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DOI: 10.1055/a-1199-6721
DZK-Stellungnahme zu Tuberkulose, BCG und COVID-19*
(*Offizielle Bezeichnung der Erkrankung durch das neuartige Coronavirus SARS-CoV-2, severe acute respiratory syndrome coronavirus 2)DZK Recommendations for Tuberculosis, BCG and COVID-19 in Germany(Official Abbreviation of Coronavirus Disease 2019 Caused by the New Coronavirus SARS-CoV-2)- Stellt eine vollständig behandelte Tuberkuloseerkrankung ein Risiko für einen schweren Verlauf bei einer Infektion mit SARS-CoV-2 dar?
- Haben Menschen, die aktuell wegen einer Tuberkuloseerkrankung behandelt werden, ein erhöhtes Risiko für einen schweren Verlauf bei einer Infektion mit SARS-CoV-2?
- Tuberkulosebehandlung und Infektion mit SARS-CoV-2
- Ist eine latente Tuberkuloseinfektion ein Risiko bei einer Infektion mit SARS-CoV-2?
- Kann ich mich mithilfe einer Tuberkulose-Impfung (Bacille Calmette-Guérin; BCG) vor einer Infektion mit SARS-CoV-2 schützen?
- Zusammenfassung
- Literatur
Weltweit wurden für das Jahr 2018 von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) 1,45 Millionen Todesfälle bei 10 Millionen Tuberkuloseerkrankungen geschätzt [1]. Etwa 4000 Menschen versterben demnach jeden Tag trotz verfügbarer Therapie an Tuberkulose, auch weil schwer therapierbare Medikamentenresistenzen vielerorts ein zunehmendes Problem darstellen. V. a. in Hochprävalenzländern für Tuberkulose kann es während der SARS-CoV-2-Pandemie zu einer Verschlechterung der Fallfindung und der Versorgungssituation von Tuberkulosepatientinnen und -patienten kommen [2]. Eine Modellierungsstudie der Stop TB Partnership kommt zu der Einschätzung, dass zwischen 2020 und 2025 zusätzliche 1,4 Millionen Tuberkulose-Todesfälle entstehen könnten, wenn ein 3-monatiger „Lockdown“ mit einer 10-monatigen Phase der Wiedereinführung der Tuberkuloseversorgung angenommen wird [3]. International wird daher dringend dazu aufgerufen, die Tuberkuloseversorgung auch während der SARS-CoV-2-Pandemie aufrecht zu erhalten. Die weltweiten finanziellen und personellen Ressourcen zur Bekämpfung der Tuberkuloseepidemie müssen erhalten bleiben, um das angestrebte Ziel der Eliminierung nicht zu gefährden [4] [5] [6].
Mit einer Inzidenz von 5,8 Neuerkrankungen pro 100 000 Einwohnern im Jahr 2019 [7] zählt Deutschland zu den Niedriginzidenzländern mit guten finanziellen und strukturellen Ressourcen im Gesundheitssystem. Versorgungsprobleme für Tuberkulosepatientinnen und -patienten werden in Deutschland auch unter den derzeitigen Pandemie-Bedingungen nicht erwartet. Dennoch können Menschen, die eine Tuberkulosebehandlung erhalten oder abgeschlossen haben oder bei denen eine latente Infektion mit Mycobacterium tuberculosis festgestellt wurde, verständlicherweise durch diese Situation verunsichert sein. Als Hilfestellung für die Beratung von Tuberkulosepatientinnen und -patienten werden daher im Folgenden einige häufig auftretende Fragen zur Tuberkulose und der aktuellen Coronavirus-Pandemie beantwortet.
Stellt eine vollständig behandelte Tuberkuloseerkrankung ein Risiko für einen schweren Verlauf bei einer Infektion mit SARS-CoV-2 dar?
