Pneumologie 2020; 74(04): 217-221
DOI: 10.1055/a-1108-3004
Fallbericht

Großer Pneumothorax unter CPAP-Therapie beim Schlafapnoepatienten ohne vorbekannte Lungen- und Thoraxerkrankungen – ein Fallbericht

Large Pneumothorax in a Sleep Apnea Patient with CPAP without Previously Known Lung and Thoracic Diseases – a Case Report
S. Langner
1   Bereich Pneumologie, Medizinische Klinik I, Universitätsklinikum „Carl Gustav Carus“, Technische Universität Dresden
,
M. Kolditz
1   Bereich Pneumologie, Medizinische Klinik I, Universitätsklinikum „Carl Gustav Carus“, Technische Universität Dresden
,
J. Kleymann
1   Bereich Pneumologie, Medizinische Klinik I, Universitätsklinikum „Carl Gustav Carus“, Technische Universität Dresden
,
K. Tausche
1   Bereich Pneumologie, Medizinische Klinik I, Universitätsklinikum „Carl Gustav Carus“, Technische Universität Dresden
,
A. B. Almeida
3   Bereich Thoraxchirurgie, Klinik für Viszeral-Thorax-Gefäßchirurgie, Universitätsklinikum „Carl Gustav Carus“, Technische Universität Dresden
,
M. Schweigert
3   Bereich Thoraxchirurgie, Klinik für Viszeral-Thorax-Gefäßchirurgie, Universitätsklinikum „Carl Gustav Carus“, Technische Universität Dresden
,
D. Koschel
1   Bereich Pneumologie, Medizinische Klinik I, Universitätsklinikum „Carl Gustav Carus“, Technische Universität Dresden
2   Fachkrankenhaus Coswig, Zentrum für Pneumologie, Allergologie, Beatmungsmedizin und Thoraxchirurgie, Coswig
› Author Affiliations
 

Zusammenfassung

Eine CPAP-Therapie ist die häufigste Behandlungsform der obstruktiven Schlafapnoe.

Schwerwiegende Komplikation dieser Behandlung sind sehr selten. Pneumothorax als Lungen-Barotrauma unter der CPAP-Therapie wird in Einzelfallberichten und ausschließlich bei vorbestehenden Lungen- und Thoraxerkrankungen beschrieben.

Ein 68-jähriger, pulmonal nicht vorerkrankter Schlafapnoe-Patient mit einer langjährig etablierten CPAP-Therapie wird nach einem heftigen thorakalen Schmerzereignis mit anhaltender Luftnotsymptomatik stationär aufgenommen. Radiologisch und computertomografisch bestand ein ausgedehnter rechtsseitiger Pneumothorax mit rechts basal betontem bullösem Emphysem. Nach operativer Versorgung des sekundären Spontanpneumothorax konnte am 3. postoperativen Tag die nächtliche Überdruckatmung unter reduziertem CPAP-Druck mit zufriedenstellendem Schlafapnoe-Befund und ohne Pneumothorax-Rezidiv im Verlauf wiederaufgenommen werden.

Als mögliche Pneumothorax-Ursache bei dem Patienten können alveoläre entzündliche Veränderungen infolge von Überdehnung und Drucksteigerung in Alveolen, die unter jahrelanger CPAP-Behandlung mit schrittweiser Drucksteigerung entstanden sind und folglich zu ausgedehnten Lungenveränderung mit Ruptur geführt haben, angenommen werden.

Zusammenfassend und schlussfolgernd soll bei Patienten, die aufgrund einer Schlafapnoe über Jahre mittels Überdruckatmung behandelt werden, bei plötzlich einsetzenden thorakalen Schmerzen mit einer Luftnotsymptomatik an einen möglichen Spontanpneumothorax gedacht werden.


Abstract

CPAP is the most common treatment for obstructive sleep apnea.

Serious complications from this treatment are very rare. Pneumothorax following lung barotrauma under CPAP therapy has been described in case reports only in patients with pre-existing lung and thoracic diseases.

A 68-year-old sleep apnea patient without pre-existing lung or thoracic diseases and with established CPAP therapy since many years was admitted to the hospital after a severe thoracic pain event with persistent shortness of breath. Chest radiograph and computed tomography showed an extensive right-sided pneumothorax with basal bullous emphysema. After surgical treatment of the secondary spontaneous pneumothorax, on the third postoperative day CPAP with reduced pressure was re-introduced with satisfactory sleep apnea findings and without pneumothorax recurrence.

As possible cause of pneumothorax in the patient, alveolar inflammatory changes due to over-distention and increased pressure in the alveoli was assumed, which can occur after years of CPAP treatment with gradual pressure increase.

