Endo-Praxis 2008; 3(2): 5
DOI: 10.1055/s-2008-1079321
Editorial

© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

EMR, ESD, SE, NOTES, NOSCAR - Nur Abkürzungen oder Bedeutung für die Zukunft ?

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Publication Date:
15 May 2008 (online)

Die nähere Zukunft der Endoskopie wird bestimmt durch die Anforderungsprofile der Patienten wie auch durch Möglichkeiten neuer schonender endoskopischer Verfahren und durch technische Geräteentwicklungen.

War es über Jahre eher ruhig, erleben wir nun seit längerer Zeit sowohl in der Diagnostik als auch bei den therapeutischen Interventionen Entwicklungen, die völlig neue Bereiche erobern. Als Stichworte sind hier die diagnostische Chromoendoskopie mit Vergrösserungsendoskopie, die Endomikroskopie und die verschiedenen Methoden der Mukosaresektion am oberen und unteren Gastrointestinaltrakt zu nennen. Nicht alle Verfahren können und sollten in die Routine übernommen werden, aber der einsetzende überaus dynamische Prozess, vor allem durch die Geräteentwicklungen bedingt, scheint unaufhaltbar.

Bei den Therapieverfahren hat sich die EMR (endoskopische Mukosaresektion) als Routineverfahren durchgesetzt und ist z.B. beim Barrett Syndrom als auch bei flachen Neoplasien von unschätzbarem Wert. Sie vermeidet in hohem Maße konventionelle operative Eingriffe, die Langzeitergebnisse z.B. bei den Frühneoplasien des Ösophagus sind exzellent.

Wie steht es mit der ESD (endoskopische Mukosadissektion), einem Verfahren, dass in Japan etabliert wurde und dort zum Standardrepertoire gehört. Wer war nicht schon auf entsprechenden Symposien und hat die stundenlangen endoskopischen Interventionen staunend über sich ergehen lassen und sich am Ende des Tages dann doch gefragt: ist das unsere Zukunft in der Endoskopie?

Vergessen wird hierbei oft, dass die hohe Zahl an Magenkarzinomen und die massive endoskopische Früherkennungsintensität in Japan die Methode erst ermöglicht hat und dies gerade in Deutschland nicht der Fall ist. Jede Methode braucht die Indikation, das kompetente Personal und das vorhandene technische Material. Fehlt die Indikation, ist die Methode sinnlos, auch wenn die entwickelten Geräte den Fortschritt beflügeln und zukünftig bei anderen Techniken eingesetzt werden können.

Die ESD ist somit eine typische Methode, die sich trotz aller Geräteentwicklungen in Deutschland sicher nicht durchsetzen wird, da die Indikationen fehlen (Patienten mit Magenfrühkarzinomen werden bei uns nicht regelhaft im Screening diagnostiziert!). Andere parallele Entwicklungen wie die SE (submukosale Endoskopie) sind in ersten Studien veröffentlicht und müssen in Zukunft in ihrer Wertigkeit überprüft werden.

Nun also das Verfahrenbündel NOTES, organisiert durch Gremien und Gesellschaften der NOSACR (Natural Orifice Surgery Consortium for Assessment and Research), der E-NOTES und der G-NOTES. NOTES steht für „Natural Orifice Transluminal Endoscopic Surgery”, erstmals erprobt in 2004 von Professor Kalloo und seinen Mitarbeitern aus dem Johns Hopskin Hospital in Baltimore/ USA. Schon vorher waren es aber auch Kollegen wie Seifert in Oldenburg, die transgastrisch Nekrosen bei Pankreatitis ausräumten und den endoskopischen Weg vorzeichneten.

Mit diesen transluminalen (transgastral, transvaginal, transrekal etc.) Verfahren eröffnet sich für die Endoskopiker ein völlig neuer Zugang zu intraabdominellen Eingriffen. Die bisher erst experimentelle und vielleicht richtungsweisende Technik ermöglicht den schonenden und wenig aufwendigen Zugang zum Abdominalraum. Da die äußere Haut nicht verletzt wird, ist das kosmetische Ergebnis exzellent. Beispiele für solche Operationen sind die Gastroenteroanastomose, die Appendektomie, die Cholezystektomie und die Nekrosenausräumung. Die endoskopische Forschung nimmt hier momentan eine rasante Entwicklung, die erst mit völlig neuen Geräten möglich werden. Diese Veränderungen sind vergleichbar mit denen, die bei der Etablierung der minimal invasiven Chirurgie vor 20 Jahren notwendig waren.

NOTES hat das Potential, neue Bereiche zu erobern und eventuell alte Verfahren abzulösen, ist aber aktuell trotz Mitteilungen in der Laienpresse kein Standardverfahren. Auch ist zukünftig erst zu beurteilen, ob z.B. die Entfernung der Gallenblase transvaginal wirklich einen Fortschritt gegenüber einer laparoskopisch durchgeführten Cholezystektomie darstellt. Die Messlatte, die die laparoskopische Chirurgie in ihrer jetzigen ausgereiften Form gelegt hat, ist sehr hoch. Minimales Risiko, ein sehr gutes kosmetisches Resultat und ein kurzer Krankenhausaufenthalt (die Patienten können bereits nach 1-3 Tagen wieder ihrem Beruf nachgehen) sind hier bereits Standard. Auch sind Morbidität und Mortalität, Kontaminationsgefahr, Langzeitresultate und Sicherheit von NOTES noch völlig ungeklärt.

Um Entwicklungen von NOTES mit Verantwortung gegenüber den Patienten zu steuern, muss somit unter der Kontrolle der Fachgremien das Sicherheitsprofil sowie die Belastung der Methoden für den Patienten und die Möglichkeiten der klinischen Anwendung evaluiert werden. Die bisherigen Erfahrungen zeigen, dass eine weitere Miniaturisierung und Verfeinerung der Instrumente notwendig ist.

Wer kann und wird nun solche Techniken etablieren und die Methoden dann auch durchführen? Stehen wir nicht nur vor neuen Techniken, sondern auch vor einer dramatisch veränderten Struktur der Endoskopie-Abteilungen? High-Tech Endoskopie, typischerweise in der Gastroenterologie angesiedelt und High-Tech Viszeralchirurgie sind gefordert, neue Strukturen und Ausbildungswege zu generieren, die einer professionellen Viszeralmedizin entsprechen. Nur dann können die hohen Qualitätsansprüche der konservativen und operativen Bereiche zum Wohle des Patienten ein- und umgesetzt werden. Insofern haben neue Methoden wie NOTES die Chance, das Thema Interdisziplinarität neu zu vitalisieren, ja sogar ultimativ zu fordern.

Ein solches Zusammenwachsen muss physiologisch entstehen, da neben der endoskopischen Routine neue Verfahren und organisatorische Veränderungen in einer Endoskopieabteilung umgesetzt werden müssen. Hier haben auch in Zukunft bereits bisher interdisziplinär arbeitende Einheiten einen klaren Vorsprung.

Prof. Dr. med. S. Rossol

M. Sc. F.E.B.G.

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