Zum Zeitpunkt der Erstellung dieses Dokuments existieren nur wenige wissenschaftliche Daten zum Risikoprofil von Menschen mit überstandener Tuberkulose (TB). Vermutlich ist nach einer erfolgreich behandelten TB ohne resultierende Folgeschäden weder die Wahrscheinlichkeit erhöht, eine SARS-CoV-2-Infektion zu bekommen, noch einen schweren Verlauf zu entwickeln. Komorbiditäten und Alter sind allerdings auch in diesem Zusammenhang entscheidende Einflussfaktoren [8].
V. a. in Ländern mit vielen Tuberkulosefällen werden jedoch – meist bedingt durch einen späten Beginn einer nicht immer optimalen Therapie bereits fortgeschrittener Tuberkulosen – häufiger Folgeschäden der Lunge wie Bronchiektasen oder obstruktive Lungenerkrankungen (v. a. COPD) beobachtet [9] [10] [11], die im Fall einer Infektion mit SARS-CoV-2 den Verlauf verkomplizieren können. Über die Häufigkeit pulmonaler Folgeerkrankungen nach einer durchgemachten Tuberkulose existieren für Deutschland keine Daten. Sollte eine Folgeerkrankung der Lunge entstanden sein, so können die Risiken für einen schwereren Verlauf im Fall einer SARS-CoV-2-Infektion erhöht sein [12]. Sie orientieren sich wahrscheinlich an Art und Ausmaß der entstandenen Folgeerkrankung [13]. Sollten nach einer Tuberkulosetherapie pulmonale Beschwerden zurückbleiben, muss eine Folgeerkrankung der Lunge ausgeschlossen werden. Eine COPD kann bspw. das Risiko für einen schweren COVID-19-Verlauf erhöhen [14] [15]. Die nationalen Empfehlungen zu Hygienemaßnahmen sollten unbedingt eingehalten werden, um das Infektionsrisiko möglichst gering zu halten. Eine häusliche Quarantäne wird alleine auf der Basis der Grunderkrankung nicht empfohlen. Die adäquate Therapie der Lungenerkrankung trägt zur Stabilisierung bei und kann die Infektanfälligkeit reduzieren. Neben dem Verzicht auf das Rauchen werden eine Pneumokokkenimpfung [13] und eine Grippeschutzimpfung empfohlen. Für weitere Informationen zu Lungenerkrankungen und COVID-19 verweisen wir auf die Stellungnahmen der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie [16].
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Haben Menschen, die aktuell wegen einer Tuberkuloseerkrankung behandelt werden, ein erhöhtes Risiko für einen schweren Verlauf bei einer Infektion mit SARS-CoV-2?
Zur Risikobewertung bei Menschen, die während der Tuberkulosetherapie eine SARS-CoV-2-Infektion durchmachen, gibt es keine ausreichenden Daten. In einer Beschreibung von 3 Fällen und einer bislang nur vorveröffentlichten Fall-Kontroll-Studie mit geringer Patientenzahl jeweils aus China wird ein erhöhtes Risiko für einen schweren Krankheitsverlauf vermutet [17] [18]. Für eine heterogene internationale Kohorte (SARS-CoV-2 + Tuberkuloseerkrankung n = 42; SARS-CoV-2 + Folgeschäden nach überstandener Tuberkulose n = 7) wurde eine Case Fatality Rate von 12,3 % beschrieben, wobei 5 der 6 Verstorbenen älter als 60 Jahre waren und an mindestens einer Begleiterkrankung litten. Die Autoren können aus den bislang vorliegenden Daten keinen kausalen Zusammenhang zwischen Tuberkuloseerkrankung und Mortalität ableiten [8]. Eine weitere Kohorte (n = 20) hospitalisierter Patienten mit COVID-19 und Tuberkuloseerkrankung in der Lombardei, Italien, beschreibt 3 – 4 Wochen nach COVID-19-Diagnose eine Case Fatality Rate von 5 % (1/20 Patienten). Bei der überwiegenden Zahl (19/20) der im Durchschnitt jüngeren Patienten (Median age 39 Jahre) zeigte sich ein benigner klinischer Verlauf mit nur mäßiger Beeinflussung durch die zusätzliche Infektion mit Covid-19 [19]. Es handelt sich aufgrund der geringen Patientenzahlen lediglich um Hinweise, die in Studien mit höherer Fallzahl überprüft werden müssen, bevor Empfehlungen daraus abgeleitet werden können.
