Einleitung
Das deutsche Gesundheitswesen befindet sich in einem anhaltenden und tiefgreifenden Veränderungsprozess, der die verschiedenen Bereiche und Akteure unterschiedlich stark betrifft. Der demografische Wandel mit einer alternden Bevölkerung und ein rasanter medizinischer Fortschritt führen zu einer erhöhten Inanspruchnahme und Ausweitung diagnostischer und therapeutischer Verfahren. Die Einführung des German Diagnosis Related Groups (G-DRG)-Systems im Jahr 2004 zieht seither einen bewussten Prozess der Ökonomisierung und möglicherweise auch der Kommerzialisierung der damit verbundenen stationären Krankenversorgung nach sich. Obwohl ein schonender und gezielter Einsatz personeller und materieller Ressourcen auch im stationären Bereich der Krankenversorgung notwendig ist und die DRG-Einführung letztlich hierauf abzielte, wurden die Begleiterscheinungen dieses Steuerungsinstruments wiederholt scharf kritisiert und das pauschalierte Abrechnungssystem ist Gegenstand anhaltender Diskussionen [1 ]
[2 ]
[3 ]. In den direkt an der Patientenversorgung beteiligten Berufsgruppen werden diese Entwicklungen häufig als eine stark zunehmende Arbeitsverdichtung wahrgenommen. Diese subjektiv empfundene Arbeitsverdichtung wird u. a. durch die regelmäßig veröffentlichte Krankenhausstatistik der Deutschen Krankenhausgesellschaft verdeutlicht: Im Zehnjahreszeitraum von 2008–2018 stiegen die Fallzahlen um relative 11 % und die Verweildauer nahm um 12 % ab [4 ]. Insbesondere für die Innere Medizin bedeutsam ist der Anteil von Patienten im Altersbereich über dem 60. Lebensjahr, der 2014 noch bei 51 % lag, von dem aber prognostiziert wird, dass er bis 2030 auf 61 % ansteigen wird [4 ]. Die Behandlung von zunehmend multimorbid und komplex erkrankten Patienten – was sich sowohl auf den fachlichen Hintergrund als auch teilweise auf die sozialmedizinische Konstellation bezieht – erfordert zusätzliche Ressourcen. Eine weitere Belastung für die Patientenversorgung ist die bisher nicht ausreichende Digitalisierung, die das Gesundheitswesen vor große finanzielle und organisatorische Herausforderungen stellt.
Nach einem modernen Verständnis ärztlichen Arbeitens müssen Ärztinnen und Ärzte unterschiedlichste Kompetenzen erfüllen, um Patienten effektiv und umfassend vesorgen zu können. Das Royal College of Physicians and Surgeons of Canada hat diese Kernkompetenzen thematisch geordnet als sog. CanMEDS (Canadian Medical Education Directions for Specialists)-Rollen 1996 erstmal definiert und seither kontinuierlich weiterentwickelt [5 ]. Nach diesem Modell sollte ein medizinischer Experte (engl. „Medical Expert“) neben seiner Fachkompetenz in folgenden 6 Feldern fähig sein: Als Kommunikator (engl. „Communicator“), Teamarbeiter (engl. „Collaborator“), Manager (engl. „Leader“), Gesundheitsführsprecher für die Patienten (engl. „Health Advocate“), lebenslang Lehrender und Lernender (engl. „Scholar“) und als profesionelle/r Ärztin/Arzt (engl. „Professional“).
Ärztliches Arbeiten geht also über das Treffen fachlich fundierter Entscheidungen für den Patienten bzw. die Patientin deutlich hinaus. Durch die ökonomisch getriebene Fokussierung der aktuellen medizinischen Versorgung auf die medizinische Leistungserbringung und durch ein veraltetes System ärztlicher Weiterbildung laufen andere wichtige Bereiche ärztlichen Arbeitens (z. B. Weiterbildung, Kommunikation, Interprofessionalität, Wissenschaftlichkeit) allerdings Gefahr, im Berufsalltag marginalisiert zu werden. Auf Seiten der jungen Ärzteschaft stellen die Feminisierung des Arztberufes und sich wandelnde Rollenbilder zusätzlich hohe Ansprüche bspw. in Bezug auf eine flexible Arbeitszeitgestaltung und ambulante Arbeits- und Weiterbildungsmöglichkeiten [6 ]
[7 ].
Bezogen auf das Fach Pneumologie nehmen die häufigen Krankheitsbilder – hier v. a. die Chronisch Obstruktive Lungenerkrankung (COPD), Pneumonie und das Lungenkarzinom –weltweit an Bedeutung zu oder werden stärker wahrgenommen [8 ]. Fachärztinnen und Fachärzte für Lungenheilkunde werden schon jetzt auf dem Arbeitsmarkt besonders stark nachgefragt [9 ]. Insofern ist es besonders für die aktuellen Entscheidungsträger in der Pneumologie wichtig nachzuvollziehen, welchen der skizzierten vielseitigen Belastungen die jungen Ärztinnen und Ärzte speziell in diesem Fachgebiet ausgesetzt sind und wie sich diese möglicherweise von anderen Fachgebieten unterscheiden [10 ].
Eines der Arbeitsziele der AG YoungDGP ist es, ein besseres Verständnis für die Arbeitsbedingungen der nachkommenden Pneumologinnen und Pneumologen zu schaffen. Ähnlich wie wissenschaftliche Nachwuchsgruppen anderer Fachgesellschaften halten wir einen faktenbasierten Austausch für sinnvoll und ergebnisorientiert, weshalb wir basierend auf den Erfahrungen anderer Gruppen (u. a. Junge Internisten) eine webbasierte Befragung zu den Arbeitsbedingungen unter angehenden Pneumologinnen und Pneumologen durchgeführt haben. Neben der Erfassung eines Status quo zu Arbeitszufriedenheit und Arbeitsbelastung sollen Möglichkeiten zur Verbesserung aufgezeigt werden, die sich am tatsächlichen Bedarf der Zielgruppe orientieren. Diese Befragung und Auswertung knüpft an vorherige Arbeiten direkt an und ergänzt diese durch aktuelle Daten, zusätzliche Befragungsinhalte sowie den Einsatz standardisierter Befragungsinstrumente, die darüber hinaus eine Vergleichbarkeit zu ähnlichen Befragungen in anderen Fachdisziplinen erlauben [10 ]
[11 ]. Unser gemeinsames Ziel ist es, dass diese Erhebung mit dazu beiträgt, dass das Fach Pneumologie für den ärztlichen Nachwuchs attraktiv bleibt und über die Bereitstellung attraktiver Bedingungen am Arbeitsplatz auch weiterhin ausreichend Nachwuchs zur Verfügung steht.
Methoden
Studienpopulation
Die Umfrage richtete sich an alle in pneumologischer Weiterbildung befindlichen Kolleginnen und Kollegen in allen Formen der Versorgung (ambulant und stationär) unabhängig vom aktuellen Arbeitsmodell (Vollzeit/Teilzeit). Die Einladung zur Umfrage wurde per Mail zunächst an alle Mitglieder der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie e. V. (DGP; Ruheständler und Gesundheitsfachberufe ausgenommen) sowie an alle Mitglieder des Bundesverbands der Pneumologen, Schlaf- und Beatmungsmediziner e. V. (BdP) versandt. Die Empfänger der Mail wurden gebeten, den Befragungslink innerhalb ihres Arbeitsorts (z. B. jeweilige Klinik oder Praxis) oder eines anderen, relevanten Netzwerks an die in Frage kommenden Kolleginnen und Kollegen weiterzuleiten und damit als Multiplikatoren zu wirken, um auch über die DGP und den BdP hinaus möglichst viele in Weiterbildung befindliche Kolleginnen und Kollegen für die Teilnahme zu erreichen. Über die beiden E-Mailverteiler wurden nach der initialen Einladung in einem Abstand von 2 und 6 Wochen Erinnerungsmails mit vergleichbarer Aufforderung verschickt. Des Weiteren wurde der Fragebogen über die Homepage der deutschen Gesellschaft für Pneumologie verbreitet und in der Zeitschrift „Pneumologie“ ein Artikel veröffentlicht, der auf die Umfrage verwies. Die Befragung wurde über 2 Monate, vom 16. 09. 2019–17. 11. 2019, durchgeführt.
