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DOI: 10.1055/s-2004-818807
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York
Qualifizierte Entzugsbehandlung bei Alkoholabhängigkeit
Publikationsverlauf
Publikationsdatum:
09. Februar 2004 (online)
Zusammenfassung
Die traditionelle Entgiftungsbehandlung ist darauf ausgerichtet, mit medikamentöser Behandlung die Entzugserscheinungen zu beherrschen, Risiken der Alkoholentgiftung zu minimieren und das Überleben des Patienten sicherzustellen. Spezifische Maßnahmen gegen die eigentliche Grunderkrankung Alkoholabhängigkeit sind dabei nicht obligatorisch vorgesehen. Die Prognose der Suchterkrankung wird durch die ausschließliche Entgiftung nachgewiesenermaßen nur wenig beeinflusst. Bei der stationären Entgiftung in Allgemeinkrankenhäusern kann mit Hilfe von suchtmedizinisch geschulten Liaison-Diensten die ausschließliche Entgiftung zu einem „Qualifizierten Entzug” ausgebaut werden. Mit entsprechender Qualifikation des niedergelassenen Arztes und in enger Kooperation mit Suchtberatungsstellen ist eine qualifizierte Entzugsbehandlung bei geeigneten Patienten auch ambulant durchführbar. Ziel dieser Maßnahme ist die konsequente Erarbeitung einer hinreichenden Krankheitseinsicht und Behandlungsmotivation, so dass die Patienten in weiterführende Behandlungen vermittelt werden können. Nach dem Gesundheitsreformgesetz 2000 wird ein pauschalierendes Entgeltsystem, das DRG- (Diagnosis Related Groups) System, in Deutschland eingeführt. Die Fallkostenkonstellation der „Qualifizierten Entzugsbehandlung” kann mit dem vorliegenden System nicht abgebildet werden. Soll die qualifizierte Entzugsbehandlung bei Alkoholabhängigkeit (ICD 10 F10.2) in der Inneren Abteilung durchgeführt werden, ist die Kostengewichtung nach DRG keinesfalls kostendeckend. Somatische Abteilungen sollten durch eine geeignete Finanzierung in die Lage versetzt werden, dieses anspruchsvolle, von Ärzten, Psychologen und Sozialarbeitern gemeinsam durchgeführte und im Gesamtverlauf kostensparende Angebot des „Qualifizierten Entzugs” angemessen zu realisieren.
Summary
The primary aim of the traditional detoxification treatment is to guarantee the survival of the patient and to control the withdrawal symptoms by using adequate medications. Up to now specific procedures against the underlying dependence are adopted in a few cases only. The reevaluations of this traditional detoxification show exceptionally poor results. For inpatient detoxification in general hospitals essential improvements of the existing care system could be achieved with liaison-services trained in addiction medicine, turning the detoxification into a „qualified withdrawal treatment”. This enhanced detoxification is also applicable for outpatient treatment in selected patients. In cooperation of physicians, psychologists and social workers motivational techniques are added to standard acute treatment. The aim of these interventions is the consistent development of a sufficient self insight in the disease which finally leads to the willingness of the patient to enter further abstinence-maintaining treatments. According to the health reform-law 2000 an all inclusive remuneration system is being introduced in Germany by means of adapting the Australian DRG- (Diagnosis Related Groups) system. If the qualified withdrawal treatment in alcohol dependence (ICD 10 F10.2) is to be carried out in general hospitals the expenses are in no way covered by the DRG. Somatic departments should be enabled to realize this demanding and cost-saving offer of the qualified withdrawal treatment with regard to treatment duration and staff availability by an appropriate financing.
Key words
alcohol dependence - qualified withdrawal treatment - detoxification - diagnosis related groups - lump compensation
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Korrespondenzadresse:
Dr. med. Alexander Diehl
Klinik für Abhängiges Verhalten und Suchtmedizin
Zentralinstitut für Seelische Gesundheit Mannheim
Universität Heidelberg J5
68159 Mannheim
eMail: diehl@zi-mannheim.de