Ein erhöhtes Risiko für einen schweren COVID-19-Verlauf durch eine Tuberkuloseerkrankung kann zum jetzigen Zeitpunkt weder belegt noch ausgeschlossen werden. Folgezustände nach durchgemachter Tuberkulose sowie Begleiterkrankungen müssen beachtet werden, da sie zu einem erhöhten Risiko beitragen können. Sollten weitere wissenschaftliche Daten veröffentlicht werden, die eine Änderung der Risikoeinschätzung notwendig machen, wird diese Stellungnahme zeitnah aktualisiert und auf der DZK-Internetseite (www.dzk-tuberkulose.de) verfügbar gemacht. Ein Kompendium der aktuellen Tuberkulose/COVID-19-Studien ist auf den Internetseiten der WHO zu finden (www.who.int/teams/global-tuberculosis-programme/covid-19 /compendium).
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Tuberkulosebehandlung und Infektion mit SARS-CoV-2
Um eine Tuberkulosetherapie erfolgreich durchführen zu können, ist es auch unter den aktuell möglicherweise erschwerten Bedingungen wichtig, alle notwendigen Arzttermine wahrzunehmen, um Therapieunterbrechungen zu vermeiden [4]. Vielerorts hat die Coronavirus-Pandemie Umstrukturierungen im Gesundheitssystem zur Folge. Ein negativer Einfluss auf die Versorgungsqualität während der Tuberkulosetherapie [20] und auf die Therapie von Begleiterkrankungen [21] sollte unbedingt vermieden werden.
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Derzeit existiert keine antivirale Standardtherapie für SARS-CoV-2. Im Fall von individuellen Therapieversuchen muss jedoch eine Prüfung auf mögliche Wechselwirkungen erfolgen. Medikamenten-Versorgungsengpässe durch eingeschränkte Lieferketten sollten durch eine vorausschauende Therapieplanung vermieden werden.
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Die behandelnden Ärztinnen und Ärzte sollten Tuberkulosepatientinnen und -patienten darüber informieren, dass jeder Kontrolltermin im Rahmen der Therapie wie geplant wahrgenommen werden muss. Auch ungeplante Arztbesuche, bspw. bei Medikamentenunverträglichkeiten oder -nebenwirkungen, müssen jederzeit ohne Verzögerung möglich sein.
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Die soziale Unterstützung von Tuberkulosepatientinnen und -patienten kann Einfluss auf die Therapietreue und auf den Erfolg der Tuberkulosetherapie haben [7] [22]. Notwendige Kontaktbeschränkungen, bspw. die Quarantäne nach Kontakt zu einem SARS-CoV-2-infizierten Menschen, sollten sich nicht negativ auf die Tuberkulosetherapie auswirken. Die vorhandenen Möglichkeiten zur psychosozialen Unterstützung sollten besprochen und wenn möglich ergänzt werden.
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Die Verfügbarkeit von spezialisierten Helfern, z. B. Sozialarbeitern der betreuenden Gesundheitsämter oder Pflegern ambulanter Pflegedienste zur Tablettenausgabe, kann unter den aktuellen Pandemie-Bedingungen eingeschränkt sein. Mögliche Alternativen zur Therapiebegleitung können digitale Lösungen bieten [4]. Eine in Deutschland etablierte und empfohlene Plattform zur Unterstützung durch digitale Systeme existiert nicht, daher müssen individuelle Lösungen gefunden werden. Zur multilingualen Patienteninformation hat sich die Applikation ExplainTB (www.explaintb.org) bewährt.
