Schlüsselwörter
Hornhautblindheit - Keratoprothese - Osteo-Odonto-Keratoprothese - OOKP - Endoskopie
Einleitung
Die Osteo-Odonto-Keratoprothese (OOKPro) wurde erstmalig 1963 durch Strampelli beschrieben
[1] und wurde seither nur geringfügig modifiziert [2], [3], [4]. Indikation für eine Keratoprothese (KPro) mit biologischer Haptik sind schwerste
Hornhauterkrankungen, die mit
vollständiger Limbusstammzellinsuffizienz, intrastromalen Neovaskularisationen und
vorangegangener, erfolgloser Keratoplastik und instabilem Epithel, z. B. bei absolut
trockenem Auge oder
autoimmunologischer Grunderkrankung. Grundsätzlich wird aufgrund der Invasivität des
Eingriffs ausschließlich bei beidseitiger Erblindung oder hochgradiger Sehbehinderung
(Visus i. d. R.
< 1/20 Lesetafel) nur 1 Auge mittels KPro versorgt [5], [6], [7], [8], [9].
Vor der Entscheidung für dieses aufwendige operative Verfahren ist es wichtig, das
Visuspotenzial des betroffenen Auges abzuschätzen. Eine komorbide, schwere retinale
Pathologie oder
Optikusatrophie macht die i. d. R. mehrzeitige KPro-Implantation ggf. sinnlos. Bei
vollständiger kornealer Eintrübung können auch grobe Netzhautpathologien kaum ausgeschlossen
werden. Mittels
Ultraschall-B-Bild, VEP oder Prüfung des Farbsehens oder entopischer Phänomene (z. B.
Aderfigur) kann lediglich eine unsichere Abschätzung des Visuspotenzials erfolgen.
Während der
Implantation ist die Positionierung des konischen und 6,8 mm großen posterioren Zylinderanteils
durch die 3 – 4 mm kleine Trepanationsöffnung in der Hornhaut durch die nur 3 – 3,5 mm
messende
Optik nur unsicher abschätzbar. Post implantationem sind evtl. erforderliche Revisionseingriffe,
wie die Entfernung einer retroprothetischen Membran (RPM), ebenfalls durch die Geometrie
der
Prothese erschwert. Auch die sonografische Kontrolle der Netzhautperipherie ist durch
die echodichte Zahn-Knochen-Haptik eingeschränkt.
Seit der Erstbeschreibung durch Thorpe 1934, bei der mithilfe eines starren monokularen
Endoskops ein intraokularer Fremdkörper entfernt wurde [10], kam es durch
den Einsatz von Fiberoptiken, verbesserten Lichtquellen und der Videotechnik zur Entwicklung
hochauflösender, flexibler und kleinster Videoendoskope. Diese haben heute für die
Anwendung am
Auge und an der Periokularregion einen minimalen Durchmesser von 0,45 mm und können
damit durch einen 23-G-Trokar, wie er für die Vitrektomie handelsüblich ist, eingesetzt
werden. In dieser
Fallserie wurde analysiert, inwieweit eine Bildgebung mittels Videoendoskop in der
komplexen Keratoprothesenchirurgie eine sinnvolle Anwendung darstellen kann. Insbesondere
wurde untersucht,
ob die Endoskopie zur Verbesserung der präoperativen Papillen- und Netzhautbeurteilung
(Visuspotenzial), der intraoperativen Orientierung bei der Implantation und ggf. bei
später notwendigen
Revisionseingriffen Verwendung finden kann.
Methoden
Es wurden 7 Augen von 6 Patienten (4 Männer, 2 Frauen) im Zeitraum von 2018 bis 2020
untersucht. Das mittlere Alter betrug 66 ± 9 Jahre. Die Endoskopie wurde entweder
präoperativ zur
verbesserten Abschätzung der Visusprognose oder nach Implantation einer Keratoprothese
mit biologischer Haptik und einer Optik nach Hille (Typ 91 G Morcher GmbH, Stuttgart)
durchgeführt.
