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contrast agents - bladder - ureter - ultrasound
Einleitung zum Thema
Als vesikoureterorenaler Reflux (VUR) wird der unphysiologische Rückfluss von Urin
aus der Harnblase in die Ureteren aufgrund einer fehlenden Ausbildung präventiver
Mechanismen definiert [1]. Diese fehlenden präventiven Mechanismen können entweder angeboren (primär) oder
erworben (sekundär) sein [2].
Am häufigsten liegt mit einer Inzidenz von 0,4–1,8 % eine primäre Genese des vesikoureterorenalen
Refluxes vor. Hierbei kommt es während der Embryogenese zu einem unvollständigen Verschluss
des vesikoureteralen Übergangs mit einem verkürzten intravesikalen Ureteranteil [3].
Die Diagnose eines vesikoureterorenalen Refluxes wird in der Regel im Rahmen einer
erweiterten Diagnostik bei pränatalem Verdacht, bei rezidivierenden febrilen Harnwegsinfekten,
seltener auch bei Blasenentleerungsstörungen oder bekannter familiärer Prädisposition
gestellt [4]. Die Wahrscheinlichkeit, dass ein vesikoureterorenaler Reflux nach einem Harnwegsinfekt
vorliegt, ist altersabhängig [4]. Weitere Risikofaktoren für einen vesikoureterorenalen Reflux sind die Ethnie, das
Geschlecht und eine genetische/familiäre Prädisposition [5].
Sekundäre Ursachen können aufgrund anatomischer Normvarianten (subvesikale Obstruktion),
funktioneller Störungen (Harnblase-Darm-Dysfunktion (Bladder-Bowel-Dysfunction)) oder
einer neurogenen Blasenentleerungsstörung auftreten [6].
Symptomatik und erste diagnostische Schritte
Symptomatik und erste diagnostische Schritte
Da Patient*innen mit einem vesikoureterorenalen Reflux in sehr jungen Jahren häufig
mit rezidivierenden Harnwegsinfekten auffallen, ist in aller Regel die erste diagnostische
Maßnahme eine Sonografie der Nieren und der ableitenden Harnwege. Laut S2K-Leitlinie
der deutschen Gesellschaft für pädiatrische Nephrologie sollte eine orientierende
Ultraschalluntersuchung innerhalb von 24 Stunden nach Auftreten eines fieberhaften
Harnwegsinfektes erfolgen [4]. Hier können sowohl Vernarbungen als auch Entzündungen sowie eine Harntraktdilatation
diagnostiziert werden.
Indirekte Zeichen für einen vesikoureterorenalen Reflux in der B-Bild-Sonografie sind
Parenchymdefekte (im Rahmen einer Refluxnephropathie), meist als keilförmige Defekte
mit einer Parenchymeinziehung der Außenwand und verplumpten Nierenkelchen, eine ausgeprägte
Volumendifferenz der Nieren, eine Nephromegalie im Rahmen eines Harnwegsinfektes,
ein prävesikal erweiterter Ureter, eine Dilatation des Nierenbeckens mit wechselnder
Weite in Abhängigkeit von der Blasenfüllung sowie ein positives Urothelzeichen [4]. Hilfreich ist hierbei der Seitenvergleich zwischen beiden Nieren. Die Sensitivität
und Spezifität der B-Bild- Sonografie zur Diagnostik eines vesikoureterorenalen Refluxes
ist jedoch nicht besonders hoch, sodass eine unauffällige Sonografie einen vesikoureterorenalen
Reflux nicht ausschließt und ein beispielsweise positives Urothelzeichen für einen
vesikoureterorenalen Reflux nicht beweisend ist [7].
Indikationsstellung zur Refluxprüfung
Indikationsstellung zur Refluxprüfung
Es gab verschiedene Angaben zur Indikationsstellung einer Refluxprüfung zwischen den
amerikanischen und europäischen pädiatrischen beziehungsweise urologischen Gesellschaften,
welche sich in den letzten Jahren etwas angepasst haben.
