intensiv 2004; 12(6): 259
DOI: 10.1055/s-2004-813711
Editorial

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

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Publication Date:
09 November 2004 (online)

Anästhesietechnischer Assistent (ATA), Medizinischer Assistent für Anästhesi­ologie (MAFA), separate zweijährige Fachweiterbildung Anästhesiepflege - wer bzw. wo wird die nächste Idee auf den Fort- und Weiterbildungsmarkt der Pflege werfen bzw. geworfen? Bei der von der Universitätsklinik Frankfurt/M. initiierten dreijährigen „Ausbildung” (keine anerkannte Berufausbildung) zur(m) ATA handelt es sich lediglich um eine klinikinterne Qualifizierungsmaßnahme mit einem hausinternen Abschluss. Der „Ausbildungsgang” liegt im Moment zur Anerkennung bei der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG) und ist noch nicht abschließend behandelt. In einem Infoblatt „ATA” heißt es u. a.: „Anästhesietechnische Assistenten sind medizinische Assistenten, welche selbstständig Narkosen vorbereiten, bei der Narkose assistieren und die Narkose nachbereiten. Sie unterstützen den Arzt bei allen Tätigkeiten, welche in der Anästhesie anfallen, und überwachen die Patienten nach der Narkose im Aufwachraum ... Ihre Ausbildung gestaltet sich analog dem Ausbildungsgang der OTAs oder den MTAs.”

Demgegenüber wendet sich das von den Helios Kliniken entwickelte Angebot „MAFA” an bereits ausgebildetes Pflegepersonal, welches schon immer einmal selbstständig und eigenverantwortlich Narkosen durchführen wollte. In einem Flyer der Helios-Akademie heißt es: „Mit der Zusatzqualifikation zum Medizinischen Assistenten eröffnet Helios neue Perspektiven in den Pflegeberufen. Erstmalig ist es für hochmotivierte Mitarbeiter möglich, auch im nichtärztlichen medizinischen Bereich das eigene Kompetenz- und Qualifikationsspektrum über die Fachpflegeausbildung hinaus zu erweitern.” Ziel dieser Maßnahme ist es, wie es weiter heißt: „Ärzte in ihrer Tätigkeit zu entlasten und ihnen einen Zeitgewinn für die medizinische Entscheidungsfindung zu ermöglichen.”

Die Teilnahme an dieser Qualifizierungsmaßnahme ist selbstverständlich ebenso nur eigenen Mitarbeitern möglich und endet ebenso mit einem hauseigenen Zertifikat.

Als dritte Variante gibt es Überlegungen einiger Universitätskliniken, eine Trennung der Weiterbildung Intensivpflege und Anästhesie in die beiden Fachbereiche vorzunehmen. Die Kurse sollen hauptsächlich auf die Erfordernisse und Anforderungen in Universitätskliniken zugeschnitten sein und somit auch nur Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern aus diesen Bereichen offen stehen. Am Ende stünde dann eher ein „Schweizer Modell”, das eine zweijährige Weiterbildung in der Anästhesie - analog dazu in der Intensivpflege - vorsähe (diese grundsätzlichen Überlegungen der Trennung sind sicherlich nicht ganz neu).

Die Motive der jeweiligen Institutionen, diese drei vollkommen verschiedenartigen Bildungsmaßnahmen anzubieten bzw. in die Diskussion zu bringen, sind sehr unterschiedlich und gehen von ökonomischen Zwängen bis zu vermeintlich fehlendem pflegerischen bzw. ärztlichen Fachpersonal. Der „Bildungsgedanke” wird häufig hintangestellt, geschweige denn in den Vordergrund gerückt. Doch bei allem Reformeifer im Gesundheitswesen und den immer knapper werdenden finanziellen Ressourcen - gerade im Bereich der beruflichen Weiterbildung in den Gesundheitsberufen - sollte die Fachweiterbildung einer Berufsgruppe in einem bestimmten Arbeitsfeld nicht zum Spielball einzelner Institutionen werden. Jahrelang ist um eine Vereinheitlichung der Weiterbildungsinhalte und um staatlich anerkannte Regelungen gekämpft worden. Auf Landesebene sind Verordnungen erlassen worden, die weitestgehend in allen Bundesländern kongruent sind und Fachpflegenden jederzeit einen Wechsel des Arbeitsplatzes und der Anerkennung in dem jeweils anderen Bundesland ermöglichen.

Wollen wir ernsthaft wieder Zustände wie vor 30 Jahren haben, wo jede Klinik ihre „hausinterne” Weiterbildung nach ihren jeweiligen, aktuellen Bedürfnissen bzw. finanziellen Nöten kreiert? Wollen wir Qualifizierungen, wobei am Ende eine vollkommen unsichere Rechtslage für die Absolventen in Bezug auf ihre Tätigkeiten besteht? Wollen Sie in einem Operationssaal arbeiten, wo drei unterschiedlich ausgebildete Mitarbeiter sich die bisherigen pflegerischen Aufgaben in der Anästhesie teilen? In diesem OP sollte bestimmt eine vierte Berufsgruppe nicht fehlen - die der Konfliktberater und Supervisoren!

An die verschiedenen Interessenver­treter der Gesundheitsbereiche, insbesondere die Verantwortlichen im Klinikmanagement, die Berufsverbände der Ärzte, aber auch der Pflegenden muss daher die Forderung lauten, nicht vorschnell „Bewährtes” und „Übergreifendes” zu opfern, wenn man nicht weiß, wohin man eigentlich will. Wäre es nicht eher sinnvoll zu schauen, welche Aufgaben in Zukunft von Anästhesiepflegenden erbracht werden sollen bzw. welche Tätigkeiten auch durchaus nicht mehr zwingend von Anästhesisten erbracht werden müssen bzw. sie auch bereit sind abzugeben? Nachdem klar ist, welche Aufgaben in Zukunft von Pflegenden oder auch „Nichtpflegenden” in der Anästhesie übernommen werden, kann eine zukunftweisende Weiterbildung konzipiert werden. Umgekehrt -erst bilden wir Mitarbeiter aus und anschließend legen wir fest, was sie denn alles tun dürfen - ist nicht nur der falsche, sondern auch ein teurer Weg.

Die Herausgeber

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