Es wurde ein gassterilisierbares Endoskop mit semirigider Optik und einem semirigiden
Bildleitsystem mit 3000 Pixeln und 70°-Blickfeld der Firma PolyDiagnost (PD-DS-1086,
PolyDiagnost GmbH,
Hallbergmoos) mit integrierter faseroptischer Beleuchtung in Verbindung mit einem
21,5-Zoll-Monitor verwendet. Der Gesamtdurchmesser der Faser betrug 0,45 mm. Im Rahmen
einer
videoendoskopischen Funduskontrolle zur Abschätzung des Visuspotenzials wurde das
Endoskop nach Core-Vitrektomie über einen 23-G-Trokar in das Auge eingeführt und die
Papille und Makula sowie
der Fundus soweit möglich visualisiert ([Abb. 1 a]). Dabei wurden 23-G-Trokare verwendet (23 G Valved Entry System 1-CT, Alcon Deutschland
GmbH, Freiburg im
Breisgau), deren Lumen einen Durchmesser von 0,5 mm hat und so das unkomplizierte
Einführen der Endoskopoptik erlaubte.
Abb. 1 a Schema der Osteo-Odonto-Keratoprothese in situ und Endoskopie über einen 23-G-Trokar
in der Pars plana. b Unmittelbar nach Implantation der Prothese wird der
korrekte Sitz der Zylinderoptik in der Wirtshornhaut überprüft. Hierbei verdeckt die
Mundschleimhaut und die Haptik der Prothese eine direkte Draufsicht auf die korneale
Trepanationsöffnung durch das Operationsmikroskop. Das Endoskop ermöglicht eine Kontrolle
durch die seitliche Visualisierung. Mundschleimhaut (rot), biologische Haptik (gelb),
Zylinderoptik mit hornhautseitig konischer Form (hellblau), Wirtshornhaut (dunkelblau),
Endoskop mit Lichtquelle (grau).
Bei der Verwendung im Rahmen der KPro-Implantation [11] wurde kein Trokarsystem eingesetzt, da diese während des Eingriffs evtl. störend
gewesen wären. Nach
Mobilisation der Mundschleimhaut, Trepanation der Hornhaut und Einbringen des konischen
Optikteils hinter die Hornhaut wurde das Ende der Faseroptik in den Spalt zwischen
Hornhaut und Prothese
geführt, um die korrekte Positionierung der KPro zu verifizieren ([Abb. 1 b]).
Nach Implantation einer Keratoprothese erfolgte die Entfernung einer RPM mittels 23-G-Vitrektomie
unter visueller Kontrolle durch den optischen Zylinder sowie über das Videoendoskop
zur
Visualisierung der Prothesenoptik aus der intraokularen Perspektive. Hierfür wurde
das Videoendoskop über einen 23-G-Trokar (23 G Valved Entry System 1-CT, Alcon Deutschland
GmbH, Freiburg im
Breisgau) intraokular eingeführt. Alle Eingriffe wurden durch denselben Operateur
(GG) durchgeführt.
Ergebnisse
Die Grunderkrankung, Eingriffsart und Ergebnisse der 6 Patienten sind in [Tab. 1] zusammengefasst. Bei 2 Patienten (3 Augen) wurde die Videoendoskopie zur
Abschätzung des visuellen Potenzials vor der Indikationsstellung zur KPro durchgeführt.
Im 1. Fall handelte es sich um einen 64-jährigen Mann mit beidseitiger vollständiger
Limbusinsuffizienz
und Z. n. mehrfacher, perforierender Keratoplastik nach Kalkverätzung vor 6 Jahren.
Der Visus betrug rechts und links Handbewegung. Rechts bestand eine Aphakie und links
Pseudophakie. Trotz
Verdacht auf beginnende Phthisis links drängte der Patient auf die Durchführung einer
Keratoprothese. Entsprechend dem Patientenwunsch erfolgte eine Funduskopie mittels
diagnostischer
Endoskopie. Auf dem rechten Auge zeigte sich die Papille blass und terminal exkaviert
([Abb. 2]) und die Makula mit großflächigen Exsudaten. Auf dem linken Auge
zeigten sich unter Ölfüllung zahlreiche Traktionsfalten und retinale Hämorrhagien.
Aufgrund der Ölfüllung und traktiven Netzhautveränderung war auch die endoskopische
Beurteilung unsicher.