In summary, in sleep apnea patients treated with CPAP for years, after sudden onset of thoracic pain and shortness of breath possible spontaneous pneumothorax should be considered.


Einleitung

Die häufigste Therapieform der obstruktiven Schlafapnoe ist die nächtliche Überdrucktherapie („positive airway pressure“, PAP) in Form des kontinuierlichen PAP-Modus (CPAP, „continuous PAP“) [1].

Schwerwiegende Komplikationen, im Sinne eines Barotraumas, sind unter Überdruckatmung selten. Ein Pneumothorax infolge einer PAP-Therapie wird als eine sehr seltene Komplikation und ausschließlich bei Patienten mit vorbestehender Lungen- und/oder Thoraxerkrankung beschrieben [2] [3] [4].

Wir berichten über einen Pneumothorax bei einem pulmonal nicht vorerkrankten Schlafapnoe-Patienten unter einer jahrelangen CPAP-Therapie.


Fallbericht

Anamnese und Diagnostik

Ein 68-jähriger Patient stellte sich im August 2019 bei einer seit dem Vortag anhaltenden Luftnotsymptomatik nach einem kurzzeitigen, heftigen, rechts thorakalen, spontanen Schmerzereignis in einem Herzzentrum vor. Dort konnte die kardiale Ursache der plötzlich aufgetretenen Beschwerdesymptomatik ausgeschlossen werden. Radiologisch zeigte sich in der Röntgen-Thorax-Übersichtsaufnahme ein ausgedehnter Pneumothorax rechts ([Abb. 1]). Dieser wurde am selben Tag und nach Übernahme in die Klinik für Viszeral-/Thorax- und Gefäßchirurgie des Universitätsklinikums Dresden mittels einer Thoraxsaugdrainage (TSD) mit einem Therapiesog von – 20 mmH2O versorgt ([Abb. 2]). Aufgrund des Patientenalters bestand ein dringender Verdacht auf einen sekundären Spontanpneumothorax, sodass am Folgetag der stationären Aufnahme eine Thorax-Computertomografie (Thorax-CT) mit Kontrastmittelgabe (KM) durchgeführt wurde. Diese ergab einen persistierenden kleinen ventrokaudalen Pneumothorax rechts, welcher durch die lateroapikal einliegende TSD nicht vollständig erreicht wurde. Des Weiteren bestanden rechts basal betonte, multiple, subpleurale Bullae mit einem maximalen Durchmesser von bis zu 11 cm. Pulmonale Rundherde bzw. Raumforderungen oder hiläre bzw. mediastinale Lymphknotenvergrößerungen ergaben sich nicht ([Abb. 3 a – c]).

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Abb. 1 Röntgen-Thorax-Übersichtsaufnahme mit ausgedehntem Pneumothorax rechts.
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Abb. 2 Röntgen-Thorax-Übersichtsaufnahme mit fast komplett entfalteter Lunge nach lateroapikaler Anlage einer Thoraxsaugdrainage bei ausgedehntem Pneumothorax rechts.
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Abb. 3 a – c Präoperative Thorax-CT mit ventrokaudalem Pneumothorax rechts, rechts basal betonten, multiplen, subpleuralen Bullae mit einem maximalen Durchmesser bis zu 11 cm; Bilderverlauf von apikal nach kaudal (a – c).

Anamnestisch und klinisch sind beim Patienten ein Übergewicht mit einem BMI (body mass index) von 29,7 kg/m², eine arterielle Hypertonie, ein Glaukom und eine chronische venöse Insuffizienz bekannt. Der Patient ist Nie-Raucher und berichtete von keiner außergewöhnlichen körperlichen Betätigung oder Hustensymptomatik sowie keinem Trauma im Zusammenhang mit dem Ereignis. Es besteht seit 2006 eine gesicherte mittel- bis schwere obstruktive Schlafapnoe (OSA), die suffizient mittels CPAP-Therapie behandelt wird. Der initial erforderliche CPAP-Therapiedruck von 9 mbar musste im Verlauf bei nicht zufriedenstellenden polygrafischen Kontrollbefunden schrittweise auf 13 mbar erhöht werden. Der Befund einer kardiorespiratorischen Polysomnografie ergab im Januar 2018 unter der Therapiedrucktitration bis 13 mbar einen optimalen Befund mit einem RDI (respiratory disturbance index) von 0,7 Ereignissen/Stunde.

Seit Diagnosestellung der relevanten Schlafapnoe ergaben sich in regelmäßigen ambulanten Vorstellungen klinisch, lungenfunktionell und konventionell-radiologisch keine Hinweise für eine Lungen- und/oder Thoraxerkrankung. Eine im Jahr 2014 durchgeführte Röntgen-Thorax-Übersichtsaufnahme in 2 Ebenen zeigte einen unauffälligen kardiopulmonalen Befund ohne Hinweise für emphysematische und/oder bullöse Lungenparenchymveränderungen ([Abb. 4 a, b]).

