B&G Bewegungstherapie und Gesundheitssport 2007; 23(3): 118-119
DOI: 10.1055/s-2007-981217
Gesundheitspolitik

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Gesundheitspolitik

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Publication Date:
19 June 2007 (online)

Gesundheitliche Prävention ist ein Schlüssel für mehr Lebensqualität

Prävention ist eine Investition in die Zukunft. EU-weit nehmen Krankheiten zu, die durch frühzeitige Prävention vermieden werden könnten. Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes Typ 2, Adipositas sowie Rücken- und Gelenkbeschwerden gehen oftmals auf einseitige Ernährung und Bewegungsmangel zurück. Sie beeinträchtigen die Lebensqualität, können die Lebenserwartung verkürzen und verursachen hohe Kosten für die Gesundheits- und Sozialsysteme. Allein die Herz-Kreislauf-Leiden verursachen in Deutschland Behandlungskosten von 35 Mrd. Euro jährlich, Krankheiten des Muskel- und Skelettsystems 25 Mrd. Euro. Um dieser Entwicklung entgegenzuwirken, muss die Gesundheitsförderung ausgebaut und verbessert werden. Prävention muss strukturell und institutionell gut verankert werden.

Im Februar 2007 haben auf der im Rahmen der deutschen EU-Ratspräsidentschaft durchgeführten Konferenz „Gesundheitliche Prävention. Ernährung und Bewegung - Schlüssel für mehr Lebensqualität” Delegationen der Mitgliedstaaten, EFTA-Staaten (European Free Trade Association) sowie Vertreter der Zivilgesellschaft gemeinsam mit der EU-Kommission Strategien zu Gesundheitsförderung und Prävention durch Ernährung und Bewegung erörtert.

Die mehr als 250 Teilnehmer unterstützen die Initiative der EU-Kommission zur Erarbeitung eines Weißbuches zur Prävention von Übergewicht und begrüßen die European Charter on Counteracting Obesity der WHO. Das gemeinsame Ziel muss sein, Gesundheitsförderung und gesundheitliche Prävention - insbesondere durch eine ausgewogene Ernährung und ausreichende Bewegung - zu einem europäischen Leitprinzip zu entwickeln und zu implementieren.

Diese Ziele werden verfolgt:

10 % mehr Menschen soll bis 2010 die Empfehlung erreichen, eine halbe Stunde am Tag körperlich aktiv zu sein. 20 % mehr Menschen sollen bis 2010 täglich 5 Portionen Obst und Gemüse essen und damit den Anteil von Obst und Gemüse in der täglichen Ernährung erhöhen. 30 % mehr Einrichtungen mit Gemeinschaftsverpflegung (Kindergärten, Schulen, Kantinen und Seniorenheime) sollen bis 2010 gesunde Mahlzeiten anbieten.

Dann kann bis 2020 die Zunahme von Übergewicht bei Kindern gestoppt sowie die Zahl übergewichtiger Menschen in Europa verringert werden.

Dazu müssen folgende Grundsätze beachtet und Aktionen unternommen werden:

Gesundheitsförderung und gesundheitliche Prävention sind eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe - individuelle und staatliche Verantwortung müssen im Gleichgewicht sein. Prävention fängt bei der Eigenverantwortung im Alltag an. Menschen brauchen Unterstützung, wenn sie ihren Lebensstil hin zu ausgewogener Ernährung und ausreichend Bewegung verbessern wollen. Dazu gehören Aufklärungs- und Trainingsmaßnahmen genauso wie eine gesunde Schulverpflegung, ausreichende und sichere Fahrradwege und Selbstverpflichtungen der Wirtschaft. Aufgabe der Politik ist es, Rahmenbedingungen für gesellschaftliches Handeln zu setzen. Dies kann von gesetzlichen Regelungen über modellhafte Maßnahmen bis hin zu lokalen Projekten zu Ernährung und Bewegung reichen. Insbesondere bei  Aktionsplänen und Kampagnen muss die Zivilgesellschaft eingebunden werden. Öffentlich-private Partnerschaften und Initiativen von privaten Organisationen können hier Vorbild sein. Sie zeigen in der Praxis, dass Prävention in allen Politikfeldern stattfindet und daher eine Querschnittsaufgabe ist. Gesundheitliche Prävention muss als Voraussetzung für Wertschöpfung und Wohlstand einen Beitrag zur Lissabon-Strategie leisten. Gesundheit kann ein entscheidender Wirtschaftsfaktor und Standortvorteil sein. Gesundheitsförderung kann ein Wettbewerbsvorteil sein. Unternehmen sollen sie bei Produktentwicklung, Vermarktung sowie für gesellschaftliches Engagement einsetzen. Die betriebliche Gesundheitsförderung bietet große Potenziale. Die Unternehmen haben davon einen unmittelbaren Nutzen, da die Beschäftigten leistungsfähiger sind und weniger Fehltage haben. Verbraucher und Wirtschaft können gleichermaßen profitieren. Dienstleistungen und Waren, die der Gesundheit dienen, steigern die Lebensqualität und eröffnen neue Märkte, wie die Wellness- und Fitnessbranche zeigen. Ernährung und Bewegung sind wesentliche Elemente eines gesunden Lebensstils. Maßnahmen der Verhaltens- und Verhältnisprävention müssen Hand in Hand gehen. Eine konsequente Aufklärungs- und Informationspolitik in den Bereichen Ernährung und Bewegung ist notwendig, reicht aber alleine nicht aus. Mit neuen Wegen muss das Ernährungs- und Bewegungsverhalten nachhaltig verbessert werden. Die öffentliche Hand muss stärker auf strukturelle Veränderungen hinwirken, beispielsweise bei der Förderung einer gesunden Verpflegung und von Bewegungsmöglichkeiten in Kindertageseinrichtungen, Schulen und im Arbeitsalltag, den Lerninhalten in Bildungsstätten, der Berücksichtigung von Bewegungsaspekten sowie der Städteplanung und bei Bauvorhaben. Botschaften müssen verständlich sein und brauchen konkrete Handlungsempfehlungen, damit sie zum Nachahmen anregen. Dabei müssen zielgruppenspezifische Interessen berücksichtigt werden. So sind ältere Menschen anders anzusprechen als jüngere. Auch Unterschiede hinsichtlich Bildung sowie sozialer und kultureller Herkunft sind zu berücksichtigen. Für eine nachhaltige Prävention müssen Maßnahmen koordiniert und vernetzt werden - Qualitätssicherung und Evaluation müssen selbstverständlich sein. Europäische, nationale und regionale Erfolge bei der Förderung eines gesunden Lebensstils müssen stärker kommuniziert und ausgetauscht werden. Aktivitäten sollen an gemeinsamen Maßstäben ausgerichtet und aufeinander abgestimmt sein. Dazu gehört auch ein enger Austausch zwischen Wissenschaft und Praxis. Beispielhaft seien die europäische Plattform Ernährung, Bewegung und Gesundheit, die deutsche Plattform Ernährung und Bewegung e. V. und das Deutsche Forum Prävention und Gesundheitsförderung genannt. Wissenschaft und Forschung müssen sich stärker damit befassen, welche Faktoren die Entstehung von Übergewicht verursachen oder begünstigen. Sozio-kulturelle Aspekte, die bei der Ernährung und Bewegung gleichermaßen eine Rolle spielen, müssen stärker berücksichtigt werden. Auch die Überprüfung der Wirksamkeit von Maßnahmen gehört dazu. Benötigt werden anwendungsorientierte Studien, die konkret aufzeigen, welche Faktoren es Menschen erleichtern, ihr Verhalten zu verändern. Die Erreichbarkeit der Zielgruppen und die Wirkung der Maßnahmen müssen evaluiert werden, damit nachhaltige Verhaltensänderungen festgestellt werden können. Dazu sind auf nationaler wie europäischer Ebene verlässliche Daten erforderlich. Deshalb müssen die Gesundheitsberichterstattung und das Monitoring ausgebaut und vereinheitlicht werden.

Zur Umsetzung dieser Empfehlungen sind verschiedene Schritte notwendig:

Gesund Leben als gesellschaftlichen Wert verankern: Es ist ein Umfeld zu schaffen, in dem ausgewogene Ernährung und ausreichende Bewegung in allen Lebensbereichen fest verankert sind. Hierzu ist ein enges Zusammenwirken von Politik, Wirtschaft, Gesundheitswesen, Medien und Zivilgesellschaft erforderlich. Prävention und Gesundheitsförderung dürfen nicht mit „erhobenem Zeigefinger” eingefordert, sondern müssen mit positiven Werten, Aussagen und Zielen verknüpft werden. Wissen über Ernährung und Bewegung möglichst früh vermitteln: Ernährungs- und Bewegungsverhalten werden bereits in jungen Jahren geprägt. Übergewichtige Kinder sind hochgradig gefährdet, auch im Erwachsenenalter an den Folgen des Übergewichts zu leiden. Daher sollte Prävention möglichst früh in Familien, Kindertageseinrichtungen und Schulen ansetzen. Die Prävention von Übergewicht bei Erwachsenen verbessern: Die meisten Menschen werden erst im Erwachsenenalter übergewichtig. Im Arbeitsumfeld, in Familie und Freizeit müssen Ernährung und Bewegung in Balance bleiben. Lebenswelten benötigen Bewegungsräume: An Orten, an denen sich Menschen längere Zeit aufhalten, z. B. Wohnumfeld, Arbeitsplatz, Kindergärten, Schulen, Seniorenheime, müssen attraktive Bewegungsräume vorhanden sein. Dadurch werden die Menschen motiviert, sich mehr zu bewegen. Ein vielfältiges Angebot beim Breitensport durch Sportvereine und -organisationen kann dies fördern. Qualitätsverbesserung bei der Verpflegung außer Haus: In Kindertageseinrichtungen, Schulen, Arbeitsstätten, Krankenhäusern, beim gastronomischen Service in Flugzeugen, Zügen und Raststätten sowie bei Fast Food und Convenience-Produkten kann vieles optimiert werden. Die Erarbeitung und Bereitstellung wissenschaftlich gesicherter und praxistauglicher Qualitätsstandards für die Gemeinschaftsverpflegung können dazu beitragen.

Chronische Erkrankungen, Übergewicht und Adipositas werden dadurch merklich zurückgehen. Mit der Stärkung der Gesundheitsförderung und gesundheitlichen Prävention wird ein Beitrag zu mehr Lebensfreude, Gesundheit und Leistungsfähigkeit der Bürger in Europa geleistet!

(Quelle: C Schütze-Brief · Gesundheitspolitischer Info-Dienst; Nr. 13/2007)

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