Papille oder Makula waren intraoperativ nicht darstellbar. Aufgrund des geringen Visuspotenzials
wurde von einer KPro-Implantation Abstand genommen. Der Patient akzeptierte das Vorgehen
nach
eingehender Erläuterung des endoskopischen Befundes.
Tab. 1 Anwendungsbereich der Endoskopie, Demografie und Vorerkrankung der Patienten, Resultat
der Endoskopie. Es wurden 7 Augen von 6 verschiedenen Patienten
mittels Endoskopie untersucht. Es wurde ein Endoskop mit semirigider Optik und einem
Bildleitsystem mit 3000 Pixeln und 70°-Blickfeld der Firma PolyDiagnost verwendet.
Bei 2 Patienten
wurde die Endoskopie präoperativ zur Abschätzung des visuellen Potenzials vor einer
eventuellen KPro-Implantation durchgeführt. Bei 2 Patienten Endoskopie während der
Implantation einer
Keratoprothese mit biologischer Haptik (Osteo-Odonto-Keratoprothese, Tibia-Keratoprothese),
bei 2 Patienten Endoskopie bei einem Revisionseingriff zur Entfernung einer retroprothetischen
Membran.
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Fall
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Alter/Geschlecht
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Grunderkrankung
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Visus präOP (postOP)
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Endoskopieeinsatz
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Ergebnis
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OOKP: Osteo-Odonto-Keratoprothese; TKpro: Tibia-Keratoprothese; RPM: retroprothetische
Membran; bds.: beidseits; FZ: Fingerzählen; HBW: Handbewegung; LS: Lichtschein; GvHD:
Graft-versus-Host-Erkrankung
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1
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64 J. m
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bds. Limbusstammzellinsuffizienz, Z. n. Verätzung
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bds.:
HBW
(HBW)
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beide Augen:
präoperativ Abschätzung des Visuspotenzials
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bds. infauste Prognose und kein Visuspotenzial, keine Implantation einer KPro geplant
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2
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53 J. m
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beidseits Limbusstammzellinsuffizienz, Z. n. Verätzung
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LS
(LS)
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rechtes Auge:
präoperativ Abschätzung des Visuspotenzials
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Visuspotenzial vorhanden, Planung der OOKPro-Implantation
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3
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81 J. w
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okuläres Schleimhautpemphigoid
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LS
(LS)
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linkes Auge
Implantation
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erfolgreiche Implantation einer TKPro (schlechter Zahnstatus)
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4
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61 J, m
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schwere okuläre GvHD nach allogener Stammzelltransplantation
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HBW
(1,0)
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linkes Auge:
Implantation
|
erfolgreiche Implantation einer OOKPpro
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5
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74 J, w
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Z. n. OOKPro 2016 aufgrund eines okulären Schleimhautpemphigoids
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FZ
(0,4)
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linkes Auge Revisionseingriff: Entfernung einer RPM
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nach Entfernung der Membran endoskopische Kontrolle: Netzhautanlage, intakter Ziliarkörper
und intakte und gut sichtbare Zylinderoptikkante
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6
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67 J, m
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67 J. m, Z. n. OOKPro 2015, Z. n. Verätzung
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HBW
(LS)
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linkes Auge Revisionseingriff: Entfernung einer RPM
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nach Entfernung der Membran endoskopische Kontrolle des zentralen Fundus, Darstellung
des blassen Optikus
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Abb. 2 Fall 1: Darstellung des hinteren Pols (a) und Detailansicht der Papille (b) eines rechten Auges. Die Papille stellt sich blass und fortgeschritten exkaviert
dar. Die Untersuchung mithilfe eines Mikroendoskops unterstützte die klinische Abschätzung
des Visuspotenzials des Auges. Aufgrund der infausten Prognose wurde von der Implantation
einer
OOKP abgesehen.