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Verzögerungen bei der Diagnostik der Tuberkulose durch die zeitweise Überlastung der ärztlichen Versorgungsangebote sollten vermieden werden, um einen verzögerten Therapiebeginn bei schon fortgeschrittener Erkrankung zu verhindern. Verzögerungen bei Fallfindung und Therapie können zu vermehrten Übertragungen führen. Im Rahmen von Ausgangsbeschränkungen und häuslicher Quarantäne sind zudem vermehrte Übertragungen innerhalb einer Wohneinheit möglich.
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Ist eine latente Tuberkuloseinfektion ein Risiko bei einer Infektion mit SARS-CoV-2?
Die latente Infektion mit Mycobacterium tuberculosis ist nicht mit einer Tuberkuloseerkrankung gleichzusetzen. Hinter dem Begriff der latenten Infektion verbirgt sich ein Spektrum von Zuständen nach Kontakt zum Tuberkuloseerreger. Das Spektrum reicht dabei von der rein immunologischen Auseinandersetzung mit dem Erreger ohne Persistenz von Tuberkulosebakterien über den Verbleib kleiner Erregermengen unter immunologischer Kontrolle bis hin zur in Entwicklung befindlichen Tuberkuloseerkrankung [23] [24]. Die verfügbaren Nachweisverfahren (Tuberkulinhauttest und Interferon-Gamma Release Assays [IGRAs]) können nur die Auseinandersetzung des Immunsystems mit dem Erreger anzeigen. Ob Tuberkuloseerreger im Körper verblieben sind und ob diese reaktivieren – also durch Vermehrung zu einer manifesten Erkrankung führen –, können die Tests nicht voraussagen. Unter diesen Voraussetzungen wird eine einheitliche Risikobewertung für diese heterogene Gruppe schwer zu treffen sein.
Ein allgemein erhöhtes Risiko für virale Atemwegserkrankungen wird für Menschen mit latenter Tuberkuloseinfektion nicht angenommen. Bis aussagekräftige Daten zur latenten Tuberkuloseinfektion und SARS-CoV-2 zur Verfügung stehen, ist keine Aussage zu speziellen Risiken in dieser Gruppe möglich.
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Kann ich mich mithilfe einer Tuberkulose-Impfung (Bacille Calmette-Guérin; BCG) vor einer Infektion mit SARS-CoV-2 schützen?
Ein möglicher heterologer Schutz-Effekt der BCG-Impfung wird diskutiert und in verschiedenen Ländern in Studien geprüft. Bis Studienergebnisse vorliegen, die einen Nutzen für die BCG-Impfung bei SARS-CoV-2-Infektionen belegen, wird der Einsatz der BCG-Impfung zum Schutz vor SARS-CoV-2-Infektionen oder schweren Verläufen von COVID-19 von der WHO [25] ebenso wie von der International Union Against Tuberculosis and Lung Disease [26] ausdrücklich nicht empfohlen. Die BCG-Impfung soll ausschließlich indikationsgerecht bei Neugeborenen in Tuberkulose-Hochinzidenzländern eingesetzt werden. Eine zusätzliche Verknappung der weltweit vorhandenen Impfdosen kann die Kindersterblichkeit in vielen Ländern erhöhen und muss unbedingt vermieden werden [27] [28]. Dieser Empfehlung schließt sich das DZK an. In Deutschland wird eine BCG-Impfung seit 1998 grundsätzlich von der Ständigen Impfkommission (STIKO) am Robert Koch-Institut nicht mehr empfohlen.
Die Vermutung einer möglichen Schutzwirkung wurde aufgrund der Beobachtung aufgestellt, dass nach der weltweiten Einführung der BCG-Impfung in einigen Ländern eine Verringerung der Sterblichkeit von Kindern gesehen wurde und dieser Effekt über den Schutz gegen Tuberkulose hinausging. Experimentelle und klinische Daten zeigten, dass eine BCG-Impfung zumindest für einen begrenzten Zeitraum unspezifische Effekte auf das Immunsystem hat, die die Abwehr von viralen und möglicherweise von bakteriellen Erregern verbessern können [29]. Die Annahme, dass die BCG-Impfung bei SARS-CoV-2-Infektionen schützt, beruht bislang nur auf epidemiologischen Daten. Die Autoren einer Studie vermuteten einen positiven Einfluss der BCG-Impfung auf die Mortalität und Morbidität von SARS-CoV-2-Infektionen im Rahmen der aktuellen Coronavirus-Pandemie [30] (Details im DZK-Newsletter im Internet: www.dzk-tuberkulose.de/aktuelles/newsletter und in dieser Ausgabe der Pneumologie). Andere Studien lieferten widersprüchliche epidemiologische Daten zu dieser Hypothese [31] [32].
