Aktuelle Rheumatologie 2002; 27(3): 119-120
DOI: 10.1055/s-2002-33132
Editorial
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Editorial

EditorialA.  Krause1
  • 1Medizinische Klinik mit Schwerpunkt Rheumatologie und Klinische Immunologie, Universitätsklinikum Charité und Rheumaklinik Berlin-Wannsee, Berlin
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Publikationsverlauf

Publikationsdatum:
05. August 2002 (online)

Fast jeder hat schon selbst einmal die schmerzhafte Erfahrung gemacht, dass Virusinfektionen muskuloskeletale Symptome hervorrufen können. Meist handelt es sich um harmlose Arthralgien und Myalgien, die sich mit Abklingen des akuten Virusinfektes wieder vollständig zurückbilden.

Daneben gibt es aber eine ganze Reihe von Viren, die manifeste entzündlich-rheumatologische Krankheitsbilder verursachen. Typisch sind dabei selbstlimitierende, nichtdestruierend verlaufende Polyarthritiden. Sind die Gelenkmanifestationen eingebettet in eine Symptomtrias mit Fieber und Exanthem, ist die Verdachtsdiagnose klinisch leicht gestellt. Bei kurzem Krankheitsverlauf und guter therapeutischer Beeinflussbarkeit der Schmerzsymptomatik treten dabei selten klinische Probleme auf. Fehlen aber wegweisende klinische Anhaltspunkte, bereiten die viralen Arthritiden unter Umständen erhebliche Schwierigkeiten in der differenzialdiagnostischen Abgrenzung gegenüber anderen entzündlichen Gelenkerkrankungen. Darüber hinaus können gerade längerfristig bestehende Virusinfektionen mit protrahiertem Krankheitsverlauf rheumatologische Systemerkrankungen imitieren, wie z. B. die Rheumatoide Arthritis, den systemischen Lupus erythematodes oder das Sjögren-Syndrom. Da in diesen Fällen auch verschiedenste Autoantikörper serologisch nachweisbar sein können, wird evtl. fälschlicherweise eine Autoimmunkrankheit diagnostiziert und an eine Viruserkrankung nicht gedacht.

Die klinische Ähnlichkeit mancher viral induzierter Gelenkerkrankungen mit klassischen entzündlich-rheumatischen Krankheiten stimuliert seit langem die Suche nach einer viralen Genese von rheumatologischen Autoimmunerkrankungen. Trotz intensiver Forschung konnte aber bisher für keine der bekannten klinischen Entitäten ein viraler Auslöser sicher nachgewiesen werden. Lediglich die Assoziation von Hepatitis B-Infektionen mit der zu den Autoimmunerkrankungen gezählten Panarteriitis nodosa sowie die Verbindung von Hepatitis C-Infektion und kryoglobulinämischer Vaskulitis sind gesichert und von klinischer Relevanz. Gleichwohl gibt es zahlreiche Hinweise, die eine ätiologische Rolle viraler Infektionen bei einer Reihe von Autoimmunkrankheiten nahe legen. Darüber hinaus besteht kein Zweifel, dass virale Infektionen in die Pathogenese rheumatischer Erkrankungen eingreifen können. Bestes Beispiel sind HIV-Infektionen, die verschiedene Erkrankungen wie z. B. die Psoriasis-Arthritis, die Rheumatoide Arthritis oder reaktive Arthriden in ihrem Verlauf erheblich und in ganz unterschiedlicher Weise beeinflussen. Virale Infektionen sind daher nicht nur klinisch bedeutsam, sondern hinsichtlich Pathogeneseforschung auch von wissenschaftlichem Interesse.

In den nachfolgenden Beiträgen werden die klinischen Charakteristika und aktuellen Erkenntnisse zur Pathogenese der klinisch bedeutsamsten viral induzierten rheumatischen Erkrankungen beschrieben und die Frage der Rolle von Virusinfektionen als potenzielle Auslöser rheumatischer Erkrankungen anhand der neuesten Forschungsergebnisse diskutiert. Der Artikel von H. Kellner beschäftigt sich mit den von Hepatitis-B- und -C-Viren hervorgerufenen Arthritiden und Vaskulitiden. Neben den gesicherten Manifestationen Polyarthritis, Panarteriitis und Kryoglobulinämie werden dabei auch weitere mögliche Hepatitisvirus-assoziierte rheumatische Krankheitsbilder beschrieben. A. Rubbert behandelt in ihrem Beitrag die Arthritiden bei HIV-Infektionen. Das Problem ist vielschichtig, da HI-Viren nicht nur selbst muskuloskeletale Symptome hervorrufen, sondern auch den klinischen Verlauf anderer entzündlicher Gelenkerkrankungen modulieren können. Schließlich sind zunehmend auch medikamentös induzierte rheumatische Syndrome bei HIV-Patienten von Bedeutung. Der Frage, ob virale Infektionen als Auslöser definierter rheumatischer Erkrankungen infrage kommen, geht G. Keyßer nach. Er stellt insbesondere am Beispiel der rheumatoiden Arthritis dar, warum Viren allgemein und welche Viren speziell als Auslöser in Betracht kommen und warum es möglicherweise bisher noch nicht gelungen ist, eine virale Genese nachzuweisen. A. Praast und A. Krause fassen abschließend die Pathogenese, klinische Symptomatik und Diagnostik von Arthritiden zusammen, die durch Parvovirus B19, Mumps- und Masernviren sowie verschiedene Togaviren hervorgerufen werden, und beschreiben dabei sowohl charakteristische akute Krankheitsbilder wie auch seltenere Verläufe.

Mit diesen umfassenden und aktuellen Übersichtsarbeiten sollen die wichtigsten viral induzierten Arthritiden noch einmal in Erinnerung gerufen und die diagnostische Aufmerksamkeit hinsichtlich einer möglichen Virusgenese rheumatischer Krankheitsbilder geschärft werden.

Prof. Dr. A. Krause

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