Endo-Praxis 2007; 2(2): 5
DOI: 10.1055/s-2007-982089
Editorial

© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Neue Endoskopietechniken - Innovation und endlich neue Möglichkeiten?

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Publication Date:
25 May 2007 (online)

Die Endoskopie wird aktuell durch schonende Eingriffe und durch die dynamische Entwicklung neuer diagnostischer und besonders interventioneller Verfahren geprägt und durch diese Charakteristika auch in ihrer zukünftigen Bedeutung bestimmt werden.

Seit mehr als einem Jahrzehnt jedoch ist die Technik des Standardvideoendoskops zwar immer wieder variiert, verbessert und angepasst, aber nicht grundsätzlich verändert oder ergänzt worden. Neue Chipgenerationen, Koloskopversteifungen, Lokalisationsgeräte oder auch endoskopische Interventionshilfen konnten nicht darüber hinweg täuschen, dass wirkliche Innovationen und damit die mögliche Eroberung neuer diagnostischer und therapeutischer Einsatzgebiete fehlten. Daran haben auch Entdeckungen wie die vor einigen Jahren hoch gelobte, aktuell aber immer noch bei nur wenigen Indikationen eingesetzte Kapselendoskopie oder die Durchführung von Anti-Refluxverfahren nichts grundsätzlich ändern können.

Die Angst vor Stagnation ist aber unbegründet, denn seit einiger Zeit kommt in vielen endoskopischen Bereichen die Entwicklung fundamental in Gang!

Hoch auflösende Endoskope in Kombination mit eingebauter Chromoendoskopie, die Endomikroskopie, die molekulare Endoskopie, Doppellumen- und Doppelballonendoskope, die interventionelle transgastrale Endoskopie und neue Koloskopiesysteme sind nur einige Beispiele für einen Aufbruch auf breiter Front. Auch wenn nicht alle Entwicklungen bereits für die Routine eingesetzt werden können, zeigt sich die grundsätzliche Dynamisierung in Richtung minimal invasiver Verfahren sowie die Umsetzung endoskopischer Entwicklingungen bei komplexen neuartigen Eingriffen.

Dadurch ergeben sich für den Endoskopiker Chancen , aber durch die Verlagerung bisher bestehender Schnittstellen mit der Pathologie, der Chirurgie und der Radiologie auch potentiell neue Risiken und Probleme.

Die Analyse der Schleimhautarchitektur am Patienten nach Kontrastmittelgabe bei der Endomikroskopie ist ein Beispiel hierfür. Bisher an wenigen Zentren experimentell eingesetzt, kann bei entsprechender Erfahrung der Endoskopiker in Zukunft möglicherweise eine histologische Diagnostik beim Barrett-Ösophagus oder gastrointestinalen Adenomen erstellen, die der Pathologe nur noch in schwierigen Fällen zusätzlich bewerten muss. Die Investitionen und der Zeitbedarf sind enorm, macht es also Sinn, Bewährtes zu riskieren oder überall solche Methoden vorzuhalten ?

Oder wie ist es mit den erfolgreichen experimentellen Studien zur transgastralen Endoskopie und der damit möglichen Intervention im Abdomen, also einer typisch chirurgischen Domäne ? Ohne Bauchschnitt transgastral Eingriffe am Darm oder intraabdominellen Organen durchzuführen, ist faszinierend, fordert aber die unbedingte Abstimmung der Gastroenterologie und der Viszeralchiurgie.

Zuletzt sei als Beispiel die Koloskopie genannt, die weiter als Goldstandard für die Entdeckung von Kolonpolypen und kolorektalen Karzinomen besteht, deren Akzeptanz in der Bevölkerung aber durch viele falsche Informationen belastet ist. Soll als Ersatz hierfür flächendeckend die virtuelle CT oder NMR Technik eingesetzt werden, deren mangelnde Nachweisempfindlichkeit und die fehlende Interventionsmöglichkeit bei gleicher Patientenvorbereitung wie der Koloskopie völlig falsche Entscheidungssignale setzen würde?

Oder macht es nicht mehr Sinn, die Belastung des Patienten durch Geräteneuentwicklungen zu verringern, dies entsprechend zu propagieren und die Vorsorgeuntersuchungen zu intensivieren? Hier gibt es neue Entwicklungsansätze, die die Belastung des Patienten und die entstehenden Kosten durch Vermeidung einer Analgosedierung auf der Basis neuer Endoskopietechnologien zukünftig reduzieren können. Auch die Kapselendoskopie (Stichwort Kolonkapsel) ist in der Lage, hier eine neue Indikation zu finden und das Kolonkarzinom-Screening über die Qualität des Hämocult-Tests hinaus zu verbessern.

Bei all diesen Entwicklungen muss es aber zukünftig in der Gastroenterologie und Endoskopie vor allem gelingen, interdisziplinär die richtigen Verfahren und Techniken häufig genug (minimal case Problematik) anzuwenden und auch die dafür notwendigen Investitionen frühzeitig und strategisch richtig zu treffen.

So wird sich in Zukunft niemand mehr Endoskope mit hohem Investitionsaufwand bei minimaler jährlicher Untersuchungszahl leisten können und wollen. Die ist ein richtiger Schritt in eine effiziente Zukunft neuer endoskopischer technischer Möglichkeiten, die die Qualität fördert und vor allem dem Patienten zu Gute kommen.

All diese Veränderungen machen aber vor allem eines deutlich. In Zukunft werden bestimmte Techniken immer mehr nur noch an Zentren angeboten werden können, da es an anderer Stelle sinnlos wäre, sie bei geringer Untersuchungsdichte vorzuhalten und die Investitionskraft fehlt. Hier werden kooperative Netzwerke helfen, Patientenversorgung mit neuen Verfahren zu gewährleisten und gleichzeitig ortsnahe Patientenbindung zu erhalten.

Prof. Dr. med. S. Rossol M.Sc. F.E.B.G.

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