Die epidemiologischen Studiendaten liefern allerdings keine ausreichende Evidenz, um einen Zusammenhang zwischen der BCG-Impfung und einer Reduktion der COVID-19-bedingten Mortalität zu belegen. Zudem werden einige Schwächen im Studiendesign diskutiert [33]. Dennoch wurde eine Hypothese geschaffen, die in Wissenschaft und Medien intensiv diskutiert wird [34] [35] [36]. Die experimentellen und klinischen Hinweise für unspezifische Effekte der BCG-Impfung auf das Immunsystem führten dazu, dass größere Placebo-kontrollierte Studien an Mitarbeitern im Gesundheitssystem, die einem erhöhten Infektionsrisiko ausgesetzt sind, in den Niederlanden, Australien und Südafrika begonnen wurden (www.clinicaltrials.gov). Diese sollen innerhalb eines Jahres Antworten zu den Fragen generieren, ob die BCG-Impfung einen Einfluss auf die Häufigkeit von COVID-19 oder den Krankheitsverlauf hat. Weitere Studien wurden in verschiedenen anderen Ländern angemeldet (www.clinicaltrials.gov). Auch eine Phase-III-Studie mit einer am Max-Planck-Institut für Infektionsbiologie in Berlin entwickelten genetisch modifizierten Variante des BCG-Impfstoffs (VPM1002) wird an verschiedenen deutschen Kliniken getestet. Impfdosen von VPM1002 wären kurzfristig in großer Stückzahl herstellbar [37], da sie nicht in Kulturen gewonnen werden müssen, sondern in Bioreaktoren mit hohem Durchsatz hergestellt werden können. Im Falle einer Wirksamkeit dieses Ansatzes könnte damit eine zusätzliche Verknappung der weltweit verfügbaren BCG-Impfdosen vermieden werden.
Die BCG-Impfung ist ein attenuierter Lebendimpfstoff, der 1921 erstmals beim Menschen angewendet wurde. In der BRD wurde die Impfung mit BCG generell für alle Neugeborenen auf freiwilliger Basis bis 1975 empfohlen, danach folgten Risiko-bezogene Einschränkungen der Impfindikation. In der DDR wurde die BCG-Impfung in den frühen 1950er-Jahren als Pflichtimpfung bei Kindern eingeführt, die später auf Neugeborene ausgeweitet wurde. Nach der Wiedervereinigung 1990 wurden die Empfehlungen der BRD übernommen. Seit 1998 wird die BCG-Impfung in Deutschland nicht mehr empfohlen und ist aktuell nicht verfügbar. Indikationsgerecht werden speziell aufbereitete BCG-Impfstämme in Deutschland nur bei der Immuntherapie des Harnblasenkarzinoms als Blaseninstillation eingesetzt. Im März 2020 erschien ein Rote-Hand-Brief, der auf das Risiko einer systemischen BCG-Infektion nach Blaseninstillation hinweist.
