Zentralbl Chir 2011; 136(3): 293-295
DOI: 10.1055/s-0031-1271452
Kommentar

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart ˙ New York

Qualität der Qualitätsindikatoren – Bemerkungen zum Vorbericht „Sektorenübergreifende Qualitätssicherung im Gesundheitswesen – Kolorektales Karzinom“ des AQUA – Instituts für angewandte Qualitätsförderung und Forschung im Gesundheitswesen GmbH

The Quality of Quality Indicators: Comments on the Preliminary Report “Sector‐Crossing Quality Assurance in the Health Service – Colorectal Cancer” of AQUA – Institute for Applied Quality Promotion and Research in Health ServicesP. Mroczkowski1 , R. Kube2 , M. Vieth3 , I. Gastinger2 , H. Lippert1
  • 1Universitätsklinikum Magdeburg A. ö. R., Klinik für Allgemein-, Viszeral- und Gefäßchirurgie, Magdeburg, Deutschland
  • 2Carl-Thiem-Klinikum Cottbus, Chirurgie, Cottbus, Deutschland
  • 3Klinikum Bayreuth GmbH, Institut für Pathologie, Bayreuth, Deutschland
Further Information

Publication History

Publication Date:
20 April 2011 (online)

Welche Art der Qualitätssicherung (QS) soll es sein? Wem soll sie nützen?

Die Erfassungen der prätherapeutischen, präoperativen und perioperativen Phase mit anschließender Langzeitkontrolle sind geeignet, um Qualitätsaussagen zur Behandlungssituation einer Krankheit machen zu können. Das Ziel sollte sein, die Lebensqualität des Patienten und wohnortnahe Versorgung in der Alltagssituation bei häufigen Krankheiten mit minimalem Aufwand zu evaluieren. Dieser Ansatz dient der ständigen wissenschaftlichen Wertung von Diagnostik- und Therapieverfahren mit dem Ziel, zeitnah die höchste Ergebnisqualität in der Routineversorgung zu ermitteln. Innovationen begleiten die Medizin und beeinflussen die Qualität. Qualitätswertung ist also ein dynamischer Prozess, bei dem Einflussfaktoren von intern und extern kurzfristig einer wissenschaftlichen Prüfung unterzogen werden sollten. 

Das AQUA-Institut hat einen anderen methodischen Ansatz hinsichtlich der Zielstellung aus einem sehr umfangreichen Vorbericht zur Diskussion gestellt. Es werden Routinedaten, d. h. Abrechnungsdaten für das Qualitätssicherungsprojekt verwendet. Diese Daten entsprechen sicher den verwaltungstechnischen Regeln. Die Inkohärenz dieser Daten mit der klinischen Wirklichkeit ist bekannt [1] [2] [3] [4] [5] [6] [7] [8] [9] . 

Dies ist vor allem für Kassen, Gesundheitspolitik und Industrie interessant. Es ist per se keine alleinige Qualitätssicherung für die beteiligten Ärzte, insbesondere auch nicht für die Chirurgie. Somit werden auch nur marginale wissenschaftliche Erkenntnisse geliefert. In diesem Kontext muss der Stellenwert der chirurgischen Daten in diesem System gesehen werden. Auch wenn die Chirurgie wichtigster Bestandteil des Behandlungskonzeptes ist, kann nicht verlangt werden, dass in diesem Rahmen alle wissenschaftlich relevanten Fragestellungen der chirurgischen Ergebnisqualität zu beantworten sind. 

Gleiches gilt selbstverständlich auch für die anderen beteiligten Fachrichtungen. Dies wiederum führt die Aussage des AQUA-Institutes hinsichtlich der „Schaffung einer wissenschaftlichen Grundlage, wie sie für den Aufbau eines Indikatorenregisters für das Verfahren kolorektales Karzinom erforderlich ist“ völlig ad absurdum. Diese wissenschaftlichen Grundlagen sind seit Jahren von den Chirurgen und ihren Fachgesellschaften erarbeitet und in ständig dynamisierten Leitlinien fixiert worden. Gleiches gilt für die Qualitätsindikatoren, die in klinischen Beobachtungsstudien (Rektum- und Kolonkarzinom, An-Institut Magdeburg) mit hohen Fallzahlen flächendeckend ausreichend evaluiert wurden [10]. 

Die Prämisse des AQUA-Konzeptes zeigt, dass die Realität in Deutschland und Europa nicht wahrgenommen wurde. So heißt es, dass bestehende Qualitätsindikatorensysteme häufig unzureichend seien, weil sie „zumeist aus der Praxis und weniger aus der wissenschaftlichen Forschung“ heraus begründet sind. Es wird also postuliert, dass die in der allgemein täglichen Erfahrung und Praxis begründeten Qualitätsmaßstäbe weniger geeignet sind. Die Aufgabe der Erarbeitung eines chirurgischen Indikatorenregisters durch das AQUA-Institut wäre daher mit der Neu­erfindung des Fahrrades vergleichbar. Viel sinnvoller wäre im Rahmen der Aufgabenstellung des AQUA-Institutes die Verwendung von maximal 10 (zehn) bereits gut evaluierten und für eine Beurteilung der Behandlungsqualität aussagefähigen Indikatoren zum früh postoperativen Verlauf und zum onkologischen Langzeitergebnis. Ansonsten, und das lehrt uns die Erfahrung mit der BQS, werden am Ende mit immensem bürokratischen und finanziellen Aufwand angelegte „Datenfriedhöfe“ ohne jeglichen Nutzen für die praktische Qualitätssicherung, geschweige denn hinsichtlich wissenschaftlicher Ergebnisse übrig bleiben. 

Zu gleichen Überlegungen werden auch die anderen Fachdisziplinen kommen. Das geplante QS-Projekt ist nur sinnvoll mit der Philosophie, dass weniger mehr sein kann. Eines kann und braucht es sicherlich nicht – Kompetenzen bei der interdisziplinären wissenschaftlichen Arbeit auf dem Gebiet des kolorektalen Karzinoms zu beanspruchen. 

Literatur

Dr. P. Mroczkowski

Universitätsklinikum Magdeburg A. ö. R. · Klinik für Allgemein-, Viszeral- und Gefäßchirurgie

Leipziger Str. 44

39120 Magdeburg

Deutschland

Phone: 03 91 / 6 71 55 04

Fax: 03 91 / 67 29 02 12

Email: pawel.mroczkowski@med.ovgu.de