Psychiatr Prax 2004; 31: 275-279
DOI: 10.1055/s-2004-828490
Originalarbeit
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Berufliche Integration aus Sicht des Angehörigenverbandes

Vocational Integration from the Vantage Point of the Association of DependantsJutta  Crämer1
  • 1Familienselbsthilfe Psychiatrie, Angehörige psychisch Kranker, Landesverband Berlin e. V.
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Publication Date:
08 December 2004 (online)

Herzlichen Dank für Ihre Einladung. Wir Angehörigen begrüßen es sehr, dass auf dieser Veranstaltung auch nach einem Miteinander zwischen Wissenschaft und praktischer Versorgung gesucht wird. Als Vorsitzende eines Angehörigenverbandes mit ca. 350 Mitgliedern sehe ich hier noch erheblichen Bedarf. Ich hoffe jedoch, dass ein Ergebnis dieser Veranstaltung sein wird, dass das Miteinander konkretere Formen annimmt …

Die Bedeutung der Arbeit in unserer Gesellschaft steht gerade in der heutigen Zeit außer Frage. Auf unserer letzten Veranstaltung im November 2003 zum Thema: „Die Angehörigen fragen: Wie sieht es in Berlin mit der Teilnahme psychisch beeinträchtigter Menschen am Arbeitsleben aus?” hat uns der Landesbeauftragte für Behinderte - Martin Marquard - in seinem Begrüßungswort seine Antwort gleich zu Beginn der Veranstaltung gegeben: „schlecht - jedenfalls ziemlich schlecht.”

Natürlich sehen wir Angehörigen diese Situation genauso, vielleicht sogar was die berufliche Integration betrifft, noch düsterer. Aber gerade weil die Situation so ist, in der heutigen Zeit der Massenarbeitslosigkeit, müssen auch für psychisch beeinträchtigte Menschen Beschäftigungsmöglichkeiten, Nischenarbeitsplätze gefunden werden, wenn die gesamte Psychiatriereform sich nicht wieder infrage stellen will.

Bereits im Juli 1996 hat die Senatsverwaltung für Gesundheit und Soziales im Psychiatrieentwicklungsprogramm festgestellt: „Die Teilhabe psychisch Kranker an Bildung, Arbeit und Beschäftigung ist eine unabdingbare Notwendigkeit im Bereich der Rehabilitation und der langfristigen Integration. Dem widerspricht in eklatanter Weise die Realität im Land Berlin. Nur verschwindend wenige finden einen Weg in den allgemeinen Arbeitsmarkt und auch das Angebot der Werkstätten für Behinderte bleibt den meisten chronisch psychisch Kranken verschlossen.”

Heute - im Jahr 2004 - 8 Jahre später wird davon ausgegangen, dass Menschen mit psychischen Behinderungen nur zu etwa 10 % auf dem 1. Arbeitsmarkt tätig sind - in den neuen Ländern zu 0 %. Im 2. Arbeitsmarkt d. h. in Werkstätten für behinderte Menschen und in Zuverdienstprojekten etc. sind inzwischen 20 % beschäftigt. Diese Zahlen hörten wir anlässlich unserer Veranstaltung am 8.11.2003 von Dr. Niels Pörksen - Vorstandsmitglied der Aktion psychisch Kranke. Dr. Pörksen führte weiter aus, dass mehr als die Hälfte der betroffenen Menschen untätig sind - mit allen Folgen für einen weiteren erhöhten Betreuungsaufwand.

Ich glaube, diese Zahlen müssen uns aufschrecken lassen. Unverzüglich sollten neue Wege zur beruflichen und damit auch zur sozialen Integration eingeschlagen werden. Die Forschung geht weiter und bringt neue fortschrittlichere Psychopharmaka auf den Markt, neue Erfolg versprechende Therapien werden uns vorgestellt, ich denke hier an die Psychoedukation. Aus meiner Angehörigensicht sind das durchaus fortschrittlich neue Wege und für viele psychisch betroffene Menschen eröffnen sich damit wieder bessere Lebensmöglichkeiten, wieder mehr Lebensqualität. Aber kann die Lebensqualität überhaupt noch in der heutigen Zeit für diese Menschen und unter diesen Umständen umgesetzt werden?