In Fall 2 handelte es sich um einen 53-jährigen Mann mit Z. n. Verätzung Grad 3 – 4
mit Rohrreiniger vor 30 Jahren. Ex domo wurde zur Sekundärversorgung aufgrund der
schwersten Verätzung und
Limbusinsuffizienz eine beidseitige Mundschleimhautdeckung vorgenommen. Präoperativ
zeigte sich die Mundschleimhautdeckung rechts intakt und links deutlich ausgedünnt
mit sichtbarer
vollständig keratinisierter Hornhaut. Der Visus betrug rechts Lichtschein mit intakter
Projektion und links Handbewegung mit Farbwahrnehmung, der Patient war beidseits phak.
In der rechts
durchgeführten diagnostischen Vitrektomie und Endoskopie zeigte sich eine randscharfe
Papille ohne auffällige Exkavation und ein regelrechter Makula- und Netzhautbefund,
sodass die
Implantation einer KPro indiziert wurde. Auf Patientenwunsch wurde die Implantation
bisher noch nicht durchgeführt.
In Fall 3 und 4 wurde die Endoskopie während der Implantation einer Tibia-Keratoprothese
(TKPro) resp. einer OOKPro eingesetzt. Bei einer 81-jährigen Frau bestand ein okuläres
Schleimhautpemphigoid mit vollständigen Ankyloblephara und einer Visusreduktion auf
Lichtschein beidseits. Mittels Endoskopie konnte die korrekte Positionierung der Prothese
bzw. der konischen
Optik hinter der Wirtshornhaut intraoperativ bestätigt werden. In Fall 4 handelte
es sich um einen 62-jährigen Mann mit schwerer okulärer Graft-versus-Host-Erkrankung
(GvHD) nach
Stammzelltransplantation aufgrund eines Mantelzelllymphoms und Z. n. beidseitiger
erfolgloser allogener Limbusstammzelltransplantation. Der Visus betrug Handbewegung
rechts und links. Auch
hier konnte mittels Endoskopie der korrekte Sitz der Prothesenoptik in der Wirtshornhaut
überprüft werden ([Abb. 3]). Postoperativ zeigte sich bei Fall 4 ein
Visus von 1,0.
Abb. 3 Fall 3: Darstellung des korrekten Prothesensitzes während der Implantation einer
OOKPro. Das Endoskop wurde zwischen Wirtshornhaut (erscheint blau in der unteren Bildhälfte)
und noch nicht fixierter OOKPro und chirurgisch eröffneter Mundschleimhaut geführt
(s. Schema [Abb. 1 b]). Die Zylinderoptik ist endoskopisch nicht sichtbar
und somit vollständig und korrekt in die Wirtshornhaut eingelassen. Im Vordergrund
(schwarz) sind Nylon-Nähte sichtbar (Beschriftung zur besseren Übersichtlichkeit eingefügt).
Bei Fall 5 und 6 wurde die Endoskopie ergänzend zu einer Vitrektomie nach Implantation
einer KPro zwecks chirurgischer Entfernung einer retroprothetischen Membran eingesetzt.
Bei der
77-jährigen Frau (Fall 5) war 3 Jahre zuvor eine OOKP bei beidseitiger Erblindung
infolge eines vernarbenden Schleimhautpemphigoids mit okulärer Beteiligung durchgeführt
worden. Der Visus
betrug vor der Implantation Lichtschein, stieg nach Implantation auf 0,25, um mit
Ausprägung der RPM auf Fingerzählen abzufallen. Mittels Videoendoskopie konnte nach
der Entfernung der Membran
eine Funduskontrolle sowie eine Überprüfung der Prothese und des optischen Zylinders
vorgenommen werden. Es zeigten sich bei bekannter Hypotonie Aderhautfalten und eine
Netzhautanlage, ein
intakter Ziliarkörper und eine intakte und gut sichtbare Zylinderoptikkante ([Abb. 4]). Postoperativ konnte ein bestkorrigierter Visus von 0,4 nachgewiesen
werden.
Abb. 4 Fall 5: Darstellung des optischen Zylinders nach Entfernung einer retroprothetischen
Membran (RPM). Einführung des Endoskops über 23-G-Trokar in der Pars plana und
Darstellung der Optik aus der intraokularen Perspektive. a Optischer Zylinder im Vordergrund blau akzentuiert, RPM erfolgreich entfernt. b Optischer Zylinder im oberen
Bildrand (blau akzentuiert) und im Hintergrund Anteile des Ziliarkörpers sichtbar.
c Schematische Darstellung der Endoskopie und der Kameraperspektive in Bild a und
b.
