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DOI: 10.1055/a-2144-6601
Hypoglykämien in Arzneimittelstudien zu Typ2-Diabetes mellitus: Erhebung, Auswertung und Berichterstattung
Hypoglycaemia in drug trials for type 2 diabetes mellitus: Assessment, analysis and reporting- Zusammenfassung
- Abstract
- Einleitung
- Hypoglykämien als Endpunkt: Operationalisierung schwerer und nicht schwerer Hypoglykämien
- Gesonderte Auswertung nächtlicher Hypoglykämien
- Einflussfaktoren für das Hypoglykämierisiko: Therapiestrategie, medikamentöse und nichtmedikamentöse Therapie
- Auswertung und Berichterstattung
- Fazit
- Literatur
Zusammenfassung
Bereits in den ersten Jahren der frühen Nutzenbewertung nach dem Arzneimittelmarkt-Neuordnungsgesetz (AMNOG) drehte sich die Frage nach dem Zusatznutzen eines neuen Wirkstoffs oft darum, ob die in den Studien beobachteten Ergebnisse zu Hypoglykämien interpretierbar sind.
Die wesentlichen Punkte zum Themenbereich „Hypoglykämien“ wurden auch in der Workshopreihe von AkdÄ, DDG, G-BA und IQWiG diskutiert. Dazu gehören die Operationalisierung schwerer und nicht schwerer Hypoglykämien, die gesonderte Auswertung nächtlicher Hypoglykämien, verschiedene durch das Studiendesign bedingte Einflussfaktoren für das Hypoglykämierisiko sowie die Auswertung und Berichterstattung der Ergebnisse zu Hypoglykämien.
Dabei zeigt sich an verschiedenen Stellen Verbesserungspotenzial, das für die Planung zukünftiger Studien genutzt werden sollte. Dies betrifft unter anderem eine klare Abgrenzung von Hypoglykämien unterschiedlicher Relevanz, die Vereinheitlichung entsprechender Definitionen für Arzneimittelstudien sowie die vollständige Berichterstattung zum zeitlichen Verlauf des Auftretens von Hypoglykämien. Auch wurden Aspekte des Studiendesigns identifiziert, die Einfluss auf das Hypoglykämierisiko haben können und daher entweder die Übertragbarkeit der Studie in Frage stellen (unrealistische Therapiesituation) oder zu einem unfairen und damit nicht interpretierbaren Vergleich innerhalb einer Studie führen (z.B. durch zwischen den Behandlungsgruppen unterschiedliche Therapieziele). Auch diese Aspekte sollten bei der zukünftigen Studienplanung berücksichtigt werden, um die Interpretierbarkeit von Arzneimittelstudien bei Typ-2-Diabetes mellitus nicht zu gefährden.
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Abstract
Since introduction of the early benefit assessment in Germany in 2011, the question of the additional benefit of a new drug often revolved around the interpretation of the results on hypoglycaemia observed in the trials.
The main points on the topic of hypoglycaemia were also discussed in the series of workshops organised by the AkdÄ, DDG, G-BA and IQWiG. These include the operationalisation of severe and non-severe hypoglycaemia, the separate assessment of nocturnal hypoglycaemia, different factors that influence the risk of hypoglycaemia due to study design, and the assessment and reporting of results on hypoglycaemia.
There are several areas for improvement that should be considered in the design of future studies. These include a clear distinction between hypoglycaemia of different relevance, standardisation of definitions for drug trials, and complete reporting of the time course of hypoglycaemia. In addition, several aspects of the design of the study design may influence the risk of hypoglycaemia un a certain study. These flaws in the design of a certain study may either question the transferability of the study (if an unrealistic treatment situation has been assumed) or lead to an unfair and thus uninterpretable comparison within a study (e.g. due to different treatment goals between the treatment groups).