Dr. Pörksen weist auf die Folgen eines erhöhten Betreuungsaufwandes hin und damit sind wir - auch aus unserer Angehörigensicht - bei sich daraus ergebenen Konsequenzen. Mehr Betreuung!? Wir alle wissen, das unter diesen finanziellen Bedingungen, die wir bereits heute haben und die für die Zukunft sich wahrscheinlich noch weiter verschlechtern werden, das Pflegeheim am Ende steht. Ich nenne es einfach die Verwahrpsychiatrie mit ihren unglaublich hohen Kosten - für die dann die Gelder plötzlich wieder da sind.

Ich weiß, ich male hier sehr schwarz, aber gestehen Sie uns Angehörigen bitte zu, dass wir in größter Sorge um die Weiterentwicklung in der psychiatrischen Versorgung sind und besonders, was die berufliche Integration betrifft.

Dankbar sind wir Angehörigen und sicher auch die Betroffenen, dass die Aktion psychisch Kranken nicht müde wird, auf die Missstände in der psychiatrischen Versorgung aufmerksam zu machen und auch Lösungsmöglichkeiten in allen Bereichen anbietet. Aber wo werden diese Konzepte umgesetzt? Über Jahre gibt es Pilotprojekte in einem Berliner Bezirk, ohne dass diese Konzepte durchgreifend auf alle Berliner Bezirke übertragen werden. So darf es aus unserer Sicht nicht weitergehen, hier ist auch die politische Ebene, in Berlin ist es die Senatsverwaltung für Gesundheit, Soziales und Verbraucherschutz, gefordert, schnellstens neue, innovative Wege zu gehen.

Wir Angehörigen wissen wie wichtig die so genannten Zuverdienst- und Integrationsfirmen für psychisch beeinträchtigte Menschen sind. Diese Firmen, die besonders auf die Bedürfnisse der Betroffenen abgestimmt sind und nach einer Krise oder einem Krankenhausaufenthalt den „beschützten Arbeitsmarkt” für sie bilden.

Aus unseren Vermittlungserfahrungen bei Starthilfe Arbeit wissen wir jedoch, dass es auch hier zu wenig Arbeits- und Beschäftigungsmöglichkeiten gibt - lange Wartelisten sind heute in diesem Bereich inzwischen die Regel. Leider ist uns auch bekannt geworden, dass wegen finanzieller Kürzungen einige Zuverdienstprojekte inzwischen sogar schließen mussten.

Besonders haben wir bedauert, dass die Druckerei der Tagesklinik hier in der Eschenallee geschlossen wurde. Wir wissen von Angehörigen und von Betroffenen, dass hier ein Stückchen „normales” Arbeitsleben praktiziert wurde. Aus unserer Sicht ist es sehr bedauerlich, dass derartige Arbeitstherapien, die bereits in der Tagesklinik zur beruflichen Integration psychisch kranker Menschen beigetragen haben, einfach wegrationalisiert werden.

Weitere Einschränkungen von Arbeitsmöglichkeiten für psychisch beeinträchtigte Menschen stehen in Berlin durch die Streichung der Fördermittel zur „Hilfe zur Arbeit” durch die Sozialämter bevor, obwohl im SGB IX und im BSHG (§ 40 Abs. 1 Ziff. 3) ausdrücklich von den Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben sowie sonstigen Hilfen zur Erlangung eines geeigneten Arbeitsplatzes im Arbeitsleben für Menschen mit Behinderung gesprochen wird.

Auch hier wird für etliche psychisch beeinträchtigte Sozialhilfeempfänger die Möglichkeit, sich ein kleines Taschengeld sinnvoll hinzu zu verdienen, einfach gestrichen. Wir fragen, wo soll das hinführen, wenn sogar derartige geringfügige Zuverdienste einfach wegfallen. Auch hier sehe ich Handlungsbedarf durch die Berliner Senatsverwaltung.

Wir Angehörige haben auch hier den Eindruck, dass an den Schwächsten, nämlich den psychisch kranken Menschen, wieder gespart werden soll. Sie selbst sind in der Regel nicht in der Lage, ihre Rechte einzufordern und brauchen umso mehr die Unterstützung der Gesellschaft.

