online)

Von nichtepileptischen Anfällen sind sehr viel mehr Menschen betroffen als von epileptischen Anfällen, alleine Synkopen sollen bei jedem Dritten mindestens einmal im Leben auftreten. 3 - 6 % aller Notaufnahmen in Kliniken erfolgen wegen Synkopen (Zunker P, Nervenheilkunde 2000; 19: 358 - 365). An Epilepsie erkranken weltweit etwa 3 - 5 % der Bevölkerung im Laufe ihres Lebens, meistens aber nur vorübergehend, so dass die Prävalenz aktiver Epilepsien zu einem bestimmten Zeitpunkt in den entwickelten Ländern auf 0,4 - 1 % geschätzt wird (Heinemann U et al. Epilepsie-Bericht '98. Berlin: Verlag einfälle, 1998).

Nichtepileptische Anfälle umfassen ätiologisch und pathophysiologisch sehr unterschiedliche Zustände mit ähnlichem klinischem Ablauf als Synkope oder als Sturzanfall; andere Zustände, die unter „nichtepileptische Anfälle” subsumiert werden, sind u. a. Hirnstammanfälle, hypovigilante Dämmeratta-cken bei der Narkolepsie, Schwindelattacken und dissoziative Anfälle.

Epilepsien werden wahrscheinlich zu häufig, Synkopen eher zu selten diagnostiziert. In der Klinik von Gastaut (Gastaut H in: Vinken PJ, Bruyn GW [eds]: Handbook of Clinical Neurology, Vol. 15. Amsterdam: North Holland Publishing Comp., 1974: 815 - 835) in Marseille hatten 30 % der Patienten, die mit Verdacht auf Epilepsie eingewiesen wurden, keine Epilepsie sondern Synkopen. In einer Klinik in Boston wurden 198 Patienten untersucht, die wegen einer vorübergehenden Bewusstlosigkeit in die Notaufnahme der Klinik kamen (Day SC et al. Am J Med 1982; 73: 15 - 23). Nur 29 % der Patienten hatten epileptische Anfälle, 40 % hatten vasovagal oder psychogen bedingte Episoden, 8,6 % hatten kardial bedingte Störungen, 6,6 % hatten metabolische Störungen oder Intoxikationen (am häufigsten Alkohol), 1,5 % hatten Migräneattacken, 1 % hatte transitorisch-ischämische Attacken, bei 12,6 % blieb die Ursache unklar.

Hinsichtlich der Behandlung und der sozialen Konsequenzen ist die Erkennung nichtepileptischer Anfälle von großer Bedeutung. Die Diagnostik verlangt eine interdisziplinäre Kooperation, vor allem zwischen Neurologen, Internisten, Pädiatern und Psychiatern. Vertreter dieser Fachrichtungen befassten sich mit den nichtepileptischen Anfällen aus verschiedenen Blickwinkeln bei einer Tagung im Dezember 2000 in Ravensburg-Weissenau. Das Sonderheft „Nichtepileptische Anfälle” der „Aktuellen Neurologie” basiert auf den Beiträgen zu dieser Tagung. Eine vollständige Abhandlung der „nichtepileptischen Anfälle” war im Rahmen eines eintägigen Symposiums nicht möglich, daher wurde den Einzelaspekten eine Einführung und ein Überblick vorangestellt.

Die Tagung und der Druck dieses Sonderheftes erfolgten mit freundlicher Unterstützung folgender Firmen: Schering Deutschland GmbH, Sanofi-Synthelabo GmbH, Desitin Arzneimittel GmbH, Glaxo Wellcome GmbH, Novartis Pharma GmbH, UCB GmbH, Aventis Pharma Deutschland GmbH, Janssen-Cilag GmbH, Medtronic GmbH, Merckle GmbH, Gödecke/Parke-Davis GmbH, Lilly Deutschland GmbH und Lundbeck GmbH. Außerdem wurde die Tagung durch den Verein W-NET (Weissenauer Verein zur Förderung der Therapie in Neurologie und Epileptologie) und die Stadt Ravensburg unterstützt, wofür wir uns an dieser Stelle bedanken möchten.

W. Fröscher, Ravensburg-Weissenau

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