Für die Befragung wurde die professionelle Online-Umfrageplattform SurveyMonkey© (San Mateo, CA, USA) verwendet. Eine Beratungspflicht seitens der Ethikkommission war aufgrund der Anonymisierung der Fragebögen nicht notwendig.
Fragebogen
Der Fragebogen wurde eigens für die Befragung seitens der AG YoungDGP auf Grundlage der Weiterbildungsumfrage von 2014 der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin [12 ] und nach der Checklist for Reporting Results of Internet E-Surveys (CHERRIES) entworfen [13 ]. Die Themen-/Fragenauswahl richtete sich nach Relevanz für die sich in Weiterbildung befindlichen Kolleginnen und Kollegen und nach bestehender Literatur, insbesondere aus dem deutschen Sprachbereich, um eine Vergleichbarkeit zu gewährleisten [12 ]
[14 ]. Inkludiert wurde das etablierte und validierte Modell beruflicher Gratifikationskrisen [15 ]
[16 ]. Der Gesamtfragebogen wurde nach mehrfachen internen und externen Bewertungen einer Evaluation in Form eines Standard-Pretests als auch mittels kognitiven Pretests (Probing) bei Teilnehmern der DGP-Sommerakademie 2019 unterzogen [17 ]. Die Auswahl der einzelnen Fragen gliederte sich in folgende 7 Themenbereiche:
Demografische Daten (10 Fragen)
Arbeitsbedingungen im Berufsalltag inkl. Digitalisierung (11 Fragen)
Ärztliche Fort- und Weiterbildung (12 Fragen)
Vereinbarkeit von Beruf und Familie (6 Fragen)
Einfluss ökonomischer Erwägungen auf ärztliches Handeln (3 Fragen)
Vereinbarkeit des klinischen Arbeitsalltags mit Forschung und Wissenschaft (4 Fragen)
Modell der beruflichen Gratifikationskrisen zur Messung psychosozialer Arbeitsbelastung (16 Fragen)
Die Anzahl der Fragen pro Teilnehmer variierte in Abhängigkeit der gewählten Antworten zwischen minimal 52 und maximal 62 Fragen, da bestimmte Fragen nur an Teilnehmer mit Kindern gerichtet waren (Bereich Vereinbarkeit von Beruf und Familie) und die Gründe für eine mögliche Unzufriedenheit im Arbeitsalltag bei denjenigen Teilnehmern, die überwiegend oder völlig zufrieden waren, nicht erhoben wurden (Bereich Ärztliche Fort- und Weiterbildung). Die psychosoziale Arbeitsbelastung wurde mit dem Modell der beruflichen Gratifikationskrisen (engl. „Effort-Reward-Imbalance Model“/ERI Model) abgebildet, das die Skalen Aufwand, Belohnung und Verausgabungsneigung umfasst. Zur quantitativen Einschätzung der jeweiligen Ausprägung wurde die Kurzversion des ERI-Fragebogens eingesetzt (16 Fragen/Items: Skala Aufwand/engl. „Effort“ mit 3, Skala Belonung/engl. „Reward“ mit 7 und Skala Verausgabungsneigung/engl. „Overcommitment“ mit 6 Items; jeweils erfasst mit einer 4-Punkte-Likert-Skala) [18 ]. Über die Relation zwischen Aufwand und Belohnung erfolgt eine quantitative Einschätzung der beruflichen Gratifikationskrise in Form des Gratifikationskrisenquotienten bzw. der Effort/Reward (ER)-Ratio [16 ]
[18 ]
[19 ]. Eine ungünstige psychosoziale Arbeitsbelastung wird bei einer ER-Ratio > 1 angenommen.
Teilnehmer, die nur die ersten beiden Themenfelder oder weniger beantworteten, wurden nicht in die Analyse einbezogen. Der komplette Fragebogen ist online unter https://zukunft.pneumologie.de/unterstützung_der_dgp/ag_youngdgp einsehbar.
Statistik
Wenn nicht anders angegeben, wurden deskriptive Daten als Mittelwert ± Standardabweichung oder als Häufigkeiten (Prozent) berichtet. Kontinuierlich und normal verteilte Variablen wurden zwischen 2 Gruppen mittels t-Tests verglichen. Bei nicht normalverteilten Variablen wurde der Mann-Whitney-U-Test verwendet. Diskret (nominal) verteilte Variablen wurden mithilfe des Chi-Quadrat-Tests analysiert. Alle Tests wurden zweiseitig durchgeführt. Bei Vergleich von mehr als 2 Gruppen wurde ein ANOVA- bzw. der Kruskal-Wallis-Test angewandt. Bei einem p-Wert < 0,05 wurde von einem statistisch signifikanten Unterschied ausgegangen. Zur statistischen Auswertung der erhobenen Daten wurden die Programme SPSS 25.0 (SPSS Inc., Chicago, USA) und R (https://www.r-project.org , v3.6.1) verwendet.
Ergebnisse
Teilnahmequote
Die Einladung zur Umfrage wurde an n = 3178 Mitglieder der DGP (gesamter Verteiler der DGP mit Ausnahme der Ruheständler und Gesundheitsfachberufe) und n = 946 Mitglieder des BdP verschickt. Der Umfragelink wurde von n = 869 Personen aktiviert. Bei n = 568 Personen wurde die Umfrage direkt nach der ersten Frage („Sind Sie Arzt/Ärztin in klinischer Weiterbildung zum Facharzt für Innere Medizin und/oder Pneumologie?“) beendet, da diese nicht oder mit „Nein“ beantwortet wurde. Weitere n = 77 Fragebögen wurden aufgrund einer zu hohen Anzahl fehlender Werte ausgeschlossen. Insgesamt wurden n = 224 Fragebögen in die Auswertung einbezogen.
Zum Zeitpunkt der Befragung umfasste die Mitgliederdatenbank der DGP n = 451 Ärztinnen und Ärzte, die ihren Status entweder als „Arzt/Ärztin in Weiterbildung“ (n = 248), „Arzt/Ärztin“ (n = 176), bzw. „angestellte/r“ Arzt/Ärztin in MVZ/Praxis (n = 25) oder „teilzeitbeschäftigt“ (n = 2) bezeichnet haben. Bei n = 224 komplett bearbeiteten Fragebögen ergibt sich damit eine fiktive Rücklaufquote von 49,7 % (224/451). Bei der Umfrage gaben n = 99 (54,7 %) Teilnehmer*innen an, durch die DGP zur Umfrage eingeladen worden zu sein, während n = 6 (3,3 %) durch den BdP, n = 2 (1,1 %) sowohl durch DGP als auch BdP und n = 74 (40,9 %) auf anderen Wegen von der Umfrage erfahren hatten (n = 43 fehlende Werte). Bezogen auf den Anteil der Teilnehmer*innen, die durch die DGP zur Umfrage eingeladen wurden, ergibt sich somit eine Rücklaufquote von 22,4 % (101/451).
Basisdaten
50,9 % der Teilnehmer*innen der Umfrage kamen aus den 3 bevölkerungsstärksten Bundesländern (Nordrhein-Westfalen: 23,2 %; Bayern: 14,1 % und Baden-Württemberg: 13,6 %), die in ihrer Summe 50,7 % der deutschen Bevölkerung repräsentieren (42,1 Mio/83,0 Mio Einwohner) [20 ]. Die 3 bevölkerungsärmsten Bundesländer waren entweder nicht (Mecklenburg-Vorpommern) oder mit < 2 % der Teilnehmer*innen an der Umfrage beteiligt (Saarland, Bremen). Die restlichen 10 Bundesländer waren mit anteiligen Häufigkeiten zwischen 2 % und 10 % repräsentiert. Die erhobenen Basisdaten der Teilnehmer*innen sind in [Tab. 1 ] dargestellt.