Die aktuelle Empfehlung der verschiedenen Fachgesellschaften ist die weiterführende
Diagnostik mittels Refluxprüfung bei Kindern unter zwei Jahren mit zweimalig aufgetretenen
Pyelonephritiden und bislang unauffälliger B-Bild-Sonografie, um eine Überdiagnostik
nach einer einmalig aufgetretenen Pyelonephritis zu vermeiden. Weitere Indikationen
sind eine auffällige B-Bild-Sonografie mit indirekten Zeichen für einen vesikoureterorenalen
Reflux (die B-Bild-Sonografie sollte, wie weiter oben im Text erwähnt, nach dem ersten
fieberhaften Harnwegsinfekt erfolgen) sowie ein auffälliger mikrobiologischer Befund
mit non-E. coli-Infektionen [4]
[8]
[9]. Eine weitere Indikation ist das Vorliegen eines vesikoureterorenalen Refluxes bei
Verwandten 1. Grades.
Möglichkeiten zur Refluxprüfung
Möglichkeiten zur Refluxprüfung
Diagnostische Möglichkeiten zur direkten Detektion des vesikoureterorenalen Refluxes
sind die Miktionszysturethrografie (MCU/ Voiding cystourethrogram = VCUG), die kontrastmittelverstärkte
Miktionsurosonografie (MUS, contrast enhanced Voiding urosonography, ceVUS) sowie
die Radionuklid Zystourethrografie (radionuclide cystography, RNC) [10]. Daneben gibt es weitere nuklearmedizinische Verfahren, die Komplikationen eines
vesikoureterorenalen Refluxes diagnostizieren können, wie die [99Tc]DMSA-Szintigrafie
der Nieren zur Beurteilung von möglichen Parenchymschäden [11].
Klassifikation des vesikoureterorenalen Refluxes
Klassifikation des vesikoureterorenalen Refluxes
Der vesikoureterorenale Reflux wird insgesamt in fünf Grade eingeteilt. Diese Klassifikation
wurde 1985 von Lebowitz et. al veröffentlicht und ist von diversen Leitlinien anerkannt
[12]. Diese wird in [Tab. 1] beschrieben. In Zusammenhang mit höhergradigen vesikoureterorenalen Refluxen steht
der intrarenale Reflux (IRR). Hierbei kommt es zu einem pathologischen Rückfluss des
Harns in das Nierenparenchym.
Tab. 1
Klassifikation des vesikoureteralen Refluxes nach Lebowitz.
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Grad 1: Reflux in den nicht dilatierten Ureter ohne das Nierenbecken zu erreichen.
Grad 2: Reflux in den Ureter und das Nierenbecken ohne Dilatation.
Grad 3: Reflux in Ureter (mit oder ohne Kinking) und Nierenbecken mit milder bis moderater
Erweiterung. Normale oder gering deformierte Nierenkelche.
Grad 4: Reflux in moderat erweiterten Ureter (mit oder ohne Kinking) und (gering) erweiterten
Nierenkelchen sowie erhaltenen Papillen.
Grad 5: Reflux mit torquiertem und deutlich erweitertem Ureter, Dilatation des Nierenbecken-
und -kelchsystems mit Impression der Nierenpapillen.
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Eine eingeschränkte Beurteilbarkeit des vesikoureterorenalen Refluxes besteht bei
zusätzlich vorliegender Obstruktion im Bereich des Harntraktes. Dann können geschlängelte
Ureteren auch im Rahmen der Obstruktion auftreten und einen höhergradigen vesikoureterorenalen
Reflux suggerieren [13]. Die Unterscheidung zwischen den verschiedenen Graduierungen des vesikoureterorenalen
Refluxes ist nicht immer einfach, da es fließende Übergänge zwischen den Graduierungen
gibt. [Abb. 1] zeigt einen vesikoureterorenalen Reflux Grad II mit einer Kontrastmitteldarstellung
im proximalen Ureter und Nierenbecken ohne Erweiterung des Nierenbeckens bei geringer
Erweiterung des proximalen Ureters. Eine Einteilung als Grad III ist bei fehlender
Erweiterung des Nierenbeckens noch nicht gegeben. Eindeutiger ist die Einteilung in
[Abb. 2] als vesikoureterorenaler Reflux Grad II jedoch mit der Besonderheit eines Ureter
fissus bei Doppelniere. [Abb. 3] zeigt ebenfalls einen vesikoureterorenalen Reflux Grad II, jedoch in diesem Fall
mit der Aufnahme in einem mixed mode mit Überlagerung von Kontrastmittelbild und B-Bild.