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Schlüsselwörter
Diabetes mellitus Typ 2 - Hypoglykämien - Studiendesign - type 2 diabetes mellitus - hypoglycemia - study designEinleitung
In der Workshopreihe „Studien zur Arzneimitteltherapie bei Typ-2-Diabetes mellitus“ wurden zu verschiedenen übergeordneten Themenbereichen Aspekte der Studiendurchführung, der Datenauswertung und der Berichterstattung die Sichtweisen der beteiligten Organisationen und Institutionen unter wissenschaftlichen Gesichtspunkten diskutiert. Übergeordnetes Ziel der Workshopreihe ist es, einen Beitrag zur Entwicklung der Arzneimittelstudien im Hinblick auf ihre Eignung für Therapieentscheidungen und für eine Nutzenbewertung nach Arzneimittelzulassung zu leisten.
„Hypoglykämien“ ist einer der in der Workshopreihe diskutierten Themenbereiche. Bereits in den ersten Jahren nach Inkrafttreten der frühen Nutzenbewertung nach dem Arzneimittelmarkt-Neuordnungsgesetz (AMNOG) [1] waren die in den Zulassungsstudien erfassten Ergebnisse zu Hypoglykämien von besonderer Relevanz. Hierfür war, neben der grundsätzlichen medizinischen Bedeutung von Hypoglykämien, die zum Zeitpunkt der Bewertung vorliegende Evidenz für die neu zugelassenen Wirkstoffe ausschlaggebend (z.B. Linagliptin [2] und Lixisenatid [3] sowie die SGLT-2-Hemmer Canagliflozin [4], Dapagliflozin [5] und Empagliflozin [6]). Diese Wirkstoffe wurden zugelassen und in den deutschen Markt eingeführt, bevor die Ergebnisse der bereits initiierten großen Endpunktstudien (z.B. EMPA-REG zu Empagliflozin [7]) vorlagen. Die Frage, ob für einen neuen Wirkstoff ein Zusatznutzen gegenüber der jeweiligen Vergleichstherapie vorliegt oder nicht, drehte sich daher initial oft darum, ob die in den Studien beobachteten Ergebnisse zu Hypoglykämien grundsätzlich interpretierbar sind.
Aufbauend auf die in den einzelnen Nutzenbewertungen diskutierten Aspekte wurden daher folgende Punkte zum Themenbereich „Hypoglykämien“ in der Workshopreihe diskutiert und im vorliegenden Artikel beschrieben:
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Hypoglykämien als Endpunkt: Operationalisierung schwerer und nicht schwerer Hypoglykämien
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Gesonderte Auswertung nächtlicher Hypoglykämien
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Einflussfaktoren für das Hypoglykämierisiko: Therapiestrategie, medikamentöse und nichtmedikamentöse Therapie
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Auswertung und Berichterstattung der Ergebnisse zu Hypoglykämien
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Hypoglykämien als Endpunkt: Operationalisierung schwerer und nicht schwerer Hypoglykämien
Bereits vor Inkrafttreten des AMNOG im Jahr 2011 hat der G-BA das IQWiG mit Nutzenbewertungen zur Arzneimitteltherapie zu Typ-2-Diabetes mellitus beauftragt. Zu nennen sind hier z.B. die Bewertungen zu kurzwirksamen Insulinanaloga [8] [9], zu Exenatid [10] und dem nicht mehr verfügbaren inhalativen Insulin Exubera [11]. In diesen ersten Nutzenbewertungen wurde bereits thematisiert, dass sich die Operationalisierung der einzelnen Hypoglykämie-Endpunkte zwischen den Studien unterscheidet und insbesondere die Abgrenzung schwerer von nicht schweren Hypoglykämien oftmals unzureichend war. Dieses Muster zeigte sich oftmals auch noch bei den AMNOG-Nutzenbewertungen nach 2011. In der Workshopreihe wurde daher zusammenfassend für die schweren und nicht schweren Hypoglykämien folgendes festgestellt:
Schwere Hypoglykämien
In Studien sollten schwere Hypoglykämien wie folgt operationalisiert werden: Bewusstseinstrübung bzw. schwere kognitive Einschränkung mit der Notwendigkeit einer Fremdhilfe zur Behandlung (Glukagon / Glukose i.v.). Eine bestätigende Blutzuckermessung ist nicht erforderlich.
