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DOI: 10.1055/s-0041-109906
Adolf Kussmaul und die Magenpumpe
Harro JenssPublikationsverlauf
Publikationsdatum:
15. Februar 2016 (online)


1867 setzte Adolf Kussmaul erstmals die „Magenpumpe“ zur Entlastung und Spülung des Magens bei funktionell wirksamer Pylorusstenose ein: „Die Magenpumpe ermöglichte, wie ich hoffte, nicht allein die vollständige Entleerung dieser scharfen ätzenden Massen, sie gestattete auch eine Waschung und Reinigung der kranken durch Säure misshandelten Schleimhaut mit alkalischen Flüssigkeiten“ [1].
Die Sondierung des Magens mit verschiedenartigen Sonden insbesondere bei Vergiftungen war lange bekannt [2–4]. Der aus Rostock stammende, in London tätige Instrumentenbauer Johann Jacob Daniel (John) Weiss stellte 1825 seine „Pumpe“ zur Giftelimination aus dem Magen vor. Die aus Messing bestehende speziell gefertigte Spritze erlaubte durch Drehen des Pumpenhandgriffs über einen Dreiwegemechanismus ein Absaugen und eine Spülung des Magens [5],[6]. Angeregt durch den Bericht der Amerikaner Henry J. Bowditch und Morrill Wyman über die Therapie des Pleuraempyems durch Thoracocentese und Einsatz der „Pumpe“ bat Kussmaul den Freiburger Mechaniker F. L. Fischer, eine solche nachzubauen. Sie entsprach dem Weiss’schen Modell [7]. Kussmaul behandelte erfolgreich eine junge Patientin mit (benigner) Magenausgangsstenose, bei der er wiederholt den stark dilatierten, gefüllten Magen entlastete; die Spülung erfolgte mit einer bikarbonathaltigen Flüssigkeit (Vichywasser). Ziele waren die Tonisierung des Magens, eine normalisierte Peristaltik und die Behandlung der Mukosaläsionen. Mit weiteren 11 Krankengeschichten belegte er den Nutzen seiner Methode, die neben der Therapie diagnostisch in die Zukunft wies. Reinhard von den Velden, ein Mitarbeiter Kussmauls, publizierte die Ergebnisse der Untersuchung des gewonnenen Mageninhaltes, insbesondere zum Nachweis der freien Salzsäure [8]. Mit dem Ewaldschen Gummi-Magenschlauch, einem Trichter und der Anwendung des einfachen Heberprinzips wurde die Magenpumpe bald entbehrlich. Zeitgleich unternahmen Kussmaul und sein Assistent Julius Müller die 1. starre Ösophago-Gastroskopie. Wegen ungelöster technischer Probleme und bei unzureichender Lichtquelle wurde die Methode nicht weiter verfolgt. Die Endoskopie-Versuche Kussmauls wurden erst 1901 durch die Mitteilungen Gustav Killians breiter bekannt [9].
Adolf Kussmaul (1822–1902) gehörte zu den führenden Internisten in der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts. Von 1863–1876 leitete er die Medizinische Klinik der Universität Freiburg, bevor er nach Straßburg wechselte. Die Beschreibung der Periarteriitis nodosa (1866 gemeinsam mit dem Freiburger Pathologen Rudolf Maier) und der Azidose-Atmung beim diabetischen Koma geht auf ihn zurück. Kussmaul gehörte 1882 zu den Gründern der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin. Hochgeehrt wurde er 1901 erstes Ehrenmitglied der American Gastroenterological Association (AGA), gefolgt von Wilhelm O. v. Leube und Carl A. Ewald [10].
Der Freiburger Gastroenterolge Friedrich Kluge [† 2015] hat Kussmauls Persönlichkeit und seine wissenschaftlichen Leistungen in einer eindrücklichen Biografie 2002 gewürdigt [11].