Abb. 1 VUR Grad II der rechten Niere im Vergleichsmodus B-Bild (rechts) und Kontrastmitteldarstellung
(links). Aufnahme > 2 min nach intravesikaler Applikation des Kontrastmittels.
Abb. 2 A Kontrastmittelgestützte Ultraschall mit einem VUR Grad II der rechten Niere. Aufnahme
> 2 min nach intravesikaler Applikation des Kontrastmittels. Weiße Pfeile: Darstellung
des Kontrastmittels in den Nierenkelchen. Roter Pfeil: Kontrastmittelaufnahme des
Ureters bei Ureter fissus. B B-Bild-Untersuchug der rechten Niere, ein Harnstau oder eine Uretererweiterung lassen
sich nicht abgrenzen. Nebenbefundlich lässt sich eine Parenchymbrücke (roter Pfeil)
detektieren.
Abb. 3 Darstellung im mixed mode mit Überlagerung von Kontrastmittelbild und B-Bild eines
VUR Grad II der rechten Niere.
[Abb. 4] zeigt eine siebenjährige Patientin mit der Fragestellung eines vesikoureterorenalen
Refluxes nach rezidivierenden Pyelonephritiden. Auch hier ist der Übergang zwischen
den verschiedenen Graduierungen fließend. Bei angedeuteter Erweiterung eines Nierenkelches,
jedoch nicht ausgeprägter Erweiterung des Nierenbeckens und des Ureters, wurde sich
hier für die Einteilung als Grad III entschieden.
Abb. 4 Nach Kontrastmittelapplikation lässt sich eine milde bis mäßige Dilatation von Ureter
und Nierenbecken erfassen sowie leichte verplumpte Nierenkelche. Der Befund ist mit
einen Reflux Grad III vereinbar.
Je höhergradiger die Erkrankungen, desto eindeutiger ist die Diagnosestellung. [Abb. 5] zeigt einen vesikoureterorenalen Reflux Grad IV einer 6-jährigen Patientin mit rezidivierenden
Pyelonephritiden mit geringer Impression, aber noch abgrenzbaren Papillen und deutlich
verplumpten Nierenkelchen. [Abb. 6] zeigt eine ausgeprägte Impression der Papillen, die kaum noch abgrenzbar erscheinen
und somit mit einem vesikoureterorenalen Reflux Grad V vereinbar ist. Für die Entscheidung
einer operativen Intervention höhergradiger vesikoureterorenaler Refluxe muss zusätzlich
der Abgang des proximalen Ureters dokumentiert werden.
Abb. 5 6-jährige Patientin mit rezidivierenen Pylonephritiden. Nach Kontrastmittelapplikation
lassen sich eine mäßige Dilatation des Nierenbeckens und verplumpte Nierenkelche erfassen.
Der Befund ist mit einen Reflux Grad IV vereinbar. Vergleichsmodus mit rechts B-Bild-Sonografie
und links der Kontrastmitteldarstellung.
Abb. 6 7-jährige Patientin mit rezidivierenen Pylonephritiden. Nach Kontrastmittelapplikation
lässt sich eine ausgeprägte Erweiterung des Nierenbeckens und der Kelche erfassen.
Die Papillen werden deutlich imprimiert und sind aber kaum noch erkennbar. Der Befund
ist mit einen Reflux Grad V vereinbar.