Diese Definition entspricht dem Sinn nach der gemeinsamen Position der American Diabetes Association (ADA) und der European Association for the Study of Diabetes (EASD) [12]. Zur Vermeidung unscharfer Definitionen und konsistent zur bisherigen Spruchpraxis in Nutzenbewertungen wird ergänzend zu dieser Position die Fremdhilfe im Sinne als (bzw. im Sinne einer) Behandlung mit Glucagon oder Glucose i.v. spezifiziert.
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Nicht schwere Hypoglykämien
Bei den nicht schweren Hypoglykämien ist zunächst zwischen symptomatischen und nicht symptomatischen Hypoglykämien zu unterscheiden.
Symptomatische Hypoglykämien
In Studien sollten nicht schwere symptomatische Hypoglykämien als Kombination aus einem eine definierte Grenze unterschreitenden Blutzuckerwert in Kombination mit Hypoglykämie-assoziierten Symptomen definiert werden. Diese Kombination aus Blutzuckerwert und Symptomatik erhöht zum einen die Messsicherheit für den Endpunkt nicht schwere Hypoglykämien. Zum anderen kann bei solchen kombinierten Ereignissen auf Grund der Komponente „Symptomatik“ in der Regel davon ausgegangen werden, dass es sich jeweils um patientenrelevante Ereignisse handelt.
Übliche Blutzuckergrenzwerte sind bei solchen kombinierten Ereignissen einer nicht schweren symptomatischen Hypoglykämie 70 mg/dl oder 54 mg/dl. Es besteht Konsens, dass symptomatische Ereignisse mit einem Grenzwert 54 mg/dl relevant sind und regelhaft in Studien erhoben und berichtet werden sollten. Noch nicht abschließend diskutiert wurde, ob auch Ereignisse mit einem Grenzwert von 70 mg/dl regelhaft erhoben werden sollten und welche Schlussfolgerungen sich bei divergierenden Ergebnissen zwischen diesen beiden Operationalisierungen ergäben.
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Relevanz symptomloser Hypoglykämien
Zur Frage, ob zusätzlich zur Erhebung und Auswertung von symptomatischen Hypoglykämien auch die Erhebung und Auswertung von Hypoglykämien mit einem Grenzwert von 54 mg/dl ohne begleitende Symptome sinnvoll sein könnte, wurden folgende Punkte diskutiert:
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Für solche Ereignisse ist in epidemiologischen Studien ein Zusammenhang mit Herzrhythmusstörungen beschrieben [13] [14]. Korrelationen in epidemiologischen Studien sind für den Nachweis einer Surrogateigenschaft für patientenrelevante Endpunkte allein jedoch nicht ausreichend. Eine Surrogateigenschaft solcher Ereignisse für patientenrelevante Endpunkte (z.B. maligne Herzrhythmusstörungen, Schlaganfälle) müsste in adäquaten Surrogatvalidierungsstudien untersucht und nachgewiesen werden (siehe hierzu z.B. [15]).
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Bei widersprüchlichen Ergebnissen zwischen schweren Hypoglykämien und nicht schweren symptomatischen Hypoglykämien könnten solche Ereignisse (Hypoglykämien mit einem Grenzwert von 54 mg/dl ohne begleitende Symptome) bei der Interpretation hilfreich sein.
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Hypoglykämien ohne begleitende Symptome sind in der jeweiligen Studie nur sinnvoll interpretierbar, wenn es zwischen den Behandlungsgruppen keinen systematischen Unterschied bezüglich der Blutzuckermessungen (Häufigkeit, Zeitpunkt, Präzision der Messung) gibt. Es sollten Grundsätze definiert werden, um dies weitestgehend zu gewährleisten. In diesem Zusammenhang ist die Verwendung einer kontinuierlichen Glukosemessung (CGM), mindestens aber die Verwendung einheitlicher und messsicherer Blutzuckermessgeräte innerhalb der jeweiligen Studie sinnvoll.