Weltweit wird die BCG-Impfung in Regionen mit hoher Tuberkuloseinzidenz (hier definiert als 40 Fälle/100 000 Einwohner pro Jahr) für Neugeborene empfohlen [38]. Sie bietet Schutz gegen besonders schwere Verlaufsformen wie die Miliartuberkulose und die tuberkulöse Meningitis, v. a. in den 3 ersten Lebensjahren [39]. Die BCG-Impfung ist mit derzeit knapp 130 Millionen Impfdosen pro Jahr wichtiger Bestandteil nationaler Impfstrategien in Hochinzidenzländern und kann zur Senkung der Kindersterblichkeit beitragen. In den letzten Jahren ist es zu weltweiten Lieferengpässen für den BCG-Impfstoff gekommen [40]. Negative Auswirkungen auf die Kindersterblichkeit in den betroffenen Ländern müssen angenommen werden [25] [26] [39] [41]. In Südafrika zeigte sich einer Studie zufolge bereits ein signifikanter Anstieg der Fallzahlen für tuberkulöse Meningitis im Jahr 2017, der den Studiendaten zufolge auf einen Rückgang der BCG-Impfungen zurückzuführen ist [42]. Der Einsatz von BCG zum Schutz vor einer SARS-CoV-2-Infektion außerhalb von Studien ist wissenschaftlich zum jetzigen Zeitpunkt nicht gerechtfertigt. Er könnte aber zu einer weiteren Verknappung des BCG-Impfstoffes führen und weltweit erhöhte Mortalität durch schwere Tuberkulosefälle bei Kindern zur Folge haben [25] [26] [27] [28].
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Zusammenfassung
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Die wenigen vorhandenen wissenschaftlichen Daten können zum jetzigen Zeitpunkt zusätzliche Risiken durch eine Tuberkuloseerkrankung für einen schweren COVID-19-Verlauf weder belegen noch ausschließen.
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Die Tuberkuloseversorgung muss auch unter den derzeitigen Pandemie-Bedingungen in vollem Umfang aufrechterhalten werden, um den Erfolg der Tuberkulosetherapie nicht zu gefährden.
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Folgezustände nach überstandener Tuberkuloseerkrankung, insbesondere im Falle einer COPD, können je nach Art und Schwere ein erhöhtes Risiko für einen schweren COVID-19-Verlauf bedeuten.
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Für Menschen mit latenter Tuberkuloseinfektion wird allgemein kein erhöhtes Risiko für virale Atemwegserkrankungen angenommen. Zu den Risiken speziell bei SARS-CoV-2-Infektionen gibt es keine ausreichenden Daten.
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Die BCG-Impfung soll ausschließlich indikationsgerecht in Ländern mit hoher Tuberkuloseinzidenz eingesetzt werden. In Deutschland wird sie seit 1998 generell nicht mehr empfohlen.
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Der Einsatz von BCG zum Schutz vor einer SARS-CoV-2-Infektion außerhalb von Studien ist zum jetzigen Zeitpunkt nicht gerechtfertigt. Ein großflächiger Einsatz von BCG würde zur Verknappung des Impfstoffs beitragen und kann gravierende Folgen für die Kindersterblichkeit in Hochinzidenzländern haben.
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Interessenkonflikt
Prof. Stefan H. E. Kaufmann ist Ko-Erfinder des Impfstoffs VPM1002, der an Vakzinze Projekt Management GmbH und Serum Institute of India Ltd. lizenziert wurde. Dr. Brit Häcker: finanzielle Unterstützung der Firma Otsuka für den Aufbau einer Datenbank für MDR-Patienten. Dr. Ralf Otto-Knapp hat Honorare der Firmen Novartis, Gilead, Boehringer Ingelheim, Berlin Chemie, Insmed, Astra Zeneca für Vorträge erhalten, die von den genannten Firmen finanziell unterstützt oder organisiert wurden. Die Firmen hatten keinen Einfluss auf die Inhalte der Präsentationen. Prof. Roland Diel hat Honorare der Firmen Bayer, Cepheid, Insmed, Otsuka und Quidel für Vorträge, Beratungstätigkeit oder Forschungsunterstützung erhalten.
Danksagung
Besonderer Dank für die inhaltliche Unterstützung bei der Erstellung des Manuskriptes gilt Barbara Hauer, Robert Koch-Institut, Berlin.
Hinweis: Der Artikel wurde nachträglich um Angaben zu den Interessenkonflikten ergänzt.
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Literatur
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Korrespondenzadresse
Publication History
Article published online:
16 July 2020
© Georg Thieme Verlag KG
Stuttgart · New York
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