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DOI: 10.1055/s-0029-1238241
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York
Nachruf - Prof. Dr. med. Manfred Hansmann
Publication History
Publication Date:
23 September 2009 (online)
Prof. Dr. med. Manfred Hansmann
Am 15. Juni 2009 verstarb in Bonn im Alter von 73 Jahren Herr Professor Dr. med. Manfred Hansmann, ehemaliger Direktor der Abteilung für Pränatale Diagnostik und Therapie und zuletzt auch geschäftsführender Direktor der Universitäts-Frauenklinik Bonn.
Manfred Hansmann wurde am 29. April 1936 in Kassel geboren, wo er 1958 seine Schulausbildung abschloss. Zwischen 1958 und 1964 studierte er in Frankfurt am Main und dann in Heidelberg Humanmedizin. In Heidelberg erlangte er 1964 neben der Approbation auch seine Promotion, und zwar mit einer tierexperimentellen Arbeit "Untersuchungen über das Verhalten von Radio-Cer (144Cer) in der Leberzelle der Ratte" am Kernforschungszentrum Karlsruhe unter der Leitung von Prof. Dr. Lettré. Nachdem er zunächst als Medizinalassistent an der chirurgischen Klinik der Medizinischen Akademie Düsseldorf bei Prof. Derra, an der Medizinischen Klinik der Städtischen Krankenanstalten in Solingen bei Prof. Wendt und an der geburtshilflich-gynäkologischen Abteilung der Lukasklinik Solingen-Ohligs bei Prof. Fröling tätig war, erfolgte 1966 die Bestellung als Arzt und der Beginn seiner geburtshilflich-gynäkologischen Facharztausbildung an der Lukasklinik Solingen-Ohligs. 1968 wechselte er an die von Prof. Plotz geleitete Universitäts-Frauenklinik in Bonn.
Schon zu Beginn seiner Facharztausbildung in Bonn wandte er sich wissenschaftlich geburtshilflich-perinatologischen Fragestellungen im Bereich der Blutgasanalyse und Kardiotokografie zu. Von Prof. Plotz gefördert, erhielt er dann die Möglichkeit eines der ersten A-Bild-Ultraschallgeräte geburtshilflich einzusetzen und die Wertigkeit dieser damals völlig neuen und zumeist auch skeptisch beurteilten Technik wissenschaftlich zu evaluieren. Manfred Hansmann erkannte sehr rasch das Potential des Ultraschalls in der Geburtshilfe und widmete sich intensiv seiner wissenschaftlichen Studien. Schon 1969 konnte er auf dem 1. Weltkongress für Ultraschall in Wien, den Prof. Ossoinig als Präsident leitete, einen ersten Vortrag zur Problematik der Messung des biparietalen Durchmessers halten. Dieser Kongress war für ihn ein Schlüsselerlebnis, das seine Vision vom breiten Einsatz des Ultraschalls zur Biometrie und auch pränatalen Diagnostik bestärkte. Auch knüpfte er dort befruchtende Kontakte zu anderen Pionieren der Ultraschalltechnologie in der Geburtshilfe und Gynäkologie, die er in den darauf folgenden Jahren durch Hospitationen bei Prof. Kratochwil in Wien, Ian Donald in Edinburgh, Hugh Robinson in Glasgow und Stuart Campbell in London festigte.
1971 wurde er Facharzt für Frauenheilkunde und Geburtshilfe, danach Funktionsoberarzt und Leiter des Labors für Ultraschalldiagnostik an der Universitäts-Frauenklinik Bonn. Seine wissenschaftliche Arbeit machte dank der Real-Time B-Bild-Sonografie - zu nennen ist hier das Vidoson 635 - raschen Fortschritt. Er entwickelte die heute biometrisch weltweit genutzte Schnittebene des abdominalen Durchmessers und erkannte, dass die fetale Gewichtsschätzung durch Integration eines abdominalen Maßes gegenüber der alleinigen Verwendung der Kopfmaße deutlich verbessert wird. In der Folgezeit entwickelte er biometrische Normkurven und Tabellen zur fetalen Gewichtsschätzung unter Einschluss der Kopf- und Bauchmaße, aber auch unter Berücksichtigung des Schwangerschaftsalters. Diese Kurven werden auch heute noch vielfach genutzt. 1975 erlangte er durch seine Arbeit zur fetalen Biometrie die Venia legendi für das Fach Frauenheilkunde und Geburtshilfe an der Medizinischen Fakultät der Universität Bonn.