Tab. 1
Basisdaten der Teilnehmer der Onlinebefragung.
Gesamt
n = 224
Geschlecht
♀ vs. ♂
122 (54,4 %) vs. 102 (45,5 %)
Alter
In Jahren
33,8 ± 4,5
Weiterbildungsjahr
In Jahren
5,4 ± 2,9
Nationalität
deutsch vs. andere
191 (86,8 %) vs. 29 (13,2 %)
Kinder im Haushalt
Nein vs. Ja
115 (58,4 %) vs. 82 (41,6 %)
Zeitliche Arbeitsweise
Voll- vs. Teilzeit
173 (84,8 %) vs. 31 (15,2 %)
Voll- vs. Teilzeit
82 (74,5 %) vs. 28 (25,5 %)[* ]
Voll- vs. Teilzeit
91 (96,8 %) vs. 3 (3,2 %)[* ]
Angestrebte Facharztqualifikation
Innere Medizin
28 (12,5 %)
Innere Medizin & Pneumologie
104 (46,4 %)
SP Pneumologie
80 (35,7 %)
Andere (Schlafmedizin, Allergologie, Intensivmedizin)
12 (5,3 %)
Trägerschaft des Arbeitgebers
Öffentlich
121 (55,5 %)
Freigemeinnützig
54 (24,8 %)
Privat
43 (19,7 %)
Versorgungstyp
Krankenhausabteilung unter pneumologischer Leitung
107 (47,8 %)
Krankenhausabteilung unter nicht-pneumologischer Leitung
28 (12,5 %)
Spezialisierte Lungenfachklinik
79 (35,3 %)
Praxis/MVZ
10 (4,5 %)
Befristung des Arbeitsverhältnisses
< 1 Jahr
9 (4,4 %)
1–3 Jahre
117 (56,8 %)
3–5 Jahre
43 (20,9 %)
> 5 Jahre
22 (10,7 %)
Unbefristet
15 (7,3 %)
Abhängig von Skalenniveau und Verteilungscharakteristika sind die Ergebnisse als Häufigkeit (n, %) oder Mittelwert ± Standardabweichung angegeben.
Fehlende Werte: Alter (n = 3), Nationalität (n = 4), Kinder im Haushalt (n = 27), Zeitliche Arbeitsweise (n = 20), Trägerschaft (n = 6).
* Die Häufigkeit der Tätigkeit in Vollzeit vs. Teilzeit unterschied sich zwischen männlichen und weiblichen Studienteilnehmer*innen statistisch signifikant (Chi2 -Test, p < 0,001). Bez. der anderen dargestellten Items ergaben sich keine statistisch signifikanten Unterschiede zwischen den Geschlechtern.
Von den Befragten gaben n = 13 (7,1 %) an, bei Berufsbeginn zunächst eine Facharztweiterbildung in einem Gebiet außerhalb der Inneren Medizin angestrebt zu haben, n = 42 (22,8 %) hatten ursprünglich einen anderen internistischen Schwerpunkt außerhalb der Pneumologie angestrebt, n = 67 (36,4 %) gaben an, vor einer Spezialisierung zunächst eine allgemeine internistische Ausbildung anzustreben und n = 62 (33,7 %) entschieden sich direkt von Beginn an für eine Weiterbildung mit dem Schwerpunkt Innere Medizin & Pneumologie. Die aktuellen Karriereziele der Teilnehmer*innen sind in [Tab. 2 ] dargestellt.
Tab. 2
Karriereziele der Befragten differenziert nach Geschlecht und zeitlichem Arbeitsmodus.
Karriereziel
Gesamt
Männer
Frauen
Vollzeit
Teilzeit
Facharzt/-ärztin KH
n (%)
20 (8,9 %)
7 (6,9 %)
13 (10,7 %)
13 (7,5 %)
5 (16,1 %)
Oberarzt/ärztin KH
n (%)
83 (37,1 %)
40 (39,2 %)
43 (35,2 %)
68 (39,3 %)
8 (25,8 %)
Chefarzt/-ärztin KH
n (%)
10 (4,5 %)
5 (4,9 %)
5 (4,1 %)
4 (2,3 %)
2 (6,5 %)
Angestellte/r FA/FÄ in Niederlassung
n (%)
34 (15,2 %)
7 (6,9 %)
27 (22,1 %)
25 (14,5 %)
6 (19,4 %)
Selbstständige Niederlassung als FA/FÄ
n (%)
50 (22,3 %)
24 (23,5 %)
26 (21,3 %)
40 (23,1 %)
8 (25,8 %)
Akademische Laufbahn (Habilitation/Professur)
n (%)
19 (8,5 %)
16 (15,7 %)
3 (2,5 %)
17 (9,8 %)
1 (3,2 %)
Alternative Karriereziele/ Sonstige
n (%)
8 (2,8 %)
3 (2,9 %)
5 (4,1 %)
6 (3,5 %)
1 (3,2 %)
p = 0,002
p = 0,212
Abkürzungen: KH, Krankenhaus; FA/FÄ, Facharzt/Fachärztin.
Gezeigt sind die Karriereziele der Befragten, differenziert nach Geschlecht sowie nach Tätigkeit in Voll- oder Teilzeit (n = 20 Teilnehmer*innen mit fehlenden Abgaben zu dieser Frage). Die Karriereziele unterschieden sich signifikant zwischen Männern und Frauen, nicht aber zwischen Vollzeit- und Teilzeitbeschäftigten (Chi2 -Test mit p < 0,05 als Signifikanzniveau).
Die Karriereziele zwischen Studienteilnehmern mit und ohne Kinder waren ebenfalls nicht signifikant unterschiedlich (Daten nicht gezeigt).
Arbeitsbedingungen und Berufsalltag
In Bezug auf die Arbeitsbedingungen im Berufsalltag gaben 46 % der Befragten an, eher zufrieden oder sehr zufrieden zu sein (103/224), 27 % waren unentschieden (60/224) und 28 % gaben an, eher unzufrieden oder sehr unzufrieden zu sein (61/224) ([Abb. 1 ]). Die Häufigkeit der zufriedenen, unzufriedenen und unentschiedenen Teilnehmer unterschied sich hierbei nicht statistisch signifikant nach dem Geschlecht, dem Vorhandensein von Kindern im Haushalt, der Art des Trägers, dem Beschäftigungsumfang, der Durchführung von Weiterbildungsgesprächen oder dem Vorhandensein eines Weiterbildungscurriculums.
Abb. 1 Allgemeine Zufriedenheit im Berufsalltag.