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Gesonderte Auswertung nächtlicher Hypoglykämien
In einigen, aber nicht allen Studien zur Arzneimitteltherapie bei Typ-2-Diabetes mellitus werden Hypoglykämien gesondert betrachtet und ausgewertet, die in einem die Nacht umfassenden Zeitraum auftreten. Solche Hypoglykämien werden dann in der Regel als nächtliche Hypoglykämien bezeichnet. Der dabei betrachtete Zeitraum kann sich zwischen den Studien unterscheiden (z.B. 22:00 Uhr bis 6:00 Uhr oder 0:00 Uhr bis 7:00 Uhr).
Auch bei nächtlichen Hypoglykämien ist zwischen schweren und nicht schweren und bei letzteren zwischen symptomatischen und nicht symptomatischen Hypoglykämien zu unterscheiden. Da nächtliche Hypoglykämien zum Teil während des Schlafens auftreten, ist eine damit verbundene Symptomatik allerdings ggf. für die Betroffenen nicht spürbar.
Zum Stellenwert nächtlicher Hypoglykämien wurden in der Workshopgruppe folgende Punkte diskutiert, die für die gesonderte Erfassung und Auswertung in den Studien sowie für deren Relevanz für die Studienbewertung beachtet werden sollten:
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Für die Frage, ob eine gesonderte Auswertung nächtlicher Hypoglykämien sinnvoll ist, sollten nicht der Wirkmechanismus oder die pharmakologischen Eigenschaften eines Arzneimittels ausschlaggebend sein, sondern die grundsätzliche Frage der inhaltlichen Relevanz dieser Ereignisse in der untersuchten Therapiesituation. Sind solche Hypoglykämien ggf. besonders relevant und „wichtiger“ als tagsüber auftretende Hypoglykämien? Bei dieser Beurteilung sollte sowohl die Patientenperspektive als auch eine mögliche Surrogateigenschaft nächtlicher Hypoglykämien, z.B. für maligne Herzrhythmusstörungen, betrachtet werden. Bei einer Betrachtung nächtlicher Hypoglykämien als Surrogatendpunkt für z.B. maligne Herzrhythmusstörungen sind die bereits oben erwähnten Grundsätze zur Validierung von Surrogatendpunkten zu beachten [15], nach denen z.B. eine in epidemiologischen Studien beobachtete Korrelation unzureichend für eine Surrogatvalidierung ist.
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Falls eine gesonderte Auswertung und Interpretation nächtlicher Hypoglykämien als sinnvoll angesehen werden, sollte dies in Studien mit ähnlicher inhaltlicher Ausrichtung (Therapiesituation) regelhaft erfolgen.
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Der Zeitraum „nächtlich“ sollte einheitlich definiert werden. Die Definition sollte sich zudem nicht allein auf einen festen Zeitraum beziehen, sondern patientenindividuelle Gewohnheiten (z.B. Zeitraum und Dauer des Schlafes) berücksichtigen.
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Einflussfaktoren für das Hypoglykämierisiko: Therapiestrategie, medikamentöse und nichtmedikamentöse Therapie
Einflussfaktoren für das Hypoglykämierisiko sollten nicht nur bei der Auswertung und Interpretation der Studienergebnisse, sondern insbesondere bereits bei der Studienplanung zukünftig stärker berücksichtigt werden. Dies kann zum einen die Gewährleistung eines fairen Vergleichs betreffen (Vermeidung unterschiedlicher Vorgaben für die Behandlungsgruppen), zum anderen die Durchführung von Subgruppenanalysen (z.B. nach vor Studienbeginn festgelegtem individuellem Therapieziel oder zum Merkmal Patientenschulung ja/nein).
Beachtet werden sollten dabei insbesondere Vorgaben zu Blutzuckerzielwerten, Vorgaben zum Einsatz sowie zur Titration und Dosis von Wirkstoffen mit Hypoglykämierisiko sowie die standardisierte Durchführung von Patientenschulungen vor Studienbeginn oder als begleitende nichtmedikamentöse Maßnahme.