Bei Fall 6 handelte es sich um einen 67-jährigen Mann (Z. n. OOKP nach beidseitiger
Verätzung), der nach OOKP einen Visusanstieg von Lichtschein auf 0,05 zeigte. Im Verlauf
reduzierte sich
der Visus nach 3 Jahren auf Metertafelvisus, sodass eine Entfernung einer RPM angestrebt
wurde. Bei dem Mann gelang endoskopisch die Darstellung des zentralen Fundus mit blass
wirkender
Papille und engen Gefäßen. Ein Funktionsgewinn konnte durch die RPM-Entfernung leider
nicht erreicht werden.
Diskussion
Die optimale Visualisierung bleibt ein Grundstein für einen erfolgreichen chirurgischen
Eingriff. Trotz des technischen Fortschritts bei den Sichtsystemen moderner Operationsmikroskope
einschl. ergänzender Technologien, wie z. B. der intraoperativen OCT [12], bleiben bestimmte Strukturen entweder aufgrund trüber oder undurchsichtiger Medien,
ihrer
Konfiguration oder ihrer anatomischen Lage unzugänglich. In der Keratoprothesenchirurgie
trifft dies in mehrfacher Hinsicht zu.
Bei Indikationsstellung bereits vor KPro-Implantation verhindern grobe Hornhautpathologien
einen klaren Einblick und erlauben keine ausreichende funduskopische Abschätzung des
visuellen
Potenzials. Während der Implantation einer Prothese mit biologischer Haptik aus einem
Zahn-/Knochenkonstrukt und Mundschleimhautdeckung verhindert die Konfiguration der
Prothese (mit großer
Haptik und kleiner, zentraler Prothesenoptik) eine Visualisierung des korrekten Sitzes
der Prothesenoptik in der Wirtshornhaut. Die Folgen einer falschen Positionierung
können eine
dezentrierte Optik oder ein unvollständiger Wundverschluss sein und sind potenziell
mit erheblichen funktionellen und morphologischen Konsequenzen, wie Visuslimitation
und Ablatio retinae,
verbunden. Nach der erfolgreichen Implantation schränkt die Prothesenoptik den intraokularen
Einblick bei ggf. erforderlichen Revisionseingriffen auf die zentralen 60 – 80° ein.
Die Endoskopassistenz ermöglicht einerseits, im Rahmen einer diagnostischen Vitrektomie
Trübungen des vorderen Segments zu umgehen und eine grobe Beurteilung der Situation
am hinteren Pol.
Andererseits erleichtert sie operative Maßnahmen wie die Positionierung der Prothese
oder die Entfernung einer retroprothetischen Membran. Sie ist damit der Sonografie
durch Beurteilung der
Netzhautmorphologie überlegen und erlaubt einen Eindruck von Netzhautgefäßen, Papillen-
und Makulastatus und damit eine Abschätzung des Visuspotenzials. Sie kann so zwischen
einer vermutlich
sinnvollen und einer prognostisch ungünstigen Indikation unterscheiden helfen.
Farias et al. beschrieben 2014 erstmals die Verwendung eines Videoendoskops zur präoperativen
Beurteilung und Abschätzung des visuellen Potenzials vor Keratoprothesenoperation
[13]. Das verwendete Endoskop E4 Microprobe (Endo-Optiks, NJ USA) machte jedoch eine
20-G-Sklerotomie erforderlich. Nach diagnostischer Endoskopie bewerteten sie nur 3
von 10 Augen als geeignet für eine KPro-Operation. In allen 3 Fällen resultiert nach
Implantation einer Boston-Keratoprothese eine signifikante Verbesserung des Sehvermögens
(Fingerzählen auf
0,1, Handbewegung auf 0,4, Lichtwahrnehmung auf 0,25). Auch Pappuru et al. berichten
über den Einsatz der diagnostischen Endoskopie bei Augen mit fortgeschrittener Hornhauttrübung
[14]. Bei 62 von 64 endoskopisch untersuchten Augen wurde die diagnostische Endoskopie
bei der endgültigen Planung der Behandlung als hilfreich bewertet. So konnte in der
Endoskopie in 10 Fällen eine glaukomatöse Papillenexkavation und in 7 Augen eine glaukomatöse
Optikusatrophie identifiziert werden. In Augen mit bekannter sonografischer Netzhautablösung
diente die Endoskopie bspw. dem Nachweis einer schweren PVR-Reaktion (PVR: proliferative
Vitreoretinopathie) in 11 Fällen. Die endoskopische Beurteilung führte bei fast der
Hälfte der Augen
(30/64 Augen; 46,8%) zur Identifizierung einer schlechten Visusprognose und Vermeidung
komplexer Operationen. Somit stellt die Endoskopie im präoperativen Entscheidungsalgorithmus,
insbesondere vor aufwendigen KPro-Operationen und in Fällen, in denen das visuelle
Potenzial fraglich ist, eine wichtige Ergänzung dar.