Die unentschiedenen und unzufriedenen Teilnehmer wurden im Weiteren gebeten, aus vorgegebenen Antwortmöglichkeiten die 3 ihrer Meinung nach wichtigsten Gründe für fehlende Zufriedenheit zu benennen. Die „hohe zeitliche Arbeitsbelastung durch ungeplante Mehrarbeit/Überstunden und unflexible Gestaltung der Arbeit im Tagesverlauf“ war die häufigst gewählte Antwort, gefolgt von „fehlender Ausrichtung der Arbeitsabläufe auf die Bedürfnisse der ärztlichen Berufsgruppe (z. B. hoher Anteil arztfremder Tätigkeiten)“ und „hohem Zeitdruck während der Arbeit (Arbeitsverdichtung)“. „Zu geringe Bezahlung“ war die am seltensten gewählte Antwortmöglichkeit ([Abb. 2 ]). Die Einschätzung, wieviel ihrer täglichen Arbeitszeit die Teilnehmer*innen mit patientennahen (z. B. Visite, Gespräche, Untersuchungen), patientenbezogenen (z. B. Fallkonferenzen, Untersuchungsdokumentation/Briefe) oder patientenfernen bzw. nicht-ärztlichen Tätigkeiten verbringen (z. B. Termine organisieren, DRG-Dokumentation), ist in [Abb. 3 ] dargestellt. N = 100 (82,6 %) der unzufriedenen oder unentschiedenen Teilnehmer waren der Meinung, dass die Qualität der Patientenversorgung unter den zumindest teilweise unzufriedenstellenden Arbeitsverhältnissen leidet, während nur n = 21 (17,4 %) angaben, dass durch persönlichen Einsatz und/oder technologischen bzw. wissenschaftlichen Fortschritt die Qualität der Versorgung unverändert hoch ist oder steigt. Aufgrund ihrer persönlichen Unzufriedenheit haben n = 123 (54,9 %) eine Arbeitszeitreduktion, n = 134 (59,8 %) einen Arbeitsplatzwechsel, n = 57 (25,4 %) eine Aufgabe der ärztlichen Tätigkeit und n = 46 (20,5 %) einen Wohnortwechsel bereits in Erwägung gezogen oder in der Vergangenheit durchgeführt. Bez. der Arbeitszeiterfassung gaben n = 103 (46 %) der Studienteilnehmer an, dass die Arbeitszeit aktuell bereits manipulationsfrei erfasst wird, während n = 121 (54 %) dies verneinten. Während ca. die Hälfte der Teilnehmer (n = 111, 49,6 %) an 2 Wochenenden im Monat arbeitet, arbeiten n = 19 (8,5 %) an 3 oder mehr Wochenenden und n = 94 (42 %) and einem oder weniger Wochenenden.
Abb. 2 Gründe für Unzufriedenheit im Berufsalltag. Die Befragten konnten aus vorgegebenen Möglichkeiten 3 Antworten auswählen, die sie als am wichtigsten/zutreffendsten einschätzten, und diese untereinander priorisieren (Rang 1–3).
Abb. 3 Aufteilung der täglichen Arbeitszeit. a Mittlere Anteile patientennaher, -bezogener und -ferner Tätigkeit. b Häufigkeitsverteilung der Anteile patientennaher, -bezogener und -ferner Tätigkeit.
Digitalisierung
Die Teilnehmer wurden befragt, inwiefern sich die zunehmende Digitalisierung im Gesundheitswesen und im Krankenhaus auf den Arbeitsalltag auswirkt und wurden gebeten, den Einfluss auf die eigene Arbeitszeit und die Patientenversorgung auf einer Skala von – 5 (maximale negative Auswirkung) bis + 5 (maximale positive Auswirkung) zu bewerten. Bez. der Arbeitszeit waren n = 36 (16,1 %) der Ansicht, dass sich keine Auswirkungen ergeben, n = 63 (28,1 %) waren der Ansicht, dass sich negative Auswirkungen ergeben, während n = 125 (55,8 %) von positiven Auswirkungen ausgingen. Bez. der Patientenversorgung bemerkten n = 45 (20,1 %) keine Auswirkungen, n = 49 (21,9 %) waren der Ansicht, dass sich negative Auswirkungen ergeben, während n = 130 (58,0 %) von positiven Auswirkungen ausgingen. ([Abb. 4 ]). N = 19 (8,5 %) Studienteilnehmer gaben an, dass sie von ihrem jeweiligen Arbeitgeber Schulungen zu technischen Geräten und im Betrieb befindlicher Software angeboten bekommen und die Teilnahme hieran gefördert wird, während n = 137 (61,2 %) berichteten, dass dies zwar möglich sei, aber aufgrund der Arbeitsbedingungen nicht regelhaft in Anspruch genommen werden kann. N = 69 (30,4 %) gaben an, dass gar kein adäquates Schulungsangebot besteht.
Abb. 4 Einfluss der Digitalisierung. a Einfluss auf die eigene Arbeitszeit. b Einfluss auf die Patientenversorgung.
Weiterbildungsqualität
Von den Teilnehmern der Studie berichteten n = 128 (61,2 %), dass ihr Arbeitsvertrag auf 3 oder weniger Jahre befristet ist. Über einen unbefristeten Arbeitsvertrag verfügten lediglich n = 15 (7,3 %), während der aktuelle Arbeitsvertrag bei den restlichen Teilnehmern auf 3–5 (n = 43, 20,9 %) bzw. über 5 Jahre (n = 22 (10,7 %) befristet war. Von den Befragten gaben n = 162 (78,6 %) an, dass in ihrer Klinik/Abteilung die Einteilung in die für die Facharztweiterbildung notwendigen Rotationen meist erst kurzfristig entschieden wird. Von den in Teilzeit tätigen Teilnehmern (n = 31) berichteten n = 14 (45,2 %), dass sie sich im Hinblick auf das Fortkommen in ihrer Weiterbildung durch die Teilzeittätigkeit benachteiligt fühlen, während n = 17 (54,8 %) diesen Eindruck nicht hatten. N = 115 (55,8 %) Teilnehmer erwarteten, dass sie am Ende der Regelweiterbildungszeit die vorgeschriebenen Weiterbildungsinhalte absolviert und erlernt haben werden, während n = 91 (44,2 %) dies bezweifelten. Ein strukturiertes Weiterbildungsgespräch findet bei n = 78 (37,9 %) Teilnehmer*innen in der geforderten Regelmäßigkeit statt, während es bei n = 26 (12,6 %) gar nicht und bei n = 102 (49,5 %) entweder unregelmäßig stattfindet oder als wenig zielführend wahrgenommen wird. Die von den Teilnehmern als besonders effektiv und gewinnbringend eingeschätzten Weiterbildungsinstrumente sind in [Abb. 5 ] dargestellt.
Abb. 5 Als effektiv eingeschätzte Weiterbildungsinstrumente. Die Befragten konnten aus vorgegebenen Möglichkeiten 3 Antworten auswählen, die sie als am wichtigsten/zutreffendsten einschätzten, und diese untereinander priorisieren (Rang 1–3).
Beruf und Familie
Die Fragen zur Vereinbarkeit von Beruf und Familie wurden an diejenigen Teilnehmer gerichtet, die mit mindestens einem Kind in ihrem Haushalt leben (n = 82, 41,6 %). Von diesen fühlten sich n = 20 (24,4 %) durch ihren Arbeitgeber unterstützt (z. B. durch flexible Arbeitszeitmodelle), während n = 31 (37,8 %) eine nur teilweise Unterstützung empfanden und ebenfalls n = 31 (37,8 %) keinerlei Unterstützung empfanden. Eine betriebliche Kinderbetreuung wird von n = 18 (22 %) der Teilnehmer in Anspruch genommen, während n = 30 (36,6 %) berichteten, dass dieses Angebot zwar prinzipiell besteht, aber für die eigenen Kinder nicht nutzbar ist. N = 34 (41,5 %) verneinten das Angebot einer Kinderbetreuung seitens des Arbeitgebers komplett. Von einem Arbeitszeitmodell, das nicht mit dem Kinderbetreuungsmodell vereinbar ist, berichteten ferner n = 38 (46,3 %) der Studienteilnehmer. Die für die als mangelhaft empfundene Vereinbarkeit von Beruf und Familie angegebenen Gründe sowie Vorschläge, wie dies verbessert werden könnte, sind in [Abb. 6 ] dargestellt.
Abb. 6 Vereinbarkeit von Beruf und Familie. a Gründe für eine schlechte Vereinbarkeit von Beruf und Familie, erhoben von denjenigen Befragten mit Kindern, die zuvor angegeben hatten, dass sich die Kinderbetreuung nur schlecht mit den Arbeitszeiten vereinbaren lässt. b Faktoren, die einen positiven Einfluss auf die Vereinbarkeit von Beruf und Familie haben oder diese verbessern, erhoben von allen Befragten. Die Befragten konnten aus vorgegebenen Möglichkeiten 3 Antworten auswählen, die sie als am wichtigsten/zutreffendsten einschätzten, und diese untereinander priorisieren (Rang 1–3).