In diesem Zusammenhang besteht zwar zur Frage, ob Sulfonylharnstoffe je nach Therapiesituation eine sinnvolle Therapieoption und damit eine sinnvolle Vergleichstherapie darstellen können, in der Workshopgruppe kein Konsens. Es besteht aber Konsens, dass in Studien (z.B. Zulassungsstudien), in denen Sulfonylharnstoffe als Vergleichstherapie eingesetzt werden, die Sulfonylharnstoffe in diesen Studien aufgrund des Hypoglykämierisikos nicht anders eingesetzt werden sollten als in der Versorgung. Konkret sollte bei der Verwendung von Sulfonylharnstoffen in Studien daher folgendes beachtet werden:
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Die maximale Tagesdosis (z.B. Glimepirid 6 mg) sollte nur im Ausnahmefall eingesetzt werden, aber keine regelhafte Eskalationsstufe darstellen.
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Die Titration sollte mit kleinen Dosisschritten möglich sein.
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Sehr niedrige Blutzuckerzielwerte sollten mit Sulfonylharnstoffen nicht angestrebt werden. Daraus ergibt sich auch, dass Sulfonylharnstoffe keine sinnvolle Therapieoption beim Ziel einer normnahen Blutzuckersenkung darstellen.
Unabhängig von der Wahl der medikamentösen Vergleichstherapie (Standard of Care oder spezifische Vergleichstherapie) sollte die Durchführung von qualitätsgesicherten Patientenschulungen zukünftig in Studien regelhaft gewährleistet werden (entweder als Einschlusskriterium oder als Teil der Studienmaßnahmen). Sofern dies in multinationalen Studien nicht vollständig umsetzbar ist, sollten Länder, in denen dies gewährleistet werden kann, ausreichend repräsentiert sein, um aussagekräftige Subgruppenanalysen zu ermöglichen.
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Auswertung und Berichterstattung
Darstellung der Hypoglykämien im Studienverlauf
In vielen Fällen können die Ergebnisse zu Hypoglykämien nur im Zusammenhang mit den korrespondierenden Blutzuckerwerten sinnvoll interpretiert werden. Während jedoch die Darstellung der direkten (z.B. mittlere Nüchternglukosewerte) wie indirekten (mittlere HbA1c-Werte) Informationen zur glykämischen Situation über die Zeit etabliert ist, liegen zu Hypoglykämien in der Regel nur zusammenfassende Auswertungen über den gesamten Studienverlauf vor. Die Berichterstattung zu Hypoglykämien sollte daher zukünftig transparenter und informativer und das Auftreten von Hypoglykämien über die Zeit regelmäßig berichtet werden. Dies gilt sowohl für ausführliche Studienberichte nach ICH E3 [16] als auch für Publikationen in Fachzeitschriften (z.B. in Online-Supplements). Ein Beispiel für eine solche Darstellung aus der Nutzenbewertung zum Wirkstoff Linagliptin [2] findet sich in [Abb. 1]. Aus diesem Verlauf lässt sich in Kenntnis der Blutzuckersenkung im zeitlichen Verlauf ableiten, dass der in der Studie beobachtete Unterschied in der Hypoglykämierate auf eine deutlich intensivere Blutzuckersenkung in der Glimepirid-Gruppe in der ersten Studienphase zurückführen lässt, was wiederum durch eine forcierte Titration im Glimepiridarm bedingt ist [2].
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Auswertungen zur Hypoglykämierate unter Berücksichtigung von Folgeereignissen
In der Workshopgruppe besteht prinzipiell Konsens, dass nicht nur das erste in einer Studie aufgetretene Hypoglykämie-Ereignis relevant ist, sondern auch Folgeereignisse. Daraus ergibt sich aber nicht zwangsläufig, dass eine Auswertung der Hypoglykämieinzidenz (Ereignisse insgesamt) anstatt der in der Regel üblichen Rate der Patienten mit mindestens einem Ereignis bei der Interpretation der Studienergebnisse vorrangig berücksichtigt werden sollte. Insbesondere können Folgeereignisse nicht isoliert nur für einzelne Endpunkte bzw. unerwünschte Ereignisse (hier: Hypoglykämien) betrachtet werden, da sich daraus keine adäquate Abwägung von Nutzen und Schaden der untersuchten Therapien ergäbe. Oder anders gesagt: Wenn Folgeereignisse zu Hypoglykämien relevant sind, warum sollte dies dann bei Durchfall oder Kopfschmerzen nicht der Fall sein?