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Abb. 4 a, b Röntgen-Thorax-Übersichtsaufnahme in 2 Ebenen: posterior-anterior (a) und links lateral (b); 2014.

Therapie und Verlauf

Aufgrund des persistierenden hohen Fistelvolumens an dem TSD-System mit einer Flussrate bis max. 1700 ml/min wurde die vom Patienten bei klinischem Benefit weiter gewünschte nächtliche CPAP-Therapie von 13 mbar bis zum Sistieren der Fistel auf 7 mbar herabtitriert.

Am 5. Tag des stationären Aufenthaltes erfolgte bei im Thorax-CT gesichertem sekundärem Spontanpneumothorax infolge der rechts betonten bullösen Lungenparenchymveränderungen eine mehrfache atypische Keilresektion der großen Bullae im Bereich des Mittel- und Unterlappens rechts. Histologisch zeigte sich an den Lungenresektaten ein dystelektatisches Lungenparenchym mit mehreren bis maximal 6 cm großen Emphysem-Bullae. Ein Anhalt für eine Entzündung oder Malignität ergab sich nicht. Am 6. postoperativen Tag konnte der Patient entlassen werden. Die am Vortag durchgeführte Röntgen-Thorax-Übersichtsaufnahme nach Entfernung der postoperativen TSD ergab lediglich einen sehr schmalen Spitzenpneumothorax rechts mit ansonsten regelrechtem kardiopulmonalem Befund ([Abb. 5]). Die CPAP-Therapie konnte vom Patienten bereits am 3. postoperativen Tag mit dem Druck von 7 mbar und ohne Pneumothorax-Rezidiv in stationärem Verlauf wiederaufgenommen werden.

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Abb. 5 Röntgen-Thorax-Übersichtsaufnahme am Vortag der Entlassung.

In der ambulanten nativen Thorax-CT ca. 2 Monate nach stationärer Entlassung zeigte sich ein zentrilobuläres, basal betontes Lungenemphysem in mäßiger Ausprägung ohne großbullöse Veränderungen ([Abb. 6 a – c]). Bodyplethysmografisch ergaben sich weiterhin keine Hinweise für Ventilations- und/oder Diffusionsstörungen, das α1-Antitrypsin war wiederholt normwertig. Der kumulative AHI betrug unter dem CPAP-Therapiedruck von 7 mbar 11 Ereignisse/Stunde. Nach Therapiedruckerhöhung auf 9 mbar betrug dieser kumulativ nach 4 Wochen 8,6 Ereignisse/Stunde und lag somit im zufriedenstellenden Bereich.

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Abb. 6 a – c Postoperative Thorax-CT mit zentrilobulärem, basal betontem Lungenemphysem in mäßiger Ausprägung ohne großbullöse Veränderungen; 2 Monate nach stationärer Entlassung; Bilderverlauf von apikal nach kaudal (a – c).

Abschließend konnte bei unserem Schlafapnoe-Patienten nach einer operativen Versorgung des sekundären Spontanpneumothorax eine suffiziente CPAP-Therapie ohne erneutes Auftreten eines Pneumothorax wiederaufgenommen werden.



Diskussion

Als Nebenwirkungen der CPAP-Therapie werden oft Masken-, Nasen- und Mundprobleme wie Maskengeruch und -undichtigkeiten, Augenreizungen infolge der Maskenleckagen, Druckstellen betont im Nasenwurzelbereich, rhinitische Beschwerden wie Niesen und Fließschnupfen, trockene Nasenschleimhäute, Mundtrockenheit und -leckagen angegeben [5] [6] [7] [8].

Gehäuft werden unter der nächtlichen Überdrucktherapie Aerophagien mit Refluxsymptomatik berichtet [9] [10] [11].

Selten bis sehr selten kann es bei PAP-Therapie zu einem Barotrauma im Kopf-, Hals- und Thoraxbereich infolge einer retrograden Luftinsufflation über die Drüsenwege (CRANS = CPAP-assoziierte retrograde Luftinsufflation über nasolakrimales System, Pneumoparotitis) [12] [13] [14] oder nach operativen Eingriffen sowie bei traumatischen und/oder entzündlichen Verletzungen bzw. Defekten (Pneumozephalus, subkutanes Emphysem, Hirnluftembolie, Pneumoperikardium, Pneumothorax) kommen [2] [3] [15] [16] [17] [18] [19] [20] [21] [22] [23] [24].