Einfluss ökonomischer Faktoren auf das ärztliche Handeln
Auf die Frage, ob eine gesonderte Information über die Verweildauer der behandelten Patienten erfolgt, z. B. durch Informationen aus dem Controlling oder Anzeigen im jeweiligen Klinikinformationssystem, antworteten n = 115 (59,6 %) mit „Ja“ und n = 78 (34,8 %) mit „Nein“. Von denen, die mit „Ja“ antworteten, hatte die Hälfte (n = 57, 49,6 %) den Eindruck, dass diese Information die Entlasszeitpunkte der behandelten Patienten fern der rein medizinisch-fachlichen Erwägungen beeinflusst. Eine Unterstützung durch einen Case Manager erfahren n = 86 (44,6 %) der befragten Ärzte in ihrem Alltag, während n = 107 (55,4 %) dies verneinten.
Vereinbarkeit von klinischem Alltag und wissenschaftlicher Aktivität
Von den Befragten gaben n = 108 (56,3 %) an, bereits promoviert zu sein, während n = 55 (28,6 %) eine Promotion aktuell oder zukünftig anstreben und n = 29 (15,1 %) dieses Ziel nicht verfolgen. N = 76 (39,6 %) gaben an, aktuell wissenschaftlich tätig zu sein, während n = 116 (60,4 %) derzeit keine wissenschaftlichen Aktivitäten verfolgen. Die nicht wissenschaftlich tätigen Teilnehmer begründeten dies am häufigsten mit fehlender Zeit oder anderer Priorisierung der Arbeitszeit (n = 80, 69 %). Weitere Gründe hierfür waren die fehlende Möglichkeit in der jeweiligen Klinik (n = 19, 16,4 %), die fehlende Bedeutung für die eigene berufliche Entwicklung (n = 6, 5,2 %) oder das fehlende wissenschaftliche Interesse im Allgemeinen (n = 9, 7,8 %). Die wissenschaftlich Aktiven waren mit den dafür gebotenen Bedingungen zu 5,3 % (n = 4) sehr zufrieden, zu 27,6 % (n = 21) eher zufrieden, zu 47,4 % eher unzufrieden (n = 36) und zu 19,7 % sehr unzufrieden (n = 15). Die mit ihrer wissenschaftlichen Tätigkeit nicht vollends zufriedenen Teilnehmer*innen (n = 72) gaben als häufigste Gründe hierfür an, dass ein Großteil der Forschung in der Freizeit erfolgt (n = 66, 76,4 %), gefolgt von zu wenig Unterstützung/Anleitung durch Vorgesetzte/Betreuer und mangelnder materieller/personeller Unterstützung der Forschung durch die Klinik/Abteilung ([Abb. 7 ]).
Abb. 7 Ursachen von Unzufriedenheit mit wissenschaftlicher Tätigkeit. Die Befragten konnten aus vorgegebenen Möglichkeiten 3 Antworten auswählen, die sie als am wichtigsten/zutreffendsten einschätzten, und diese untereinander priorisieren (Rang 1–3).
Modell der beruflichen Gratifikationskrise
Der Gratifikationskrisenquotient (Synonym: ER-Ratio) bestimmt sich aus dem Verhältnis des erbrachten Aufwands und der erfahrenen Belohnung. Der zur Erfassung genutzte Fragebogen ist einzusehen unter: https://zukunft.pneumologie.de/unterstützung_der_dgp/ag_youngdgp . Die ER-Ratio lag über alle Befragten hinweg bei 1,34 ± 1,31 ([Abb. 8 ]); hierbei zeigen ER-Ratio-Werte > 1 ein ungünstiges Verhältnis zwischen Aufwand und Belohnung an. N = 166 (88,3 %) Befragte hatten eine ER-Ratio von 1,0 oder größer, n = 12 (6,4 %) hatten eine ER-Ratio von 2,0 oder größer. Die ER-Ratio unterschied sich statistisch signifikant zwischen männlichen und weiblichen Teilnehmern (1,27 ± 1,30 vs. 1,39 ± 1,31; p = 0,02) und zwischen solchen mit Kindern und ohne Kinder (1,28 ± 1,31 vs. 1,38 ± 1,31; p = 0,04). Außerdem waren die Werte für die ER-Ratio signifikant unterschiedlich zwischen solchen Teilnehmern, bei denen Weiterbildungsgespräche im Rahmen der Facharztausbildung regelmäßig, unregelmäßig bzw. nicht zielführend oder gar nicht stattfinden (1,20 ± 1,28 vs. 1,39 ± 1,24 vs. 1,59 ± 1,47; p < 0,001). Auch zwischen Teilnehmern mit und ohne (1,23 ± 1,28 vs. 1,37 ± 1,31; p = 0,02) festes Weiterbildungscurriculum unterschied sich die ER-Ratio signifikant.
Abb. 8 Effort-Reward (ER)-Ratio (Gratifikationskrisenquotient). a Häufigkeitsverteilung der ER-Ratio. b Darstellung der jeweiligen Skalenwerte für Effort (Aufwand) und Reward (Belohnung), je auf einer adjustierten Skala von 0 (minimaler Wert) bis 100 (maximaler Wert). Um eine einfachere Lesbarkeit herzustellen, wurde die Überlappung der Datenpunkte durch Hinzufügen eines zufälligen Rauschens (random jitter) vermindert.
Die ER-Ratio unterschied sich nicht statistisch signifikant in Bezug auf die Weiterbildungszeit (< 3 vs. 3–5 vs. > 5 Jahre), die Tätigkeit in Vollzeit oder Teilzeit, das Karriereziel, die Organisationsform des Arbeitgebers (Lungenfachklinik, pneumologisch/nicht-pneumologisch geleitete Krankenhausabteilung), die Trägerschaft (öffentlich, frei gemeinnützig, privat) oder eine befristete Vertragsgestaltung (p > 0,05).
Um eine Vergleichbarkeit der hier erhobenen ER-Ratio mit Befragungen anderer Fachgesellschaften herzustellen, erfolgte ergänzend eine Adjustierung der erhobenen Werte für Effort und Reward (jeweils auf einer Skala von 0 [Minimum] bis 100 [Maximum]) [12 ]
[14 ]. Die sich hieraus ergebenden Werte für die ER-Ratio sind für die Gesamtgruppe 1,89 ± 2,18, für die männlichen Studienteilnehmer 1,81 ± 2,35 und für die weiblichen Studienteilnehmer 1,97 ± 2,04.
Die separat von Aufwand und Belohnung gemessene Verausgabungsneigung (Overcommitment) zeigte sich bei den von uns Befragten mittelstark ausgeprägt (55,6 ± 18,8 auf einer adjustierten Skala von 0–100, [Abb. 9 ]).
Abb. 9 Verausgabungsneigung (Overcommitment). Häufigkeitsverteilung der Skalenwerte für die Verausgabungsneigung, dargestellt auf einer adjustierten Skala von 0 (minimaler Wert) bis 100 (maximaler Wert).
