Leitlinien zur sozialmedizinischen Beurteilung der Leistungsfähigkeit bei Mammakarzinom
Guidelines for the Sociomedical Assessment of Performance in Patients Suffering from Breast CancerE. Becker1
, S. Horn1
, H. Irle1
, I. Knorr1
, H. Mai1
, I. Pottins1
, M. Rohwetter1
, P. Schuhknecht1
, K. Timner1
1Alle Autoren sind Mitarbeiter des Beratungsärztlichen Dienstes der Leistungsabteilung oder des Bereichs Sozialmedizin der Deutschen Rentenversicherung Bund. Eine kritische Diskussion und Anregungen erfolgten durch Frau Dr. Christiane Korsukéwitz, Leiterin des Geschäftsbereichs Sozialmedizin und Rehabilitationswissenschaften der Deutschen Rentenversicherung Bund; Herrn Dr. Dieter Berger, Leitender Arzt der Arbeitsgemeinschaft für Krebsbekämpfung der Träger der gesetzlichen Kranken- und Rentenversicherung im Lande Nordrhein-Westfalen, Bochum; Frau Dr. Gertraud Gallhofer, Rehabilitationszentrum Bad Nauheim der Deutschen Rentenversicherung Bund, Taunus-Rehabilitationsklinik, Bad Nauheim; Herrn Dr. Volker König, Chefarzt der Klinik Bad Oexen, Bad Oeynhausen; Herrn Dr. Jochen van der Meyden, Rehabilitationszentrum Todtmoos, Klinik Wehrawald der Deutschen Rentenversicherung Bund, Todtmoos.
Die vorliegenden Leitlinien wurden für den Beratungsärztlichen Dienst der Deutschen Rentenversicherung Bund entwickelt. Ausgehend von der täglichen Praxis wurden Kriterien und Entscheidungshilfen für eine Systematisierung der sozialmedizinischen Beurteilung der Leistungsfähigkeit bei Mammakarzinom zusammengestellt. Die Leitlinien sollen zur Standardisierung in der sozialmedizinischen Beurteilung der Leistungsfähigkeit beitragen und Entscheidungsprozesse z. B. im Zusammenhang mit Anträgen auf Erwerbsminderungsrente transparenter machen. Die Leitlinien zeigen auf, wie sich ein Mammakarzinom manifestieren kann und stellen die für die sozialmedizinische Beurteilung der Leistungsfähigkeit erforderliche Sachaufklärung vor. Die notwendigen Beurteilungskriterien im Rahmen der Anamnese, der klinischen und apparativen Diagnostik sowie der Beobachtungen während der Untersuchung werden deutlich gemacht. Die Beurteilung der individuellen Belastbarkeit unter Berücksichtigung der beruflichen Belastungsfaktoren wird dargestellt. Aus den ermittelten Funktionsstörungen werden die verbleibenden Fähigkeiten bzw. die Fähigkeitsstörungen abgeleitet, mit den berufsbezogenen Belastungsfaktoren verglichen und daraus auf die Belastbarkeit im Erwerbsleben geschlossen.
Abstract
The following guidelines were developed for the medical assessment services of the German Pension Insurance Federal Institution. Starting from day-to-day practice, criteria and attributes to guide decisions for a systemisation of the sociomedical assessment of performance in breast cancer were compiled. The guidelines aim at standardising the sociomedical assessment of performance and help to make the decision-making process more transparent, e. g., for the assessment of applications for decreased earning capacity benefits. The guidelines summarise typical manifestations of breast cancer and describe the necessary medical information for the sociomedical assessment of performance. Relevant assessment criteria for the medical history, clinical examination, and for diagnostic tests are illustrated. The assessment of the individual’s capacity is outlined, taking occupational factors into account. Following the determination of dysfunctions, the remaining abilities and disabilities, respectively, are deduced and compared with occupational demands. Finally, inferences are drawn regarding the occupational capacity of the individual.
Guidelines - sociomedical assessment of performance - German Pension Insurance Federal Institution - breast cancer
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3 Gesamte gesetzliche Rentenversicherung: n = 37 100 Rehabilitationen wegen eines Mammakarzinoms.
4 Gesamte gesetzliche Rentenversicherung: n = 3 800 Erwerbsminderungsrenten.
7 Die postoperative histopathologische Klassifikation (pTNM) befindet sich in Anlage 2.
15 Umfangsmessungen am hängenden Arm (z. B. Mitte des Oberarms, gemessen in der Mitte zwischen Akromion und Olekranon; Mitte des Unterarms, gemessen zwischen Olekranon und Handgelenk).