Auf unserer Veranstaltung im November hatte ein psychisch Betroffener Forderungen an die berufliche Integration psychisch beeinträchtigter Menschen gestellt, die gehört und umgesetzt werden müssen. Er führte an:

Änderungen in der Werkstatt für behinderte Menschen sind notwendig; auch die Werkstatt sollte Arbeitsplätze für psychisch beeinträchtigte Menschen außerhalb der Werkstatt schaffen, da dann die Arbeitswelt realistischer ist, die Integrationsfirmen sind für psychisch Behinderte besser geeignet als die Werkstätten, denn sie sind Bestandteil der normalen Wirtschaft und somit näher am Übergang zum ersten Arbeitsmarkt, für diese Firmen bestehen Möglichkeiten, vorhandene Lücken in strukturschwachen Gebieten zu schließen - hier könnten z. B. Integrationsläden (Supermärkte) eröffnet werden, es gibt bessere Verdienstmöglichkeiten für die psychisch behinderten Menschen, und die Motivation der behinderten Arbeitnehmer sind in derartigen Firmen sehr hoch, so dass der Krankenstand wesentlich niedriger ist, das Konzept „Zuerst Platzieren und dann Rehabilitieren” für die Arbeitsrehabilitation ist vorzuziehen.

Wir fordern, dass die Vorstellungen und Wünsche der psychisch Betroffenen auch bei der beruflichen Integration berücksichtigt werden, damit die personenbezogene, passgenaue Versorgung nicht zur Makulatur wird.

Wenn ich ein Stück auf mein eigenes „Angehörigen-Leben” zurückschaue, dann weiß ich noch genau, dass ich anlässlich der Veranstaltung am 28.11.1998 „Psychosoziale Rehabilitation heute und morgen” durch die Vorträge u. a. von Prof. Dr. Dörner, Dr. Reker, Herrn von Kardorff von Möglichkeiten und Unterstützung in der beruflichen Integration - auch für psychisch beeinträchtigte Menschen - hörte. Diese Vorträge gaben mir damals die Zuversicht, dass auch mein Sohn eines Tages einen Arbeitsplatz, seinen Fähigkeiten und Bedürfnissen entsprechend, finden würde.

Dr. Reker hatte seinerzeit in seiner Rede auf die Forschungsberichte des Bundesministeriums für Arbeit und Sozialordnung „Berufliche Wiedereingliederung von schwerbehinderten psychisch Kranken” und „Begleitende Hilfen im Arbeitsleben für psychische Kranke und Behinderte” hingewiesen. Mit diesen Forschungsberichten in der Hand versuchten mein Sohn und ich gemeinsam in Berlin Arbeitsmöglichkeiten für ihn zu finden. Schnell mussten wir feststellen, dass viel geschrieben, geredet und wenig umgesetzt wurde und wird. Mein Sohn fiel durch alle beruflichen Integrationsnetze. Er hatte sein Studium der Betriebswirtschaft, trotz seiner Erkrankung, erfolgreich als Dipl.-Betriebswirt abgeschlossen und war nun arbeitslos. Er war nicht bereit, einen Schwerbehindertenausweis zu beantragen und hatte somit keine Aussichten im beschützten Arbeitsbereich einen Arbeitsplatz - z. B. in einer Integrationsfirma - zu erhalten. Arbeitslosengeld erhielt er nicht, da er die Voraussetzungen hierfür - bedingt durch Studium und Erkrankung - nicht erfüllt hatte.

Viele Monate schrieb er unzählige Bewerbungen und erhielt nur Ablehnungen. Natürlich war der nächste Erkrankungsschub vorhersehbar und so geschah es auch. Er musste wieder stationär behandelt werden. Nachdem es ihm besser ging, wurde ihm vom Stationsarzt geraten, sich in der Werkstatt für behinderte Menschen einen Arbeitsplatz zu suchen. Mein Sohn nahm diesen Rat zum Glück nicht an. Der behandelnde Arzt der Tagesklinik setzte sich dafür ein, dass er in der zur Tagesklinik gehörenden Druckerei arbeiten konnte. Außerdem machte er es möglich, dass unmittelbar nach dem Tagesklinikaufenthalt sich eine berufliche Rehabilitationsmaßnahme vom Arbeitsamt anschließen konnte. Dieser lückenlose Übergang von der Tagesklinik in die berufliche Rehabilitation hat meinem Sohn geholfen, sich wieder zu stabilisieren und später einen Teilzeitarbeitsplatz zu finden.

