Zusammenfassung
Das internationale Klassifikationssystem ICF (International Classification of Functioning,
Disability and Health) weckt Aufmerksamkeit für die Komplexität der mit einer gesundheitlichen
Störung oder Krankheit einhergehenden Gesamtsituation. Es wird die Frage gestellt,
in welcher Weise die durch die ICF definierten verschiedenen Komponenten funktionaler
Gesundheit sowie das zwischen ihnen bestehende Beziehungsgeflecht Bedeutung für den
Erhebungs- und Beurteilungsprozess bei der Begutachtung der Leistungsfähigkeit im
Erwerbsleben für die gesetzliche Rentenversicherung gewinnen können. Vor diesem Hintergrund
werden mögliche Strategien kritisch diskutiert: Bezugnahme auf klinische Intuition,
Algorithmisierung von Beurteilungspfaden, an der ICF ausgerichtete Interpretation
bewährter klinischer Diagnostik, Einsatz spezieller Diagnostik auf der Ebene der Aktivität
gemäß ICF. Ein eindeutiger „Königsweg” ist bislang nicht erkennbar. Es ist nicht zu
erwarten, dass Untersuchungsverfahren für einen bestimmten durch die ICF definierten
Bereich die übrige Diagnostik grundsätzlich in den Hintergrund drängen werden. Zukünftige
gutachterliche Standards sollten möglichst klar beschreiben, welche Bedeutung Befundergebnissen
aus den verschiedenen Bereichen für die Beurteilung der Leistungsfähigkeit im Erwerbsleben
jeweils zukommen kann. Eine solche Gewichtung kann die ICF selbst nicht leisten.
Abstract
The ICF (International Classification of Functioning, Disability and Health) calls
attention to the complexities associated with disturbances of health. The question
raised is how the various constituents and the resulting network as defined by this
Classification can gain importance for medical expertise under the statutory pension
insurance scheme concerning work-related capacity. Possible variations of strategy
are discussed: clinical intuition, algorithmic pathways, proved medical diagnostics,
particular diagnostics of activity according to ICF. A genuine „silver bullet” is
not in evidence thus far. It cannot be expected that diagnostics relating to a certain
sector of the ICF will basically eclipse the rest. Future standards of medical expertise
should specify as clearly as possible the impact of the diverse diagnostic findings
on the assessment of work-related capacity. Framing emphasis in this way cannot be
performed by the ICF on its own.
Schlüsselwörter
ICF: International Classification of Functioning, Disability and Health - Leistungsfähigkeit
im Erwerbsleben - sozialmedizinische Begutachtung für die gesetzliche Rentenversicherung
Key words
ICF: International Classification of Functioning, Disability and Health - work-related
capacity - medical expertise for the statutory pension insurance scheme
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Dr. med. Michael Körner
LVA Westfalen · Ärztliche Abteilung
Gartenstraße 194
48147 Münster
Email: michael.koerner@lva-westfalen.de