Aktuelle Traumatol 2005; 35(4): 226-229
DOI: 10.1055/s-2005-865947
Hygiene und Infektiologie

Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Infektionsprophylaxe in der ärztlichen Praxis und bei der ärztlichen Versorgung von Patienten im häuslichen Bereich/Heim[1]

Prevention of Infections in Practice and Home HealthcareP. Heeg1
  • 1Institut für Medizinische Mikrobiologie und Hygiene, Universitätsklinikum Tübingen
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Publikationsverlauf

Publikationsdatum:
07. September 2005 (online)

Zusammenfassung

Infektionsprophylaktische Maßnahmen haben im niedergelassenen ärztlichen Bereich wie auch in der ambulanten ärztlichen Versorgung einen hohen Stellenwert. Die konsequente Umsetzung solcher Maßnahmen ist allerdings bisher verglichen mit der stationären Behandlung keineswegs durchgängig. Dazu lassen sich zahlreiche Gründe heranziehen: So gibt es bisher keine praxisgerechten und die Breite der Behandlung berücksichtigende Regelungen. Den infektionsprophylaktischen Maßnahmen im niedergelassenen Bereich wird nicht der erforderliche hohe Stellenwert zugewiesen, sie werden daher als nicht relevant vernachlässigt. Es fehlen die statistische Erfassung und die infektionsepidemiologische Dokumentation von im Verlauf der Behandlung im niedergelassenen ärztlichen Bereich erworbenen Infektionskrankheiten. Eine Rückmeldung über die Auswirkung bei Nichteinhalten entsprechender infektionsprophylaktischer Maßnahmen bleibt aus. Der Kenntnisstand über die regelrechte Durchführung von infektionsprophylaktischen Maßnahmen bei niedergelassenen Ärzten/innen sowie medizinischen Assistenzberufen ist defizitär. Dort, wo Kenntnisse vorhanden sind, werden entsprechende Maßnahmen insbesondere aus ökonomischen Gründen nur beschränkt oder auch überhaupt nicht umgesetzt. Es fehlen Kontrollmaßnahmen wie sie z. B. für den stationären Bereich durch die Festlegungen des Infektionsschutzgesetzes eingeführt und auch umgesetzt worden sind. Es ist davon auszugehen, dass die Prävalenz schwerer Infektionen im niedergelassenen Bereich geringer ist als im Krankenhaus. Dennoch zeigt die zunehmende Zahl von gerichtlichen Verfahren gegen niedergelassene Ärzte, bei denen Patienten/innen durch nicht eingehaltene bzw. versäumte infektionsprophylaktische Maßnahmen gesundheitliche Schäden erlitten haben, dass der Bedeutung solcher Maßnahmen auch in diesem ärztlichen Versorgungsbereich zukünftig ein höherer Stellenwert zugeschrieben werden muss. Es erscheint sinnvoll, Funktionsabläufe und Hygienepläne schriftlich zu fixieren und dabei die Beratung durch einen Krankenhaushygieniker oder eine Fachkraft aus dem Gesundheitsamt zu suchen. Solche Kontakte können auch wertvoll sein, wenn es überraschend notwendig wird, einen Patienten sofort zu isolieren (z. B. bei SARS-Verdacht) und der Vorgang organisiert werden muss.

Abstract

Despite the crucial importance of infection control measures for general and specialist practitioners, implementation of these measures is inadequate in daily work routine. There are a number of reasons for this: There are no feasible guidelines and regulations which cover the broad spectrum of treatment in practice; documentation of infection control measures or of infections occurring in the course of treatment in practice is unsatisfactory; physicians and technical staff in a practice do not have sufficient knowledge of infection control measures; as a consequence of economic restrictions the necessary measures are not carried out; there is no Infection Prevention Act for practices as the one existing for hospitals (in Germany). Although the prevalence of treatment-related severe infections might be less frequent in practices as compared to the hospital, the number of cases brought to trial by injured patients against practitioners is on the rise. This may be taken as an indication that infection control measures in practices should be granted a priority status. Therefore, it is crucial to establish basic rules for preventive measures taking into account feasibility as well as the economic situation in practices. In this context it is of utmost importance to draw up standard operating procedures as an infection control policy and to be in continuous contact with an experienced expert for infection control or for public health.

1 Bericht über die Arbeitstagung der Rudolf-Schülke-Stiftung am 6./7. November 2003 in Hamburg. Teilnehmer: S. Bilger, G. Bönig, M. Exner, P. Goroncy-Bermes, K.-O. Gundermann, H. P. Harke (federführend), A. Hedtmann, P. Heeg, B. Henriot, W. Huppertz, Ch. Lipinski, P. Oltmanns, S. Pecker, A. Rodewald, M. Rotter, H. Scheibe, J. Siebert, H.-G. Sonntag (federführend), G. Wulff. - Bearbeitet mit freundlicher Genehmigung des mhp-Verlags, Wiesbaden, von P. Heeg, Tübingen. Originalfassung in Hyg Med 2004; 29: 253 - 258

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  • 8 Steuer (Hrsg) W. Hygiene in der ärztlichen Praxis. Stuttgart; Gustav Fischer Verlag 1987

1 Bericht über die Arbeitstagung der Rudolf-Schülke-Stiftung am 6./7. November 2003 in Hamburg. Teilnehmer: S. Bilger, G. Bönig, M. Exner, P. Goroncy-Bermes, K.-O. Gundermann, H. P. Harke (federführend), A. Hedtmann, P. Heeg, B. Henriot, W. Huppertz, Ch. Lipinski, P. Oltmanns, S. Pecker, A. Rodewald, M. Rotter, H. Scheibe, J. Siebert, H.-G. Sonntag (federführend), G. Wulff. - Bearbeitet mit freundlicher Genehmigung des mhp-Verlags, Wiesbaden, von P. Heeg, Tübingen. Originalfassung in Hyg Med 2004; 29: 253 - 258

Prof. Dr. Peter Heeg

Institut für Medizinische Mikrobiologie und Hygiene
Universitätsklinikum Tübingen

Elfriede-Aulhorn-Straße 6

72076 Tübingen

eMail: peter.heeg@med.uni-tuebingen.de

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