Als weiterer Diskussions- und Klärungspunkt wurden Standards für statistische Auswertungen bei der Berücksichtigung von Folgeereignissen identifiziert. In diesem Zusammenhang wäre z.B. für die Auswertung von Hypoglykämien zu klären, ob bestimmte Verteilungen gegen die Auswertung von Folgeereignissen sprechen. Ausgangspunkt für die weiteren Diskussionen hierzu könnten z.B. eine „Draft Qualification Opinion“ der europäischen Zulassungsbehörde EMA (European Medicines Agency) zum Thema sein [17], zu dem das IQWiG auch Stellung genommen hat [18].
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Fazit
Bei der Erhebung, Auswertung und Berichterstattung von Hypoglykämien besteht an verschiedenen Stellen Verbesserungspotenzial, das für die Planung zukünftiger Studien genutzt werden sollte. Dies betrifft unter anderem eine klare Abgrenzung von Hypoglykämien unterschiedlicher Relevanz, die Vereinheitlichung entsprechender Definitionen für Arzneimittelstudien sowie die vollständige Berichterstattung zum zeitlichen Verlauf des Auftretens von Hypoglykämien. Darüber hinaus wurden Aspekte des Studiendesigns identifiziert, die Einfluss auf das Hypoglykämierisiko haben können und daher entweder die Übertragbarkeit der Studie in Frage stellen (unrealistische Therapiesituation) oder zu einem unfairen und damit nicht interpretierbaren Vergleich innerhalb einer Studie führen (z.B. durch zwischen den Behandlungsgruppen unterschiedliche Therapieziele). Auch diese Aspekte sollten bei der zukünftigen Studienplanung berücksichtigt werden, um die Interpretierbarkeit von Arzneimittelstudien bei Typ-2-Diabetes mellitus nicht zu gefährden.
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Interessenkonflikt
Die Autorinnen/Autoren geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.
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Literatur
- 1 Bundesministerium für Gesundheit (2010), Gesetz zur Neuordnung des Arzneimittelmarktes in der gesetzlichen Krankenversicherung (Arzneimittelmarktneuordnungsgesetz – AMNOG). Bundesgesetzblatt: 2262–2277.
- 2 Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG). Linagliptin – Erneute Nutzenbewertung gemäß § 35a Absatz 5b SGB V. Dossierbewertung A12–11 (IQWiG Berichte Nr. 144), Version 1.0. Accessed June 30, 2023 at: https://www.iqwig.de/download/a12–11_linagliptin_erneute_nutzenbewertung_35a_absatz_5b_sgb_v.pdf
- 3 Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG). Lixisenatid –Nutzenbewertung gemäß § 35a Absatz 5b SGB V. Dossierbewertung A13–11 (IQWiG Berichte Nr. 170), Version 1.0. Accessed June 30, 2023 at: https://www.iqwig.de/download/a13–11_lixisenatid_nutzenbewertung-35a-sgb-v.pdf
- 4 Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG). Canagliflozin –Nutzenbewertung gemäß § 35a Absatz 5b SGB V. Dossierbewertung A14–12 (IQWiG Berichte Nr. 225), Version 1.0. Accessed June 30, 2023 at: https://www.iqwig.de/download/a14–12_canagliflozin_nutzenbewertung-35a-sgb-v.pdf
- 5 Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG). Addendum zum Auftrag A12–18 (Dapagliflozin). Addendum A13–18 (IQWiG Berichte Nr. 164), Version 1.0. Accessed June 30, 2023 at: https://www.iqwig.de/download/a13–18_addendum-zum-auftrag-a12–18_dapagliflozin.pdf
- 6 Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG). Addendum zum Auftrag A14–26 (Dapagliflozin). Addendum A14–50 (IQWiG Berichte Nr. 271), Version 1.0. Accessed June 30, 2023 at: https://www.iqwig.de/download/a14–50_addendum-zum-auftrag-a14–26_empagliflozin.pdf
- 7 Zinman D, Wanner C, Lachin JM. et al. Empagliflozin, Cardiovascular Outcomes, and Mortality in Type 2 Diabetes. N Engl J Med 2015; 373: 2117-2128