Ein Pneumothorax als Folge der Überdruckatmung wird sehr selten und ausschließlich in Fallberichten bei Patienten mit vorbestehenden Lungen- und Thoraxerkrankungen/-eingriffen (interstitielle und chronisch obstruktive Lungenerkrankungen = ILD und COPD, Pneumonie, zystische Fibrose, vorbestehender primärer Spontanpneumothorax, nach koronararterieller Bypassoperation, orthognatischem Eingriff und Radiofrequenzablation) beschrieben [2] [3] [23].

Wir berichten über einen Spontanpneumothorax unter CPAP-Therapie bei einem Schlafapnoe-Patienten ohne vorbekannte Lungen- und/oder Thoraxerkrankungen. Nach chirurgischer Versorgung des Pneumothorax konnte bei unserem Patienten die Überdruckatmung mit zufriedenstellendem Befund nach Reduktion des Therapiedruckes und ohne Pneumothorax-Rezidiv im Verlauf wiederaufgenommen werden.

Die genauen Ursachen und pathophysiologischen Mechanismen eines Lungen-Barotraumas unter der mechanischen Ventilation bleiben bis heute nicht endgültig geklärt. Die bisherige Evidenz vermutet, dass eine Überdehnung und ein erhöhter Druck in den Alveolen zu entzündlichen alveolären Veränderungen führen kann. Folglich können unter der PAP-Therapie der erhöhte trans-alveoläre Druck (= Differenz zwischen dem alveolären Druck und Druck in dem interstitiellem Raum) im Zusammenspiel mit entzündlichen alveolären Veränderungen zur Ruptur und Luftleckage in das extraalveoläre Gewebe führen [25] [26].

Durch akute und/oder chronisch entzündliche Lungenerkrankungen wie COPD, Asthma, ILD, Pneumocystis jirovecii Pneumonie und ARDS (acute respiratory distress syndrome) kann die Alveolardruckerhöhung und letzten Endes ein Barotrauma begünstigt werden [25] [26].

Bei unserem pulmonal nicht vorerkrankten Schlafapnoe-Patienten kann die jahrelange CPAP-Therapie mit schrittweiser Therapiedrucksteigerung von 9 auf max. 13 mbar als Ursache für Pneumothorax infolge der entzündlichen Veränderungen auf dem Boden der Überdehnung und Drucksteigerung in den Alveolen über mehrere Jahre angenommen werden. Andererseits können beim Patienten vorbestehende kleine, konventionell-radiologisch nicht erfassbare Bullae, die unter der konsequenten CPAP-Therapie progredient wurden, nicht sicher ausgeschlossen werden.

Zusammenfassend und schlussfolgernd soll bei Patienten, die aufgrund einer Schlafapnoe über Jahre mittels PAP-Therapie behandelt werden, bei plötzlich einsetzenden thorakalen Schmerzen mit einer Luftnotsymptomatik an einen möglichen Spontanpneumothorax gedacht werden.



Interessenkonflikt

Die Autorinnen/Autoren geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.


Korrespondenzadresse

Dr. med. Simona Langner
Bereich Pneumologie/Schlaflabor
Med. Klinik und Poliklinik I
Universitätsklinikum Carl Gustav Carus
an der Technischen Universität Dresden
Fetscherstraße 74, 01307 Dresden

Publication History

Received: 28 January 2020

Accepted: 04 February 2020

Article published online:
09 April 2020

© Georg Thieme Verlag KG
Stuttgart · New York


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Abb. 1 Röntgen-Thorax-Übersichtsaufnahme mit ausgedehntem Pneumothorax rechts.
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Abb. 2 Röntgen-Thorax-Übersichtsaufnahme mit fast komplett entfalteter Lunge nach lateroapikaler Anlage einer Thoraxsaugdrainage bei ausgedehntem Pneumothorax rechts.
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Abb. 3 a – c Präoperative Thorax-CT mit ventrokaudalem Pneumothorax rechts, rechts basal betonten, multiplen, subpleuralen Bullae mit einem maximalen Durchmesser bis zu 11 cm; Bilderverlauf von apikal nach kaudal (a – c).
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Abb. 4 a, b Röntgen-Thorax-Übersichtsaufnahme in 2 Ebenen: posterior-anterior (a) und links lateral (b); 2014.
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Abb. 5 Röntgen-Thorax-Übersichtsaufnahme am Vortag der Entlassung.
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Abb. 6 a – c Postoperative Thorax-CT mit zentrilobulärem, basal betontem Lungenemphysem in mäßiger Ausprägung ohne großbullöse Veränderungen; 2 Monate nach stationärer Entlassung; Bilderverlauf von apikal nach kaudal (a – c).