Ein nahtloser Übergang von der psychiatrischen Klinik in die berufliche Rehabilitation ist leider auch heute noch nicht selbstverständlich. Wir sind der Überzeugung, dass bereits während des Klinikaufenthalts die ambulante Nachbehandlung beginnen sollte, auch für die berufliche Wiedereingliederung. Sinnvolle arbeitstherapeutische Maßnahmen müssen frühzeitig beginnen, damit berufliche Rehabilitation vorbereitet und gefördert werden kann. Noch während der stationären Behandlung müssen die Betroffenen eine realistische Perspektive erhalten, damit sie nach der Entlassung aus der Klinik wieder einen strukturierten Alltag haben. Die hierfür erforderliche Finanzierung erfolgt vom Träger der Kranken- oder der Rentenversicherung. Es ist uns nicht verständlich, warum diese Eingliederungsmöglichkeiten von den Kliniken sowie auch von den niedergelassenen Psychiatern so wenig genutzt werden. Für notwendig halten wir auch, dass bereits während der stationären Versorgung eine vertrauensvolle Beziehung zu einem Mitarbeiter der ambulanten Versorgung - Coach genannt - aufgebaut wird, bis die Betroffenen wieder in der Lage sind, ihr Leben eigenverantwortlich und selbstständig zu führen. Wir Angehörigen erleben immer wieder mit, dass gerade dieser Zeitpunkt - die Zeit nach der Entlassung aus der Klinik - für die psychisch Betroffenen voller Probleme steckt und sie sich oft in einem Zustand äußerster Einsamkeit und Isolation befinden. Zukunftsängste bedrängen sie und natürlich auch die Angehörigen. Hier müssen mehr Unterstützungsmöglichkeiten geschaffen werden, besonders auf die Situation des einzelnen abgestimmt.

Im Rahmen einer Studie durch den Bundesverband der Angehörigen psychisch Kranker wurden 565 an Schizophrenie erkrankte Menschen gefragt: „Was bedeutet Lebensqualität für Dich?” Antwort: „Arbeit - ein ausfüllender Beruf!” nahmen bei dieser Befragung den ersten Platz ein, gefolgt von Gesundheit an zweiter Stelle. Der dritte Platz wurde für Wohlbefinden, Lebensfreude und Unabhängigkeit gewählt.

Psychisch beeinträchtigte Menschen werden bei ihrer Suche nach Arbeit oder Beschäftigung alleine gelassen. Der Wunsch einen Arbeitsplatz, einen ausfüllenden Beruf in der heutigen Zeit zu finden, bleibt für die meisten Betroffenen unerfüllbar. Sie, die durch ihre Erkrankung ihr Selbstwertgefühl verloren haben, werden auf der Suche nach einem Einstieg/Wiedereinstieg in das Berufsleben durch die wiederholten Ablehnungen ihrer Bewerbungen und durch diskriminierende Äußerungen zermürbt. Das gilt nicht nur für den ersten Arbeitsmarkt, sondern leider mitunter auch für den beschützten Arbeitsbereich. Wir wissen von Betroffenen, dass man auch in anerkannten Rehabilitations-Instituten nicht immer gerade einfühlsam mit psychisch beeinträchtigten Bewerbern umgeht. Ein Beispiel:

Der Bewerber legte ein ärztliches Attest des behandelnden Arztes über seine Rehabilitationsfähigkeit vor und erhielt zur Antwort, dass man sich solche Atteste „an die Wand nageln” könne. Der Betroffene fühlte sich tief verletzt durch diese Art der Ablehnung. Da er in seinem erlernten Beruf als Maler und Lackierer aus gesundheitlichen Gründen nicht weiter tätig sein konnte, wurde eine Umschulung für ihn dringend notwendig. Aber er wurde für nicht fähig gehalten und an eine Werkstatt für behinderte Menschen verwiesen.

Von einer anderen Arbeit suchenden Betroffenen haben wir Ablehnungsformulierungen gehört:, wie: „Sie sind nicht kommunikationsfähig, sie arbeiten wie eine Maschine” usw. Derartige Aussagen verletzen die Betroffenen tief. Wir fragen uns, welche Qualifikation besitzen diese Mitarbeiter, um den Bedürfnissen psychisch kranker Menschen gerecht zu werden?

