Diabetologie und Stoffwechsel 2022; 17(S 02): S98-S110
DOI: 10.1055/a-1789-5615
DDG-Praxisempfehlung

Definition, Klassifikation, Diagnostik und Differenzialdiagnostik des Diabetes mellitus: Update 2022

Rüdiger Landgraf*
1   Deutsche Diabetes Stiftung (DDS), München, Deutschland
,
Lutz Heinemann*
2   Science-Consulting in Diabetes GmbH, Kaarst, Deutschland
,
Erwin Schleicher
3   Institut für Klinische Chemie und Pathobiochemie – Zentrallabor, Universitätsklinikum Tübingen, Deutschland
4   Deutsches Zentrum für Diabetesforschung (DZD) München-Neuherberg, Deutschland
,
Christian Gerdes
5   Klinik für Innere Medizin III, Universitätsklinikum Jena, Deutschland
,
Astrid Petersmann
6   Institut für Klinische Chemie und Laboratoriumsmedizin, Universitätsmedizin Oldenburg, Deutschland
,
Dirk Müller-Wieland
7   Medizinische Klinik I, RWTH Aachen, Deutschland
,
Ulrich A. Müller
8   Praxis für Endokrinologie und Diabetologie, Dr. Kielstein Ambulante Medizinische Versorgung GmbH, Jena, Deutschland
,
Guido Freckmann
9   Institut für Diabetes-Technologie, Forschungs- und Entwicklungsgesellschaft mbH an der Universität Ulm, Deutschland
,
Markus Thaler
10   Klinikum rechts der Isar der TU München, Institut für Klinische Chemie und Pathobiochemie, München, Deutschland
,
Anette-Gabriele Ziegler
11   Institut für Diabetes Forschung, Helmholtz Zentrum München, München-Neuherberg, Deutschland
,
Helmut Kleinwechter
12   diabetologium kiel, Deutschland
,
Matthias Nauck
13   Institut für Klinische Chemie und Laboratoriumsmedizin, Universitätsmedizin Greifswald, Deutschland
14   DZHK (Deutsches Zentrum für Herz-Kreislauf-Forschung), Partnerseite Greifswald, Universitätsmedizin, Greifswald, Deutschland
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Aktualisierungshinweis

Die DDG-Praxisempfehlungen werden regelmäßig zur zweiten Jahreshälfte aktualisiert. Bitte stellen Sie sicher, dass Sie jeweils die neueste Version lesen und zitieren.

Inhaltliche Neuerungen und abweichende Empfehlungen gegenüber der Vorjahresfassung

Empfehlung 1: Kommentierung des Begriffs IGT

Begründung: Es gibt international keine einheitliche Definition. Dies wird näher ausgeführt.

Empfehlung 2: [Abb. 1] im Graubereich erste Zeile: < 5,6 mmol/l (< 100 mg/dl) wurde gestrichen

Begründung: Dafür wurde in der Legende darauf verwiesen, dass auch bei normalem Nüchternglukosewert ein manifester Diabetes nicht ausgeschlossen ist.

Empfehlung 3: Herstellung der Glukoselösung für die Durchführung des oGTT durch den Apotheker/Arzt selbst wird von der DDG aus medizinischen Gründen abgelehnt.

Begründung: Industriell hergestellte Glukose-Fertiglösungen werden von den gesetzlichen Krankenkassen nicht mehr durchgängig erstattet und sind auch nicht mehr verfügbar. Praxen und Kliniken müssen die Glukoselösung selbst anmischen, wodurch das Risiko für Ungenauigkeiten und Verunreinigungen steigt. Um Patientinnen und Patienten weiterhin eine optimale diagnostische Sicherheit zu gewährleisten, hat die DDG in einem Positionspapier eine standardisierte Rezepturvorschrift nach neuesten Erkenntnissen mit einer definierten Zusammensetzung vorgeschlagen. Um diese schnellstmöglich flächendeckend für die Durchführung des oGTT zur Verfügung stellen zu können, fordert die DDG eine bundeseinheitliche Regelung zur Kostenübernahme durch die Kostenträger.

ggf. stützende Quellenangabe: [11]

Neuerung 4: Das Screening auf Gestationsdiabetes wurde auf ein zweizeitiges Vorgehen geändert (primär nicht-nüchtern ein 1h-Stundenwert nach 50 g Glukose; bei einer Plasmaglukose von 135–200 mg/dl (7,5–11,1 mmol/l) wird zeitnah ein oGTT mit 75 g Glukose (nüchtern) angeschlossen.

Begründung: Beschluss des G-BA; S3-Leitlinie

Neuerung 5: Wertigkeit von Glukoseparametern und HbA1c für die Diagnose eines Diabetes mellitus wird in einem kleinen Kapitel diskutiert.

Begründung: Die international anerkannten Diagnoseparameter sind nicht gleichwertig. Daher empfiehlt die Kommission Labordiagnostik DDG (KLD) die gleichzeitige Messung.

Neuerung 6: Neues Kapitel zur Messung und Wertigkeit von Insel-Autoantikörpern (AAK) für die Differentialdiagnose der verschiedenen Diabetestypen. Das Problem der Mess-Standardisierung wird thematisiert.

Begründung: Eine Vergleichbarkeit der Messwerte in verschiedenen (Spezial-) Laboratorien muss über eine Harmonisierung der Messmethodik und der Verwendung von AAK-Standards angestrebt werden. In der Praxis sollten nur noch unabhängig evaluierte AAK-Assays mit hoher Sensitivität und Spezifität eingesetzt werden.

Neuerung 7: Neues Kapitel über die Messung der β-Zellfunktion. Die Messung von C-Peptid ist nicht nur für die Typisierung eines Diabetes, sondern auch bei Menschen mit Typ-2-Diabetes und Prädiabetes mit deren Subtypen zunehmend wichtig. Bei der Entscheidung, ob bei Menschen mit einem Typ-2-Diabetes eine Insulintherapie indiziert ist, ist die Höhe des C-Peptids hilfreich.

Begründung: Mit Hilfe des HOMA-Modells (Homeostasis-Model-Assessment) ist es möglich, eine (semi-)quantitative Aussage zu dem Grad einer Insulinresistenz oder einer verminderten β-Zellsekretion zu machen.

Neuerung 8: Kapitel zur Stadieneinteilung des Typ-1-Diabetes einschließlich Frühdiagnostik.

Begründung: Die Frühdiagnostik des Typ-1-Diabetes spielt eine zunehmende Rolle nicht nur zur weitgehenden Verhinderung von Ketoazidosen bei Manifestation der Erkrankung, zur Verbesserung der β-Zellfunktion, sowie weiterer akuter und chronischer Komplikationen, sondern zukünftig auch bei einer frühzeitigen Einleitung einer immun-modulatorischen Therapie.

Neuerung 9: Fluss-Diagramm zur Differentialdiagnose von Typ-1, Typ-2-Diabetes, LADA und MODY.

Begründung: Von der ADA und EASD 2021 konsentiertes Diagnose-Fließschema zur schnellen Orientierung.

Neuerung 10: Das LADA-Kapitel wurde neu geschrieben und durch aktuelle Literatur ergänzt.

Begründung: LADA ist nach einem systematischen Review deutlich häufiger als bisher diagnostiziert. Dabei sollte die Höhe des Insel-Autoantikörper-Titers berücksichtigt werden.

* Erstautoren




Publication History

Article published online:
18 October 2022

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