Anästhesiol Intensivmed Notfallmed Schmerzther 1983; 18(3): 135-143
DOI: 10.1055/s-2007-1003800
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Die intensivmedizinische Behandlung in der Erinnerung von traumatologischen und postoperativen Intensivpatienten

Intensive-Care Treatment as Remembered by Traumatological and Surgical PatientsH.-J. Hannich, M. Wendt, U. Hartenauer, P. Lawin, Chr. Kolck
  • Klinik für Anästhesiologie und operative Intensivmedizin der Westf. Wilhelms-Universität Münster (Direktor: Prof. Dr. med. P. Lawin)
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Publikationsverlauf

Publikationsdatum:
22. Januar 2008 (online)

Zusammenfassung

Zur Erfassung der Frage, wie Intensivpatienten ihren Aufenthalt auf der Intensivstation erleben, wurde eine Befragung zu folgenden Themenbereichen durchgeführt:

- Wie bewerten Patienten die Zeit auf der Intensivstation?

- Welche Be- und Entlastungsfaktoren wirken auf sie während der Intensivbehandlung ein?

- Welche zentralen Ereignisse der Intensivtherapie werden von ihnen erinnert?

Zur Beantwortung dieser Fragen wurde ein 25-Items umfassender Fragebogen entwickelt, der an die 260 Patienten verschickt wurde, welche im Jahre 1980 länger als drei Tage auf der Intensivstation behandelt worden sind. 216 Fragebögen wurden zurückgesandt (= 80,3 %), von diesen blieben 59 wegen des zwischenzeitlich eingetretenen Todes der Patienten unausgefüllt. 157 Fragebögen kamen zur Auswertung. Die Befragung erbrachte, daß der Großteil der Patienten den Aufenthalt auf der Intensivstation positiv bewertet: 94 % sind der Meinung, der Intensivbehandlung ihr Leben zu verdanken, 96,4 % der Patienten sehen im Nachhinein den Aufenthalt auf der Intensivstation insgesamt als positiv an.

Es ist zu berücksichtigen, daß die Ergebnisse durch Gefühle von Dankbarkeit bzw. durch das Wirksamwerden von Bewältigungsstrategien zur Verarbeitung der vitalbedrohlichen Erkrankung (z. B. Bagatellisierung, Verleugnung) verfälscht worden, sind. Dieses ergibt sich aus dem Sachverhalt, daß immerhin jeder zweite Patient von einem hohen Ausmaß an emotionalen Störungen während der Intensivbehandlung berichtet bzw. sich durch die strukturellen Bedingungen der Intensivstation stark beeinträchtigt fühlte. Die Besucherregelung auf der Intensivstation wie auch die Beziehung zum Personal wird allgemein als positiv beschrieben. Als zentrale Ereignisse werden besonders folgende erinnert:

  1. Verlegung auf die Normalstation,

  2. Chefarzt- und Arztvisite,

  3. Beatmungsmaßnahmen.

Als besonders wichtig wird von den befragten Patienten weiterhin die Aufklärung bezüglich der aktuellen Situation auf der Intensivstation angesehen. Die Resultate sind unabhängig von Variablen wie „Geschlecht”, „Zeit” und „dispositionelle Angst”. Allein das Alter der Patienten steht in Beziehung zur Bewertung der Intensivbehandlung: je älter die Patienten, desto negativer haben sie den Intensivaufenthalt erlebt.

Insgesamt kann gesagt werden, daß die Patienten die Behandlung auf der Intensivstation aktuell als belastend erleben, der hohe personelle und apparative Aufwand vermittelt aber auch Gefühle von Sicherheit und emotionalem Halt.

Summary

To explain, how intensive care patients experience their stay on the ICU a survey was made under the following aspects:

- How do the patients value intensive therapy?

- How do they experience stress and relief factors during intensive treatment?

- What central events during the treatment do they remember?

To answer these questions we developed a 25 items questionary, which was sent to the 260 patients whose duration of stay on the ICU in 1980 exceeded 3 days. 216 questionnaires were sent back (= 80.3 %), 59 of them had not been completed due to the patient's death; 157 questionnaires were evaluated. The survey revealed that most patients experienced the stay on the ICU in a positive way: 94 % of them think they owe their lives to intensive treatment, 96.4 % value their stay on the ICU positively. We have to consider that the above mentioned figures can be falsified by feelings of gratitude or by strategies which the patient develops to cope with intensive treatment (e. g. denial, play down). This is emphasized by the fact that every second patient reports on extreme emotional disturbances while staying on the ICU and on feelings of oppression due to the structural conditions of the unit.

In addition, all patients value the visiting-hours as well as their relations to staff and other patients positively. Central events, which the patients remember, are:

  1. transfer to the regular ward

  2. doctor's round

  3. ventilatory measurements

All patients attach central importance to the information about the actual situation during the treatment. The results obtained are independent of variables like "sex", "time", and "disposition to feelings of anxiety". Only the patient's age has to be considered with regard to intensive treatment: the older a patient, the more negatively he experiences his stay on the ICU. On the whole, we can say that patients actually experience intensive treatment as stressful; however, it is just the application of a highly developed technical equipment and the personal dedication of the ICU staff which makes the patient feel secure and emotionally supported.

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