In unseren Angehörigen-Gesprächsgruppen hören wir immer wieder von den beruflichen Problemen der Betroffenen. Eine Folge beruflicher Perspektivlosigkeit ist oft der Rückfall wieder in die psychotische Krise, verbunden mit einer erneuten Klinikaufnahme.

Aus der Not unserer kranken Familienmitglieder heraus, haben wir im Jahr 2000 im Landesverband Berlin ein Angehörigenprojekt - Starthilfe Arbeit - gegründet, um in Selbsthilfe für psychisch betroffene Menschen Arbeitsplätze zu suchen. Inzwischen arbeiten psychisch Betroffene und Angehörige gemeinsam in diesem Projekt mit. Bei dieser Projektarbeit erleben wir immer wieder, wie motiviert und leistungsbereit die Bewerber sind.

Auch in den Integrationsfirmen, die vor Jahren besonders für leistungsfähigere psychisch beeinträchtigte Menschen aufgebaut wurden, sieht es heute nicht besser aus. Zwar stehen Arbeitsplätze für behinderte Menschen in diesen Firmen immer wieder zur Verfügung, jedoch werden psychisch Behinderte nur sehr selten noch berücksichtigt. In der Regel erfolgt die Vermittlung der behinderten Arbeitsuchenden über die Integrationsfachdienste. Uns ist vermittelt worden, dass die Arbeitsämter auf die Vermittlungsquote der Dienste einen gehörigen Druck ausüben und somit andere behinderte Bewerber, die vielleicht im Arbeitsleben etwas unkomplizierter sind, bevorzugt vermittelt werden. Wir haben feststellen müssen, dass den Integrationsfachdiensten keine Zahlen über die Vermittlung von psychisch behinderten Menschen vorliegen. Unter Umständen hängt es damit zusammen, dass für die Inanspruchnahme der Integrationsfachdienste die Anerkennung der Schwerbehinderteneigenschaft vorliegen muss, obwohl auch hier von Bundesland zu Bundesland anders entschieden wird, wie ich erst kürzlich bei einem Werkstattgespräch der BfA haben hören können. Wir alle wissen, wie schwierig es für psychisch behinderte Menschen ist, die förmliche Schwerbehinderteneigenschaft zu beantragen, wenn sie gerade dabei sind, die Krankheit ein Stück hinter sich zu lassen und wieder versuchen, an eigene berufliche Fähigkeiten zu glauben. Auch hier werden psychisch kranke Menschen ausgegrenzt.

In der heutigen Zeit gehen die Arbeitsämter verstärkt dazu über, psychisch beeinträchtigte Menschen in die Werkstätten für behinderte Menschen zu vermitteln. Wir Angehörigen müssen leider immer wieder feststellen, dass die Werkstätten für viele psychisch Betroffene nicht geeignet sind, um wieder den Weg zurück in das Berufsleben zu finden. Sie haben große Schwierigkeiten, einen derartigen Arbeits-, Arbeitserprobungsplatz anzunehmen, weil das Angebot in vielen Werkstätten nach wie vor sich besonders an Menschen mit geistiger Behinderung wendet. Oft sind die professionellen Mitarbeiter dort nicht in der Lage, mit den besonderen Bedürfnissen der psychisch beeinträchtigten Menschen umzugehen. Starre Arbeitszeitregelungen kommen erschwerend hinzu. Die Aufgabe der Werkstätten - nämlich die Förderung des Übergangs auf den allgemeinen Arbeitsmarkt - wird nicht eingehalten. Wir wissen von Betroffenen, dass sie, obwohl sie sehr gute schulische und berufliche Voraussetzungen und viel Einsatzwillen mitbrachten, keinerlei individuelle Förderung erfuhren, sondern vielmehr jahrelang auf ein- und demselben Werkstattplatz, quasi „auf dem Abstellgleis”, ausharren mussten und müssen. Derart lange Phasen des Stillstands der mangelnden Entwicklungsmöglichkeiten sind für das Selbstbewusstsein und das Selbstwertgefühl gerade für psychisch kranke Menschen mehr als abträglich.

Jutta Crämer

Familienselbsthilfe Psychiatrie · Angehörige psychisch Kranker · Landesverband Berlin e. V.

Mannheimer Straße 32

10713 Berlin

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