- 8 Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG). Kurzwirksame Insulinanaloga zur Behandlung des Diabetes mellitus Typ 2. Abschlussbericht A05–04 (IQWiG Berichte Nr. 3), Version 1.0. Accessed June 30, 2023 at: https://www.iqwig.de/download/a05–04_abschlussbericht_kurzwirksame_insulinanaloga_bei_typ_2_diabetes_mellitus.pdf
- 9 Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG). Langwirksame Insulinanaloga zur Behandlung des Diabetes mellitus Typ 2. Abschlussbericht A05–03 (IQWiG Berichte Nr. 42), Version 1.1. Accessed June 30, 2023 at: https://www.iqwig.de/download/a05–03_abschlussbericht_langwirksame_insulinanaloga_bei_diabetes_mellitus_typ_2_v11.pdf
- 10 Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG). Exenatide bei Diabetes mellitus Typ 2. Rapid Report A05–23 (IQWiG Berichte Nr. 24), Version 1.0. Accessed June 30, 2023 at: https://www.iqwig.de/download/a05–23_rapid_report_bewertun_des_therapeutischen_nutzen_von_exenatide.pdf
- 11 Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG). Inhalatives Insulin (Exubera). Rapid Report A05–22 (IQWiG Berichte Nr. 6), Version 1.0. Accessed June 30, 2023 at: https://www.iqwig.de/download/a05–22_rapid_report_inhalatives_insulin_exubera.pdf
- 12 International Hypoglycemia Study Group. Glucose concentrations of less than 3.0 mmol/L (54 mg/dL) should be reported in clinical trials: A joint position statement of the American Diabetes Association and the European Association for the Study of Diabetes. Diabetes Care 2017; 40: 155-157
- 13 Chow E, Bernjak A, Williams S. et al. Risk ok cardiac arrythmias during hypoglycemia in patients with typ 2 diabetes and cardiovascular risk. Diabetes 2014; 63: 1738-1747
- 14 Pistrosch F, Ganz X, Bornstein SR. et al. Risk of and risk factors for hypoglycemia and associated arrythmias in patients with type 2 diabetes and cardiovascular disease: a cohort study under real-world conditions. Acta Diabetol 2015; 52: 889-895
- 15 Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG). Aussagekraft von Surrogatendpunkten in der Onkologie. Rapid Report A10–05 (IQWiG Berichte Nr. 80), Version 1.1. Accessed June 30, 2023 at: https://www.iqwig.de/download/a10–05_rapid_report_version_1–1_surrogatendpunkte_in_der_onkologie.pdf
- 16 ICH Harmonised Tripartite Guideline: Structure and content of clinical study reports E3. Step 4. Accessed June 30, 2023 at: https://database.ich.org/sites/default/files/E3_Guideline.pdf
- 17 European Medicines Agency. Draft qualification opinion of clinically interpretable treatment effect measures based on recurrent event endpoints that allow for efficient statistical analyses. EMA/CHMP/SAWP/291384/2019. Accessed June 30, 2023 at: https://www.ema.europa.eu/documents/other/draft-qualification-opinion-clinically-interpretable-treatment-effect-measures-based-recurrent-event_en.pdf
- 18 Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG). Comment on ‘Draft qualification opinion of clinically interpretable treatment effect measures based on recurrent event endpoints that allow for efficient statistical analyses’ (EMA/CHMP/SAWP/291384/2019). Accessed June 30, 2023 at: https://www.iqwig.de/download/2019–09–17_EMA_CHMP_SAWP_291384_2019-Comments_IQWiG.pdf
Korrespondenzadresse
Publication History
Received: 11 July 2023
Accepted: 12 July 2023
Article published online:
12 October 2023
© 2023. The Author(s). This is an open access article published by Thieme under the terms of the Creative Commons Attribution-NonDerivative-NonCommercial-License, permitting copying and reproduction so long as the original work is given appropriate credit. Contents may not be used for commercial purposes, or adapted, remixed, transformed or built upon. (https://creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/4.0/).
