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DOI: 10.1055/s-2002-32162
Editorial
Publication History
Publication Date:
10 June 2002 (online)
Freundlichkeit, Verständnis, Gesprächsbereitschaft und Gespräche - Selbstverständlichkeiten eines guten Miteinanderlebens? Ganz sicher! Selbstverständlichkeiten auch in unserem beruflichen Alltag, in der Beziehungsgestaltung zu psychisch Kranken? Ganz sicher! Und in der Beziehung zu den Angehörigen?...
Ein Vertreter der Angehörigen, der im Rahmen eines Pflegefachtages im März diesen Jahres am Bezirkskrankenhaus Ansbach über die Erwartungen der Angehörigen an Pflegekräfte sprach, wünschte sich: Freundlichkeit, Verständnis, Gesprächsbereitschaft und Gespräche sowohl für die Patienten als auch für die Angehörigen. - Also wohl doch keine Selbstverständlichkeiten, denn solche muss man sich nicht ausdrücklich wünschen. (Und sie werden von Angehörigen in ganz Deutschland immer wieder und seit Jahren gewünscht, u. a. auch in Beiträgen für diese Zeitschrift.)
Woran liegt es, dass wir Pflegenden (und nicht nur wir) uns oft mit der Angehörigenarbeit noch so schwer tun? Dass einfache Regeln der Kontaktaufnahme und der Kommunikation bei Angehörigen nicht zum Tragen kommen? Sind wir doch immer noch der Überzeugung, dass Angehörige Verursacher der Erkrankung sind oder zumindest das zwischenmenschliche Klima nicht günstig gestaltet haben?
Auf dem o. g. Pflegefachtag präsentierte sich die Pflege mit vielen praktischen Beispielen von Angehörigenarbeit. Die Palette reichte von der Überleitungspflege für neurologische und gerontopsychiatrische Patienten über Angehörigensprechstunden auf einer Station für gehörlose psychisch Kranke, Angehörigenseminare auf einer Suchtstation, Angehörigengruppen in der Tagesklinik bis zur Anleitung Angehöriger auf einer neurologischen Frührehabilitationsstation. Pflegende berichteten von Einladungen zu Angehörigentagen, sprachen von der Notwendigkeit der Angehörigenarbeit, dass sie eine Bereicherung und ein wichtiger Bestandteil pflegerischer Tätigkeit sei. In den Diskussionen und Arbeitsgruppen war aber auch zu hören „zu wenig Zeit für Angehörigenarbeit” oder „wenn Angehörige Informationen über die Krankheit oder Medikamente wollen, verweise ich an den Arzt”. Deutlich wurde auch, dass in vielen Einrichtungen zwar die Zusammenarbeit mit Angehörigen angestrebt wird, im täglichen Geschehen aber mehr oder weniger dem Zufall überlassen bleibt, bzw. personenabhängig ist. (Mit Ausnahme des ambulanten, aufsuchenden Bereichs, hier ist die pflegerische Tätigkeit ohne Einbeziehung der Angehörigen kaum mehr denkbar.)
Eine Forderung am Ende des Tages war, dass die Arbeit und Zusammenarbeit mit Angehörigen ein selbstverständlicher Bestandteil pflegerischen Handelns werden muss. Erforderlich ist deshalb, dass sie z. B. in Standards, Pflegeplanungen und Stationspflegekonzepten festgeschrieben wird. Es darf einfach nicht sein, dass Angehörigen mehrere Tage nach der Klinikeinweisung ihres Angehörigen noch keine Gelegenheit zu einem Gespräch geboten wurde, oder dass Entlassungen ohne Vorbereitung und rechtzeitige Information der Angehörigen stattfinden.
Angehörigenarbeit - eine Herausforderung für die Pflege, war der Pflegefachtag in Ansbach überschrieben. Wir sollten die Herausforderung annehmen und uns gleichzeitig mit den Angehörigen verbünden gegen die, unter zunehmendem Kostendruck, immer kürzeren Verweildauern, immer schnelleren Entlassungen. Sie gehen zulasten der Patienten und sehr oft auch der Angehörigen, vor allem dann wenn die komplementären Hilfen noch längst nicht dem Bedarf entsprechen.
In „qualitätsbewegten Zeiten” zwei praktische Fragen zur Qualitätsüberprüfung:
Wann haben Sie zuletzt ein geplantes ausführliches Gespräch mit einem Angehörigen geführt? Wie häufig fallen in ihrem Team noch Sätze wie z. B. „Kein Wunder bei der Mutter, dem Ehemann, ...?