16 Prüfung z. B. durch gekreuzten Handgriff.
19 Vgl. aktuelle Empfehlungen der jährlich stattfindenden Brustkrebs-Konferenz in St. Gallen, zuletzt von 2005, siehe Anlage 6.
20 Aktueller Standard: Entfernung von mindestens 10 Lymphknoten im Level I und II, alternativ kann die Sentinel-Lymphknoten-Biopsie durchgeführt werden.
21 Differenzen bis 1 cm zugunsten der dominanten Seite werden noch als normal angesehen.
23 Siehe Becker E u. a.: Leitlinien zur sozialmedizinischen Leistungsbeurteilung bei koronarer Herzkrankheit, www.deutsche-rentenversicherung-bund.de
24 Gonadotropin-Releasing-Hormon.
25 Ausnahme: Beurteilung des zeitlichen Umfangs nach dem bis zum 31.12.2000 geltenden Recht (vollschichtig, halb- bis unter vollschichtig, 2 Stunden bis unter halbschichtig, unter 2 Stunden/Tag) bei schon gewährten Renten wegen Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit z. B. im Rahmen eines Weitergewährungsverfahrens.
26 Dies gilt allerdings nach dem ab 1.1.2001 geltenden Recht nur für die Versicherten, die vor dem 2.1.1961 geboren sind - unter der Voraussetzung, dass eine entsprechende berufliche Qualifikation besteht und die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen erfüllt sind (§ 240 SGB VI). Die ab dem 2.1.1961 geborenen Versicherten werden immer auf den allgemeinen Arbeitsmarkt verwiesen. Für sie resultiert kein Rentenanspruch, wenn eine quantitative Leistungsminderung (unter 6 Stunden täglich) nur für die letzte berufliche Tätigkeit vorliegt. Die Möglichkeit einer Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung wegen Berufsunfähigkeit besteht für diese Altersgruppe nicht mehr (Ausnahme: Bestandsschutzrenten).
27 Vgl. Glossar, Anlage 8.
28 Maximal 78 Wochen innerhalb von 3 Jahren wegen derselben Krankheit.
29 Zu prognostischen Faktoren siehe Anlage 6.
40 Für die Zwecke dieser Begutachtungsleitlinien werden Fahrerlaubnisklassen in zwei Gruppen eingeteilt. Gruppe 1 umfasst die Führer von Fahrzeugen der Klassen A, A1, B, BE, M, L und T (Krafträder, Kraftwagen mit einer Gesamtmasse < 3500 kg, Fahrzeugkombinationen mit Zugfahrzeug < 3500 kg Gesamtmasse, außerdem Kleinkrafträder sowie land- und forstwirtschaftliche Zug- und Arbeitsmaschinen). Gruppe 2 umfasst die Führer von Fahrzeugen der Klassen C, C1, CE, C1E, D, D1, DE, D1E und die Fahrerlaubnis zur Fahrgastbeförderung (Kraftwagen mit Gesamtmasse > 3500 kg einschließlich Fahrzeugkombinationen, Kraftwagen zur Personenbeförderung).
41 „Was die Tranquilizer angeht, ist zu unterscheiden: einerseits der eigentliche Missbrauch mit der Gefahr von Abhängigkeit (höhere Dosen, steigende Dosis, Einnahme regelmäßig auch am Tage), andererseits der regelmäßige abendliche Gebrauch kleiner Mengen. Letzterer führt zwar in der Regel nicht zur Fahrunsicherheit, kann aber zu Abhängigkeit führen, da bereits nach einigen Monaten der Einnahme selbst kleiner Mengen eine Abhängigkeit (low dose dependence) eintreten kann, erkennbar an eindeutigen Entziehungssymptomen.”
42 Siehe Fußnote 21.
46 Verband Deutscher Rentenversicherungsträger (VDR) 2000, 2002, 2003.
48 Evidenzgrad entsprechend Stufe S1 der Leitlinien-Entwicklung (Expertengruppe) der Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (Methodische Empfehlungen der AWMF 2000).
47 Evidenzgrad entsprechend Stufe S1 der Leitlinien-Entwicklung (Expertengruppe) der Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (Methodische Empfehlungen der AWMF 2000).