Diskussion
In dieser Befragung berichten wir Ergebnisse zur Arbeitszufriedenheit und Weiterbildungsqualität junger Pneumologinnen und Pneumologen. Die deskriptiven Angaben der Stichprobe in Bezug auf Alter, Geschlecht, Weiterbildungsjahr, Weiterbildungsziel, das Vorhandensein von Kindern im Haushalt, aber auch in Bezug auf den Tätigkeitsumfang sowie auf die geografische Verteilung der Teilnehmer deuten an, dass wir die Grundgesamtheit der an einer pneumologischen Weiterbildung interessierten jungen Internistinnen und Internisten ausreichend gut abbilden. Bemerkenswert ist dabei, dass nur ca. ein Drittel der Umfrageteilnehmer schon zu Beginn ihrer ärztlichen Tätigkeit das Weiterbildungsziel „Pneumologe/Pneumologin“ angestrebt hatte, während ein weiteres Drittel zunächst eine allgemeine internistische Ausbildung anstrebt und ein weiteres Drittel zunächst eine andere Facharztqualifikation innerhalb oder sogar außerhalb der Inneren Medizin angestrebt hatte. Im Vergleich zu anderen Fachdisziplinen scheint die Festlegung auf das Fach Pneumologie erst spät zu erfolgen, was einerseits die grundsätzliche Attraktivität des Fachs im gelebten Alltag belegt, allerdings auch Schwächen bez. der Sichtbarkeit des Fachs bei angehenden Medizinerinnen und Medizinern in der Berufsorientierungsphase offenbart. Ähnlich bemerkenswert ist, dass unter den Befragten weniger als ein Viertel als Karriereziel die Niederlassung in eigener Praxis anstreben, während ca. die Hälfte der Teilnehmer eine Kliniklaufbahn anstreben. Die angestellte Tätigkeit in der Niederlassung ist ein seit der Einführung der Medizinischen Versorgungszentren (MVZ) relativ neues Berufsmodell, das besonders die weiblichen Befragten anzustreben scheinen. Diese vermehrte Nachfrage hat auf der anderen Seite eine Entsprechung in der vermehrten Überführung von freiniedergelassenen KV-Sitzen in MVZs. Eine akademische Karriereplanung mit Habilitation und Professur scheint auch in dieser Befragung der unter 40-Jährigen ein Karriereziel zu sein, das primär von männlichen Befragungsteilnehmern angestrebt wird. In Einklang mit diesen unterschiedlichen Karrierezielen unterscheidet sich auch die Häufigkeit der in Teilzeit arbeitenden Umfrageteilnehmer zwischen den Geschlechtern (Männer 3,2 %, Frauen 25,3 %), was sich am ehesten durch ein klassisches Kindererziehungsmodell erklären lässt (41,6 % der Befragten geben im Haushalt lebende Kinder an). Zur historischen Entwicklung der Lungenmedizin in Deutschland passt, dass ca. ein Drittel der Befragten in spezialisierten Lungenfachkliniken tätig ist, was die besondere Struktur der pneumologischen Versorgungs- und Weiterbildungslandschaft unterstreicht. Trotz der häufig eher hohen Autonomie von Lungenfachkliniken im Vergleich zu anderen Krankenhaus- und Versorgungsstrukturen scheint das Karriereziel „Chefarzt“ eine untergeordnete Rolle zu spielen (4,5 %), wobei zu bemerken ist, dass es hier keine Unterschiede zwischen den Geschlechtern gibt.
Zur systematischen Betrachtung von Ursachen-Wirkungs-Beziehungen von Einflüssen am Arbeitsplatz kann das Belastungs-Beanspruchungs-Modell nach Rohmert und Rutenfranz herangezogen werden [21 ]. Belastung wird definiert als äußerer Einfluss und Beanspruchung als unmittelbare Auswirkung dieser Belastungen im Individuum. Die Begrifflichkeiten sind dabei neutral zu verstehen und können positiv oder negativ belegt sein. Ein weiteres weit verbreitetes Konzept aus dem betrieblichen Gesundheitsmanagement bricht diese Ursachen-Wirkungs-Beziehungen auf konkrete Themenfelder des täglichen Arbeitsumfeldes herunter. Das Modell „Haus der Arbeitsfähigkeit“, das von Juhani Ilmarinen in Finnland entwickelt wurde, beruht auf der Grundannahme, dass eine zufriedenstellende Arbeitsfähigkeit gegeben ist, wenn Menschen mit ihren persönlichen Ressourcen ihre Arbeitsanforderungen gut bewältigen können [22 ]. Dieses wechselseitige aufeinander Einstellen muss auch unter optimalen Bedingungen immer wieder neu austariert werden, da sich das Arbeitsumfeld und die persönlichen Ressourcen regelmäßig ändern.
Die vorliegende Arbeit gibt einen Überblick über Belastungen und Beanspruchungen aus verschiedenen wichtigen Bereichen im Arbeitsleben junger Ärztinnen und Ärzte in der Pneumologie, die nach den Ebenen des Modells „Haus der Arbeitsfähigkeit“ kurz dargestellt und im Kontext der aktuellen Literatur diskutiert werden.
Gesundheit und Leistungsfähigkeit
Die physische und psychische Gesundheit der Arbeitnehmer ist Grundvoraussetzung für die Arbeitsfähigkeit. Als Maß für die psychosoziale Arbeitsbelastung wurde in dieser Untersuchung der validierte Fragebogen des Modells beruflicher Gratifikationskrisen angewendet. Der durchschnittliche nicht adjustierte ER-Quotient betrug unter den Teilnehmern der Befragung 1,35 (adjustiert 1,89) und für 88 % war ein Wert über 1 zu bestimmen. Diese Befunde sind als ein deutliches Überwiegen der Belastungsfaktoren zu interpretieren. Ein Vergleichswert aus einer repräsentativen Stichprobe der deutschen Bevölkerung wurde mit 0,6 erhoben [23 ]. In Befragungen der letzten Jahre unter jungen Ärztinnen und Ärzten aus anderen Fachbereichen in Deutschland wurden folgende adjustierte ER-Quotienten erhoben (alpabetisch sortiert, Jahr der Erhebung in Klammern): Anästhesie 1,6 (2015, [24 ]) und 1,3 (2017, [25 ]), Gynäkologie 1,8 (2016, [26 ]), HNO 2,2 (2019, [27 ]), Innere Medizin 1,9 (2014, [24 ]) und 1,8 (2016, [14 ]), Radiologie 1,7 (2018, [28 ]) und Urologie 1,4 (2015, [29 ]).
Eine hohe psychosoziale Arbeitsbelastung kann ungünstige Auswirkungen haben. So ist eine Korrelation insbesondere mit psychischen Erkrankungen wie Depression und chronischer Erschöpfung (Burnout) beschrieben [16 ]
[30 ]
[31 ]. In einer weiteren Untersuchung wurde eine erhöhte Personalfluktuation in Verbindung mit Gratifikationskrisen beschrieben [32 ]. Zuletzt gibt es Hinweise auf eine reduzierte Versorgungsqualität in Verbindung mit hoher psychosozialer Arbeitsbelastung [33 ]
[34 ]
[35 ]. In dieser Umfrage wurden besonders hohe Werte für den ER-Quotienten bei Teilnehmern gesehen, deren Weiterbildungsgespräche unregelmäßig oder gar nicht stattfinden und die nicht auf ein festes Weiterbildungscurriculum zurückgreifen können. Diese veränderlichen Einflussfaktoren liegen klar in der Verantwortung der Weiterbilder bzw. Weiterbildungseinrichtung und deren Verbesserung könnte entsprechend nicht nur zu einer Reduktion der Gesundheitsgefahren der jungen Kolleginnen und Kollegen führen, sondern auch zu einer besseren Versorgungsqualität und geringeren Personalfluktuation. Zu bemerken ist hierbei, dass über die Hälfte der hier befragten Teilnehmer bereits über eine Arbeitszeitreduktion oder Arbeitsplatzwechsel nachgedacht haben und sogar ein Viertel über eine Aufgabe der ärztlichen Tätigkeit. Die Tatsache, dass außer Geschlecht und dem Vorhandensein von Kindern im Haushalt andere wenig beeinflussbare Faktoren wie die Trägerschaft und Organisationsform des Krankenhauses oder der Beschäftigungsumfang keinen Einfluss auf den ER-Quotienten hatten, betonen zusätzlich die Bedeutung einer strukturieren und klar organisierten Weiterbildung durch die verantwortlichen Personen.
