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DOI: 10.1055/s-2004-818798
Editorial
EditorialPublication History
Publication Date:
09 February 2004 (online)
Durch die Fortentwicklung von operativen und anästhesiologischen Techniken konnte die Mortalität bei elektiven Eingriffen in der Gefäß- sowie der Neurochirurgie deutlich reduziert werden. Ebenso wurden schwerwiegende perioperative Komplikationen gesenkt. Es ist daher ein zentrales Anliegen für AnästhesistInnen und OperateurInnen intraoperativ Sekundärschäden infolge von Ischämie in den Strukturen des zentralen Nervensystems (ZNS) zu vermeiden, um ein gutes postoperatives outcome mit hoher Lebensqualität für die PatientInnen zu erzielen.
So kommen bei verschiedenen Eingriffen in der Gefäß- sowie Neurochirurgie unterschiedliche Techniken des Neuromonitorings zum Einsatz. Neben der Hauptaufgabe, eine adäquate Narkosetiefe zu gewährleisten und die Vitalparameter in physiologischen Bereichen zu halten, ist der/die AnästhesistIn häufig damit betraut, ein ZNS-Monitoring parallel zur Narkose durchzuführen, bzw. zu interpretieren. Eine frühzeitige Entdeckung der drohenden Ischämie kann durch Änderungen der operativen Technik bzw. Optimierung der Kollateralperfusion häufig behoben werden. Eine enge interdisziplinäre Zusammenarbeit ist dabei Voraussetzung.
Im Rahmen des Hauptstadtkongresses für Anästhesie 2003 in Berlin war es in der Sitzung über klinisches Neuromonitoring das Anliegen, verschiedene derzeitig diskutierte Aspekte und Kontroversen gegenüber zu stellen. Insbesondere sollte dabei auch die Perspektive der operativ tätigen KollegInnen berücksichtigt werden. So stellt Rückert anhand gefäßchirurgischer Eingriffe an der Arteria carotis und der thorakalen Aorta exemplarisch die Ansprüche an ein Neuromonitoring aus operativer Sicht vor. Entscheidend für den Operateur ist die zeitnahe Information und eindeutige Interpretation, da die Änderung des operativen Vorgehens, wie z. B. eine Shunteinlage durchaus komplikationsträchtig sein kann. Die Akzeptanz der operativen Disziplinen gegenüber einem Neuromonitoring ist in verschiedenen Zentren sehr unterschiedlich, aber aus Sicht von Herrn Rückert ist ein Verzicht auf ein adäquates Monitoring derzeit nicht zu begründen.
Rundshagen weist auf die bestehenden Kontroversen hin, welches Anästhesieverfahren bei Eingriffen an der Arteria carotis am besten geeignet ist. In einigen Zentren werden regionalanästhesiologische Techniken (zervikale Epiduralanästhesie, zervikale Plexusblockade) bevorzugt, die eine Beurteilung der Kooperation des wachen oder flach sedierten Patienten intraoperativ erlauben. In anderen Zentren wird vorwiegend eine Allgemeinanästhesie mit Intubation durchgeführt. Ein ZNS Monitoring erfolgt dann bevorzugt über die Interpretation von somatosensorisch evozierten Potentialen nach elektrischer Stimulation des Nervus medianus. Bisher gibt es keine randomisierte Untersuchung an einem ausreichend großen Patientenkollektiv, welche den Vorteil eines Verfahrens gegenüber dem anderen eindeutig belegt.
Wachkraniotomien sind Eingriffe, während derer die Kooperations- und/oder Sprechfähigkeit erhalten bleiben muss, um das Risiko der Schädigung intraoperativ zu minimieren. Boemke stellt das anästhesiologische Management von neurochirurgischen PatientInnen im Rahmen von stereotaktischen Eingriffen mit brain mapping vor, wie es in der Klinik für Anästhesiologie der Charité, Campus Virchow, in Berlin durchgeführt wird. Bei diesen z. T. sehr langwierigen Prozeduren ist zum einen eine adäquate Sedierung mit erhaltenen Schutzreflexen und Spontanatmung bei vollständiger Immobilisierung erforderlich, zum anderen die Kooperationsfähigkeit bei der Durchführung kognitiver Tests. Während der Wachphasen steht anästhesiologischerseits die psychologische Führung des Patienten im Vordergrund. Bisher ist keines der gängigen Verfahren des Neuromonitorings für die Überwachung der Patienten während der Sedierung bei diesen Eingriffen validiert.
Eine hohe Herausforderung stellt das operative und anästhesiologische Management der thorakoabdominalen Aortenchirurgie dar. Bischoff zeigt anhand verschiedener klinischer Studien in der Literatur auf, dass durch ein Neuromonitoring mit somatosensorisch und motorisch evozierten Potentialen innerhalb von Minuten Ischämieereignisse auf spinaler Ebene detektiert werden können. Demnach sind diese Verfahren zur Steuerung gestörter Perfusionsverhältnisse in der distalen Aorta geeignet, so dass z. B. eine Optimierung der Kollateralperfusion oder Re-Implantation von einzelnen Segmentarterien vorgenommen werden kann. Die Häufigkeit schwerwiegender intraoperativer Komplikationen wie ischämiebedingter Paraplegien und Paresen konnte auf unter 3 % in Zentren gesenkt werden.
Zusammenfassend ergibt sich, dass eine Vielzahl unterschiedlicher Verfahren zum intraoperativen ZNS-Monitoring zur Verfügung stehen. Neben der engen Kooperation zwischen den Disziplinen ist für die korrekte Interpretation der Signale eine exakte Kenntnis der Technik sowie der Kenngrößen als auch der Störgrößen des Monitorings erforderlich. Zweifelsohne trägt dann der vermehrte personelle und technische Aufwand für das Neuromonitoring zur Sicherheit der PatientInnen intra- und perioperativ bei.