Parallel zur Verbesserung der sonografischen Bildtechnik nutzte Manfred Hansmann den Ultraschall zunehmend zur pränatalen Diagnostik und baute in den folgenden Jahrzehnten sein Ultraschalllabor zu einem der weltweit führenden Zentren für Pränatale Diagnostik und Therapie aus. Bahnbrechend war seine 1972 publizierte Arbeit zur ersten ultraschall-gesteuerten intraperitonalen Erythrozytentransfusion bei fetaler Erythroblastose. Die Verfeinerung der Ultraschalltechnik ermöglichte bereits Anfang der 80er-Jahre den direkten Zugang zur Nabelvene für diagnostische und therapeutische Zwecke. Unzählige Feten wurden in den folgenden Jahren erfolgreich vorgeburtlich von Manfred Hansmann und seinem Team behandelt. Hierzu gehörten Feten mit Anämie oder mit Ergüssen und Hydrops, lebensbedrohliche Arrhyhtmien und vielen anderen Krankheitsbildern. Immer war Manfred Hansmann bestrebt, die therapeutischen Möglichkeiten der pränatalen Medizin voranzutreiben. Sehr früh erkannte er auch das Potential der fetalen Echokardiografie, die er gemeinsam mit Prof. Redel bereits 1980 in Bonn begann und in den folgenden Jahren wissenschaftlich bearbeitete. Auch erkannte er früh die Notwendigkeit einer interdisziplinären Zusammenarbeit bei speziellen Fragestellungen auf dem Gebiet der pränatalen Diagnostik und Therapie. Dies mündete in der klinischen Praxis in gemeinsame interdisziplinäre Besprechungen, Untersuchungen und Beratungen der Patientinnen, ein Modell, das heutzutage wesentlich die Struktur eines Zentrums für Pränatale Medizin ausmacht. Auch die Notwendigkeit einer kompetenten psychosozialen Beratung im Rahmen der pränatalen Diagnostik und Therapie wurde von Prof. Hansmann erkannt. Gemeinsam mit Frau Prof. Rohde und der Diakonie entwickelte er das Modellprojekt einer niederschwelligen psychosozialen Beratung an seiner Klinik.
Seine klinische Arbeit war geprägt vom rückhaltlosen Einsatz für das Wohl der Schwangeren und ihrer noch nicht geborenen Kinder. In oft sehr langen Gesprächen versuchte er, das Beste für seine Patientinnen zu erreichen, nicht immer einfach bei den teilweise sehr schwierigen und ethisch nicht immer klar zu beantwortenden Problemen der pränatalen Diagnostik und Therapie. In vielen öffentlichen Diskussionen erörterte er diese Thematik.
Besonders bedeutsam zur Förderung und Verbreitung des Ultraschalls waren auch seine vielen Vorträge auf nationalen und internationalen Kongressen und Fortbildungsveranstaltungen. Er organisierte selbst zahlreiche nationale und internationale Kongresse. Zusammen mit Prof. Hackelöer und Prof. Staudach brachte er zudem 1985 das Lehrbuch "Ultraschalldiagnostik in Gynäkologie und Geburtshilfe" heraus, das - in viele Sprachen übersetzt - für eine Vielzahl unserer KollegInnen als Basis für ihre Ultraschallausbildung diente. Daneben genossen viele AssistentInnen und HospitantInnen aus anderen Kliniken und Praxen in seiner Abteilung eine gute Aus- und Weiterbildung. Viele heute pränataldiagnostisch versierte KollegInnen waren an seiner Abteilung tätig. Wer wollte, hatte viele Möglichkeiten und Freiraum, an seiner Abteilung wissenschaftlich zu arbeiten und sich zu entfalten und wurde von Manfred Hansmann auch gefördert.
Besonders wichtig für die heutzutage große Bedeutung der Ultraschalltechniken in der Geburtshilfe war das von Manfred Hansmann seit 1974 propagierte Ultraschall-Screening, das dank der unermüdlichen Arbeit von ihm und seinen Mitstreitern bereits 1980 in die deutschen Mutterschaftsrichtlinien aufgenommen wurde, und zwar als erstem Land weltweit. Mittlerweile ist es in den meisten entwickelten Staaten der Welt Teil der Schwangerenbetreuung geworden. Manfred Hansmann erkannte auch, dass spezialisierte ÄrztInnen in Praxen und Zentren erforderlich sind, um die bei einer Ultraschallbasisuntersuchung erkannten Auffälligkeiten weiter abzuklären und ggf. auch zu behandeln. Hierzu entwickelte er 1982 das Mehrstufenkonzept der geburtshilflichen Ultraschalldiagnostik, das sich rasch etablierte und in der DEGUM Vorbild für die Stufenkonzepte der anderen Sektionen wurde.
Auch an der Universitäts-Frauenklinik Bonn wurde die Bedeutung der Pränatalen Diagnostik und Therapie allgemein und speziell erkannt. Manfred Hansmann wurde 1985 Direktor der deutschlandweit ersten Abteilung für Pränatale Diagnostik und Therapie am neu geschaffenen Zentrum für Geburtshilfe und Frauenheilkunde, 2001 dann Direktor der Klinik für Pränatal- und Geburtsmedizin der Universität Bonn.