Kompetenz
Eine fortlaufende Qualifikation und Weiterbildung sowie das Erlernen neuer Kompetenzen und Fähigkeiten ermöglichen Arbeitnehmern eine souveräne Begegnung mit den Anforderungen und Herausforderungen im Arbeitsalltag. Die ärztliche Weiterbildung ist die entscheidende Phase hin zur Entwicklung eines/einer selbstständigen und in seinem/ihrem Tätigkeitsgebiet kompetenten Facharztes bzw. Fachärztin. Merkmale der aktuellen Weiterbildung sind eine vorrangige Zeit- und nachrangige Kompetenzbasierung, wenig Supervision und Kontrolle des Lernfortschritts innerhalb der Weiterbildungszeit sowie ein überwiegendes „Learning by Doing“ [36 ]. Auch die Daten aus dieser Erhebung zeichnen ein ähnliches Bild. Auf eine unzureichende Weiterbildungsstruktur deuten u. a. befristete Arbeitsverträge (61 % 3 oder weniger Jahre), nicht zu Beginn der Weiterbildung geplante Rotationen (79 %) und unregelmäßige bzw. nicht stattfindende Weiterbildungsgespräche (62 %) hin. Als wichtigste Instrumente für eine effektive Weiterbildung bewerten Teilnehmer dieser Befragung entsprechend auch ein stärkeres Maß an Supervision, Mentoring und ein strukturiertes Curriculum. Der Wunsch nach einer engeren Supervision wurde in dieser Umfrage höher bewertet als die Teilnahme an internen und externen Fortbildungen und Kongressen, was deren Wertigkeit nicht schmälern soll, wohl aber die persönliche Verbindung zwischen Weiterbilder oder Weiterbilderin und den in Weiterbildung befindlichen Kolleginnen und Kollegen unterstreicht. Diese Befunde sind aus Befragungen unter jungen Ärztinnen und Ärzten anderer Fachbereiche ebenfalls beschrieben [14 ]
[26 ]
[28 ]. Mehr Struktur in der Weiterbildung hat dabei messbare positive Effekte. Sie korreliert nach Analysen dieser Erhebung und anderen Befragungen (Ergebnisse aus Befragungen unter jungen Internistinnen und Internisten sowie jungen Radiologinnen und Radiologen [14 ]
[28 ]) mit einer niedrigeren psychosozialen Arbeitsbelastung.
Ob und in welchem Umfang die Anpassungen der Neuen Musterweiterbildungsordnung (NMWBO), deren Umsetzung in einigen Landesärztekammern bereits begonnen hat, Besserung bringen wird, bleibt abzuwarten, da sich die Umstände (z. B. personelle und finanzielle Ressourcen), unter denen Weiterbildung aktuell im Krankenhaus stattfindet, durch eine neue Weiterbildungsordnung nicht ändern werden. Zusätzlich legen die aktuelle und künftige Weiterbildungsordnung einen fast ausschließlichen Fokus auf die medizinisch-fachlichen Inhalte der Weiterbildung. Wie in der Einleitung beschrieben, finden andere Kompetenzen (s. CanMEDS-Rollenverständnis) wenig Beachtung. Auch diesbezüglich sind Angleichungen an moderne Curricula, wie sie bereits in anderen Ländern wie den Niederlanden oder England seit Längerem praktiziert werden, wünschenswert.
Bei aller Kritik an den aktuellen Weiterbildungsbedingungen wird dennoch eine hohe Qualität der ärztlichen Versorgung in der Breite erreicht. Zum einen bietet das deutsche Gesundheitswesen im internationalen Vergleich überdurchschnittlich gute Ressourcen am Arbeitsplatz, zum anderen sind Ärztinnen und Ärzte überdurchschnittlich leistungsstark und motiviert. Ein weiterer unschätzbarer Wert am deutschen System der Weiterbildung ist die Wahlfreiheit, die es jeder Ärztin und jedem Arzt ermöglicht, sich frei für das Wunsch-Fachgebiet zu entscheiden.
Werte, Einstellungen und Motive
Für eine gute Arbeitsfähigkeit ist es wichtig, dass vermittelte Werte, Einstellungen und Motive bei der Arbeit in Einklang mit den eigenen stehen. Diesbezüglich hat sich durch die Ökonomisierung der Medizin über die letzten Jahre ein gravierendes Spannungsfeld aufgetan. Eine Mehrheit der Befragten dieser Erhebung berichtet bspw. über eine subjektive Beeinflussung der Liegezeit neben fachlich-medizinischen Gründen durch Informationen aus dem Controlling oder Anzeigen im Klinikinformationssystem. Auch aus anderen Erhebungen ergeben sich ähnliche Befunde. So berichten Wehkamp und Naegler in einer qualitativen Untersuchung von 2017 von einer subjektiv nachteiligen Beeinflussung der Patientenversorgung und Arbeitsbedingungen durch wirtschaftliche Rahmenbedingungen und das betriebswirtschaftliche Management [37 ]. Im Gegensatz zur Dominanz ökonomischer Überlegungen in der Patientenversorgung spielen solche Gründe für die Berufswahl unter Studierenden eine untergeordnete Rolle, und auch in dieser Befragung ist die „zu geringe Bezahlung“ die seltenst gewählte Antwortmöglichkeit für eine etwaige Unzufriedenheit der Umfrageteilnehmer [38 ]
[39 ]. Für eine hohe Motivation im Beruf sind freie Handlungsspielräume und Unternehmensziele, mit denen sich die Mitarbeiter identifizieren können, wichtig.
Arbeitsbedingungen
Die generelle Arbeitszufriedenheit wurde durch die befragten Ärztinnen und Ärzte überwiegend neutral bis positiv beurteilt. Der Befund einer erheblichen Ausprägung von Belastungen und Beanspruchungen am Arbeitsplatz (i. e. hoher ER-Quotient) bei gleichzeitig überwiegender Zufriedenheit mit dem Beruf ist z. B. aus einer Sekundärdatenanalyse von Befragungen junger Ärztinnen und Ärzte aus 6 verschiedenen Fachrichtungen bekannt [40 ]. Dies könnte für eine grundsätzlich tiefe Identifikation und Freude am Beruf sprechen. Die wesentlichen Gründe für Unzufriedenheit (hohe zeitliche Arbeitsbelastung, wenig Struktur und Zeitdruck) werden auch regelmäßig in anderen Erhebungen als problematisch beschrieben. Im Marburger Bund-Monitor 2019 berichteten die Befragten (n = 6474) von einer tatsächlichen Wochenarbeitszeit (inkl. Diensten und Überstunden) von im Mittel 52 Stunden [41 ]. 22 % arbeiteten sogar wöchentlich regelhaft mindestens 60 und mehr Stunden. Weiterhin gaben 49 % der Teilnehmer der Marbuger Bund-Befragung an, häufig überlastet zu sein, und 10 % antworteten, ständig an ihre Grenzen zu gehen. In einer weiteren Erhebung auf Initiative des Marburger Bundes Berlin gaben 69 % der Teilnehmer (n = 2060) an, mehrmals täglich (33,9 %) oder ständig (35 %) unter Zeitdruck zu stehen [42 ]. In der hier durchgeführten Befragung unter jungen Pneumologinnen und Pneumologen wurden neben der hohen zeitlichen Arbeitsbelastung durch ungeplante Mehrarbeit (die Befragung erfolgte vor der Corona-Pandemie) und dem hohen Zeitdruck (i. e. Arbeitszeitverdichtung) insbesondere eine fehlende Ausrichtung der Arbeitsabläufe auf die Bedürfnisse der ärztlichen Berufsgruppe als Grund für die Unzufriedenheit angegeben. Ein erheblicher Anteil der täglichen Arbeitszeit (ca. ein Drittel) wird für patientenferne und nicht unmittelbar ärztliche Tätigkeiten/Dokumentation aufgewendet. Im Marburger Bund-Monitor 2019 gaben 60 % der Teilnehmer an, täglich 3 Stunden oder mehr für Verwaltungstätigkeiten und Organisation abseits der rein ärztlichen Tätigkeit aufzuwenden. Eine Arbeitserleichterung ist perspektivisch durch die zunehmende Digitalisierung, bspw. von Dokumentation und Abläufen in der Patientenversorgung, zu erwarten. So schätzen auch die Teilnehmer dieser Erhebung den Einfluss der Digitalisierung auf die eigene Arbeitszeit und Patientenversorgung als überwiegend positiv ein. Allerdings deutet die zweigipflige Verteilung der Antworthäufigkeiten beim Einfluss auf die Arbeitszeit ([Abb. 2 ]) darauf hin, dass eine relevante Gruppe an Personen auch einen spürbaren negativen Einfluss der Digitalisierung auf die eigene Arbeitszeit wahrnimmt, während die Einflüsse der Digitalisierung auf die Patientenversorgung einheitlicher als positiv empfunden werden. Erfahrungen aus der Praxis zeigen, dass die digitale Transformation aktuell durch z. B. Mehrfachdokumentationen in verschiedenen Eingabemasken, Software-Inkompatibilitäten und durch langsame Systeme häufig doch noch einen Mehraufwand bedeutet, was diese Wahrnehmung einiger Befragter erklären könnte. Allerdings scheint die Digitalisierung in der Krankenversorgung immerhin noch schneller stattzufinden als in der Arbeitszeiterfassung, da in der Umfrage lediglich 46 % der Teilnehmer angeben, dass ihre Arbeitszeit manipulationsfrei erfasst wird.