Die Verwendung einer diagnostischen Endoskopie während der Implantation einer KPro
mit biologischer Haptik oder im Rahmen der Entfernung einer retroprothetischen Membran
wurde bisher noch
nicht beschrieben. Während der Implantation muss der konische Anteil des posterioren
Zylinders sicher retrokorneal positioniert werden. Hierbei verdeckt die Mundschleimhaut
und die Haptik der
Prothese eine direkte Draufsicht auf die Trepanationsöffnung durch das Operationsmikroskop.
Durch die seitliche Visualisierung durch die Anwendung eines Endoskops ([Abb. 3]) konnte die korrekte Positionierung intraoperativ gesichert werden. Denkbar wäre
zukünftig auch eine zusätzliche intraokulare Darstellung über eingebrachte Trokare
am Beginn des
Eingriffs, wenn das Auge noch gut tonisiert ist.
Retroprothetische Membranen werden nach Implantation von Prothesen mit biologischer
Haptik laut Liu et al. bei 16,7% der Augen beobachtet, sind nicht immer visusrelevant
und können teilweise
mittels Nd : YAG-Laser behandelt werden [15]. Sehr derbe und/oder vaskularisierte RPM machen eine chirurgische Membranektomie
notwendig. Bei diesem Eingriff ist das
Sichtfeld des Operateurs durch den Durchmesser des optischen Zylinders der KPro stark
limitiert. Auch hier erwies sich die endoskopische Visualisierung nach unserer Erfahrung
als hilfreich.
Über die 23-G-Trokare konnte endoskopisch die Zylinderoptik im Profil dargestellt
und so aus der intraokularen Perspektive die erfolgreiche Entfernung der RPM kontrolliert
werden ([Abb. 4]).
Wie bei allen technischen Assistenzsystemen gibt es auch Nachteile, die noch überwunden
werden müssen. Die Endoskopie liefert aktuell nur Bilder mit einer geringen Auflösung
und in
2-dimensionaler (2-D) Form mit fehlender Stereopsis. Die Handhabung der semirigiden
Optik und die Dissoziation zwischen Handbewegung des Chirurgen und der intraoperativen
Ansicht erfordern
zumindest eine gewisse Übung. Auch die Seitansicht mit dem Endoskop stellt eine ungewohnte
Perspektive im Vergleich zur sonst gewohnten Aufsicht in der Vogelperspektive durch
das Mikroskop
dar. Nicht zuletzt sind auch die Kosten für ein solches System zu bewerten. Allerdings
gibt es mit der diagnostischen und therapeutischen Tränenwegsendoskopie [16]
und der endoskopisch kontrollierten Zyklophotokoagulation [17] weitere sinnvolle Indikationsgebiete für den Einsatz der Technologie im Augen-OP.
Die intraokulare
Endoskopie ist eine spannende Technik, die sich noch in der Weiterentwicklung befindet.
Technische Verbesserungen (3-D, höhere Auflösung) und Miniaturisierung bleiben abzuwarten.
In ihrer
jetzigen Form bildet die intraokulare Endoskopie bei komplexen chirurgischen Eingriffen,
wie in der Keratoprothesenchirurgie, auch heute schon eine wertvolle Ergänzung.