Manfred Hansmann gelang es, bis hin zu seiner Emeritierung im Jahr 2002 und auch danach, als er in seiner privaten Praxis in Bonn weiterhin pränatale Diagnostik betrieb, in seinem Fach international und national auf höchstem Niveau zu arbeiten. Neben seinen zahlreichen Publikationen ist dies auch an der großen Zahl von Preisen und Ehrungen seiner herausragenden und vielfach bahnbrechenden wissenschaftlichen Arbeit zu ersehen. Beispielhaft seien hier die Verleihungen der Ehrenmitgliedschaft des American Institute of Ultrasound in Medicine (AIUM) 1987, des "Pioneer Award" der World Federation of Ultrasound in Medicine and Biology (WFUMB) 1988, des "Maternité-Preises" der Deutschen Gesellschaft für Perinatale Medizin (DGPM) 1989, der "Ian Donald Gold Medal" der International Society of Ultrasound in Obstetrics and Gynecology (ISUOG) 1993 und der Goldmedaille der Julius-Hackert-Stiftung 1994. Zudem war Manfred Hansmann Gründungsmitglied der International Society of Ultrasound in Obstetrics and Gynecology (ISUOG) . Zusammen mit Prof. Saling gründete er 1990 die Deutsche Gesellschaft für Pränatal- und Geburtsmedizin (DGPGM). Er war zeitweise Präsident der Deutschen Gesellschaft für Ultraschall in der Medizin (DEGUM), der International Fetal Medicine and Surgery Society (IFMSS) und der Deutschen Gesellschaft für Pränatal- und Geburtsmedizin (DGPGM) sowie Vize-Präsident der International Society of Ultrasound in Obstetrics and Gynecology (ISUOG). Zudem war Manfred Hansmann Herausgeber, Mitherausgeber und Mitglied des Beirats vieler internationaler und nationaler Zeitschriften.
Bereits sehr früh engagierte Manfred Hansmann sich intensiv innerhalb der Deutschen Gesellschaft für Ultraschall in der Medizin (DEGUM). Zwischen 1979 und 1989 war er als Sekretär und Präsident Mitglied des Vorstands der DEGUM. Unter seiner Präsidentschaft fand 1986 das 10. Dreilandertreffen der 3 deutschsprachigen Ultraschallgesellschaften in Bonn statt. Er vertrat die DEGUM und ihre Interessen in vielen Gremien; in seiner Sektion war er stets mit vollem Elan tätig, zuletzt als Mitglied des Board's und auf den DEGUM-Stufe-III-Treffen. In all diesen Sitzungen waren seine Ausführungen, Einwürfe und Ratschläge von großer Bedeutung. Sein Engagement wurde im Jahre 2000 durch die Überreichung der Ehrenmitgliedschaft der DEGUM gewürdigt. Bis zuletzt war er auch aktiv im Vorstand der Fetal Medicine Foundation Deutschland tätig.
Neben seiner beruflichen und wissenschaftlichen Karriere stand seine Familie im Mittelpunkt seines Lebens. Seine Frau Dagmar und auch seine Tochter Isabel begleiteten ihn oft zu Kongressen. Er liebte es, trotz seiner zeitlich umfangreichen Arbeit mit ihnen gemeinsam möglichst viel Zeit zu verbringen.
Für diejenigen, die ihn kannten, war er ein herausragender Mensch, Kollege, Wissenschaftler, Visionär, Lehrer, Mentor, Vorbild und Freund. Seine Schüler, Kollegen und Freunde, aber auch seine Mitarbeiter und Patientinnen haben ihn sehr geschätzt. Für viele Kollegen und Kolleginnen war er klinisch und akademisch der Wegbereiter, dabei aber auch über seine Pensionierung hinaus ein kritischer Geist, der Neuerungen gegenüber aufgeschlossen blieb. Sein Streben war stets, die Qualität zu verbessern, damit Erkrankungen der ungeborenen Kinder frühzeitig und zu deren Nutzen erkannt werden können.
Seine wissenschaftlichen und praxisbezogenen Arbeiten waren auch in der Schweizerischen Gesellschaft für Ultraschall in der Medizin (SGUM) und in der Österreichischen Gesellschaft für Ultraschall in der Medizin (ÖGUM) hochgeschätzt und seine Fortbildungen und Vorträge an gemeinsamen Kongressen immer ein Highlight, die uns sehr fehlen werden. Er hat die Pränatale Medizin maßgeblich geprägt und wird uns in unvergesslicher Erinnerung bleiben.
Für die DEGUM:
Ulrich Gembruch, Eberhard Merz, Jochen Hackelöer, Dieter Nürnberg
Für die SGUM:
Sevgi Tecanli, René C. Müller, Hans-Rudolf Schwarzenbach
Für die ÖGUM:
Horst Steiner, Josef Deutinger, Gebhard Mathis