Hohe Belastungen und Beanspruchungen am Arbeitsplatz haben Konsequenzen für Ärztinnen und Ärzte, wie auch für die Patientenversorgung [14 ]
[26 ]
[43 ]
[44 ]. Auf Seiten der Ärztinnen und Ärzte sind ein reduzierter Gesundheitszustand, eine Reduktion der Arbeitszeit und eine Abkehr von der unmittelbaren Patientenversorgung zu bedenken. Für die Patientenversorgung ist eine Reduktion der Behandlungsqualität anzunehmen. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) benennt als fehlerbegünstigende Situationen in der Patientenversorgung passend dazu u. a. die Übernahme unbekannter oder neuer Aufgaben bei fehlender oder unzureichender Supervision, Unerfahrenheit und Zeitdruck. Weitere fehlerbegünstigende Faktoren sind u. a. Müdigkeit, Stress und Krankheit.
Die Belastungen und Verbesserungsbedarfe unterscheiden sich nach den Berufsgruppen in der stationären Versorgung [43 ]. Während Pflegende am häufigsten eine leistungsgerechte Bezahlung, gesetzlich festgelegte Personalschlüssel und eine Verringerung der Arbeitsverdichtung forderten, gaben Ärztinnen und Ärzte eine Verringerung des Dokumentationsaufwandes, der Arbeitsverdichtung und eine strukturierte Weiterbildung als primären Bedarf an.
Die Arbeitsverdichtung lässt wenig Raum für Tätigkeiten außerhalb der Patientenversorgung. Dies ist insbesondere auch für forschende Ärztinnen und Ärzte problematisch. Die Zufriedenheit mit den Forschungsbedingungen war folglich unter den Teilnehmern dieser Erhebung überwiegend niedrig mit dem Hauptgrund, dass Forschung überwiegend in der Freizeit erfolgen muss. Kritik, die die mangelnden zeitlichen Ressourcen für wissenschaftliches Arbeiten thematisiert, wurde auch von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) und dem Wissenschaftsrat geäußert [45 ]. Eine attraktive Möglichkeit, junge Ärztinnen und Ärzte in ihrem wissenschaftlichen Arbeiten zu fördern, die an immer mehr Universitäten etabliert wird, sind sog. Clinical Scientist Programme. Sie sichern eine Finanzierung und teilweise Freistellung von der klinischen Routine für die Forschung.
Das Fundament
Das Fundament nach dem Haus der Arbeitszufriedenheit bilden gesetzliche Rahmenbedingungen, das betriebliche Gesundheitsmanagement und das soziale Umfeld. Gündel et al. sehen als Hauptauslöser für die reduzierte Gesundheit des Krankenhauspersonals gesundheitspolitische Entscheidungen und hier v. a. die Einführung des G-DRG-Systems mit konsekutiver Ökonomisierung und Arbeitsverdichtung [46 ]. Die Autoren fordern mutige und klare Entscheidungen auf der Makroebene, um hier langfristig Druck von den Beschäftigten zu nehmen. Weitere Verantwortung für die Gesundheit von Arbeitnehmern im Krankenhaus tragen, neben den Beschäftigten selbst, auch die Arbeitgeber im Rahmen eines betrieblichen Gesundheitsmanagements und nach dem Sozialgesetzbuch (SGB) VII die gesetzlichen Unfallversicherungen [47 ]. Erfahrungen aus der Praxis zeigen, dass hier wenige Maßnahmen die angestellten Ärztinnen und Ärzte erreichen. Dabei können z. B. moderierte Gesundheitsworkshops nach dem Modell des Hauses der Arbeitszufriedenheit eine strukturierte Analyse der Arbeitsbedingungen und ein gemeinsames Erarbeiten von Lösungswegen bewirken.
Durch sich ändernde Rollenbilder und einen schon jetzt überwiegenden Frauenanteil in der jungen Medizinerschaft steigen die Ansprüche an Arbeitgeber, planbare und flexible Arbeitszeiten zu ermöglichen sowie Arbeiten und Weiterbildung in Teilzeit zu ermöglichen. Die Ergebnisse dieser und anderer Erhebungen deuten auf weiterhin großes Potenzial für mehr Familienfreundlichkeit am Arbeitsplatz hin [14 ]
[26 ]
[28 ]. Insbesondere Kita (Kindertagesstätte)-Öffnungszeiten und -Erreichbarkeit sowie Probleme bei der Kinderbetreuung in Nachtdiensten wurden als Probleme genannt. Besserung zeichnet sich mit der neuen Musterweiterbildungsordnung ab, die mehr ambulante Weiterbildung und Weiterbildung in Teilzeit ermöglichen wird. Dem in dieser Umfrage formulierten Wunsch nach flexibleren und besser planbaren Arbeitszeiten sowie einem IT-Zugang für Home-Office könnte durch den Digitalisierungsschub in der Folge der Corona-Pandemie in Zukunft möglicherweise besser nachgegangen werden.
Limitationen
Bei der Betrachtung der Befunde dieser Untersuchung sind u. a. folgende Limitationen zu bedenken. Der Stichprobenumfang ist mit 224 auswertbaren Fragebögen eher niedrig. Die niedrige Teilnahmequote kann eine Einschränkung der Stichproben-Repräsentativität bedingen, liegt aber im Bereich vergleichbarer Erhebungen, und die deskriptiven Angaben deuten darauf hin, dass eine gute Repräsentation der Grundgesamtheit gegeben ist. Mögliche Selektionsbias könnten sein, dass ggf. mehr unzufriedene Ärztinnen und Ärzte der Einladung zur Befragung gefolgt und dass primär in Fachgesellschaft und Berufsverband organisierte Ärzte/Ärztinnen (mit ggf. bestimmten Charakteristika) befragt worden sind. Außerdem waren nur 4,5 % der Teilnehmer in einer Praxis/MVZ tätig, was zwar in dieser Phase der beruflichen Entwicklung nicht ungewöhnlich ist, die Aussagekraft für den ambulanten Sektor aber einschränkt. Die Kurzversion des Fragebogens zum Modell beruflicher Gratifikationskrisen neigt ferner dazu, deren Ausprägung tendenziell etwas zu überschätzen.