Georg Thieme Verlag KG
Rüdigerstraße 14, 70469 Stuttgart, Germany
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Literatur
- 1 Bundesministerium für Gesundheit (2010), Gesetz zur Neuordnung des Arzneimittelmarktes in der gesetzlichen Krankenversicherung (Arzneimittelmarktneuordnungsgesetz – AMNOG). Bundesgesetzblatt: 2262–2277.
- 2 Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG). Linagliptin – Erneute Nutzenbewertung gemäß § 35a Absatz 5b SGB V. Dossierbewertung A12–11 (IQWiG Berichte Nr. 144), Version 1.0. Accessed June 30, 2023 at: https://www.iqwig.de/download/a12–11_linagliptin_erneute_nutzenbewertung_35a_absatz_5b_sgb_v.pdf
- 3 Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG). Lixisenatid –Nutzenbewertung gemäß § 35a Absatz 5b SGB V. Dossierbewertung A13–11 (IQWiG Berichte Nr. 170), Version 1.0. Accessed June 30, 2023 at: https://www.iqwig.de/download/a13–11_lixisenatid_nutzenbewertung-35a-sgb-v.pdf
- 4 Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG). Canagliflozin –Nutzenbewertung gemäß § 35a Absatz 5b SGB V. Dossierbewertung A14–12 (IQWiG Berichte Nr. 225), Version 1.0. Accessed June 30, 2023 at: https://www.iqwig.de/download/a14–12_canagliflozin_nutzenbewertung-35a-sgb-v.pdf
- 5 Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG). Addendum zum Auftrag A12–18 (Dapagliflozin). Addendum A13–18 (IQWiG Berichte Nr. 164), Version 1.0. Accessed June 30, 2023 at: https://www.iqwig.de/download/a13–18_addendum-zum-auftrag-a12–18_dapagliflozin.pdf
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- 7 Zinman D, Wanner C, Lachin JM. et al. Empagliflozin, Cardiovascular Outcomes, and Mortality in Type 2 Diabetes. N Engl J Med 2015; 373: 2117-2128
- 8 Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG). Kurzwirksame Insulinanaloga zur Behandlung des Diabetes mellitus Typ 2. Abschlussbericht A05–04 (IQWiG Berichte Nr. 3), Version 1.0. Accessed June 30, 2023 at: https://www.iqwig.de/download/a05–04_abschlussbericht_kurzwirksame_insulinanaloga_bei_typ_2_diabetes_mellitus.pdf
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- 16 ICH Harmonised Tripartite Guideline: Structure and content of clinical study reports E3. Step 4. Accessed June 30, 2023 at: https://database.ich.org/sites/default/files/E3_Guideline.pdf
- 17 European Medicines Agency. Draft qualification opinion of clinically interpretable treatment effect measures based on recurrent event endpoints that allow for efficient statistical analyses. EMA/CHMP/SAWP/291384/2019. Accessed June 30, 2023 at: https://www.ema.europa.eu/documents/other/draft-qualification-opinion-clinically-interpretable-treatment-effect-measures-based-recurrent-event_en.pdf
- 18 Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG). Comment on ‘Draft qualification opinion of clinically interpretable treatment effect measures based on recurrent event endpoints that allow for efficient statistical analyses’ (EMA/CHMP/SAWP/291384/2019). Accessed June 30, 2023 at: https://www.iqwig.de/download/2019–09–17_EMA_CHMP_SAWP_291384_2019-Comments_IQWiG.pdf