Miktionszysturethrografie und Radionuklid-Zystografie
Miktionszysturethrografie und Radionuklid-Zystografie
Die bisherige Diagnostik eines vesikoureterorenalen Refluxes erfolgte überwiegend
mittels Miktionszysturethrografie (VCUG). Dies ist ein Untersuchungsverfahren, in
welchem mittels intravesikaler Kontrastmittelgabe und unter Röntgendurchleuchtung
die Diagnostik des vesikoureterorenalen Refluxes erfolgt [14]. Das Untersuchungsverfahren wird bereits seit über 60 Jahren angewandt und galt
bislang als Goldstandard [15]. Nachteile der Untersuchung sind die Strahlenexposition der vor allem jungen Patient*innen.
In Deutschland gibt es diagnostische Referenzwerte (DRW), die abhängig vom Alter beziehungsweise
vom Gewicht sind. Diese reichen von einem Dosis-Flächen-Produkt für Neugeborene (3
bis < 5 Kilogramm beziehungsweise unter 3 Monaten) bei 5 [cGy∙cm2 = µGy∙m2] bis zu
30 [cGy∙cm2 = µGy∙m2] bei Kindern zwischen 5 und 10 Jahren beziehungsweise zwischen
19 und 32 Kilogramm [16]. Trotz der langjährig verfügbaren Untersuchung und diverser Publikationen konnte
eine Studie von Schneider et al. nachweisen, dass eine einheitliche Dokumentation
und Durchführung der Untersuchung in Europa nicht gewährleistet ist und das Ergebnis
der Untersuchung ähnlich wie in der ceVUS sehr von der Erfahrung des Untersuchers
abhängig ist [17].
Daneben sind auch nuklearmedizinische Verfahren zur Diagnostik des vesikoureterorenalen
Refluxes vorhanden. Als direkte Methode wird analog zur VCUG die direkte Radionuklid-Zysturethrografie
durchgeführt. Diese hat eine ähnliche Sensitivität wie die VCUG bei etwas geringerer
Strahlenbelastung [18]. Die 99Tc-MAG3-Nierenszintigraphie kann als indirekte Nachweismethode des vesikoureterorenalen
Refluxes genutzt werden. Vorteile dieser Methode sind die intravenöse Applikation
des Radiotracers, sodass eine Katheterisierung der Harnblase für die Untersuchung
nicht notwendig ist. Die Sensitivität und Spezifität liegt jedoch deutlich unterhalb
der VCUG und RNC. Darüber hinaus ist eine Harnkontinenz der meist jungen Patient*innen
zur genauen Planung der Untersuchung notwendig, sodass diese Untersuchung in der Primärdiagnostik
bei einem Verdacht auf einen vesikoureterorenalen Reflux keinen hohen Stellenwert
hat [18].
Alternativverfahren: ceVUS
Alternativverfahren: ceVUS
Zur Reduktion der Strahlenexposition bietet sich als Alternativverfahren die Kontrastmittelgestützte
Ultraschalluntersuchung (ceVUS) an. Historisch betrachtet liegen erfolgreiche Versuche
der Diagnostik des vesikoureterorenalen Refluxes mittels Ultraschall schon viele Jahre
zurück. Bereits 1984 beschrieben Schneider et al. eine gute Sensitivität und Spezifität
der B-Bild-Sonografie für höhergradige vesikoureterorenale Refluxe [19]. Die aktuelle ceVUS kann als eine Weiterentwicklung der bereits 1994 von Alzen et
al. beschriebenen Methode, mittels intravesikal applizierter Luftblasen einen vesikoureterorenalen
Reflux nachzuweisen, angesehen werden. Mit Hilfe der Methode konnten bereits höhergradige
vesikoureterorenale Refluxe (ab Grad III) mit einer Sensitivität von 100 % und einer
Spezifizität von 95,6 % nachgewiesen werden [20]. Einen großen Anteil an der Weiterentwicklung der ceVUS sowie der Zulassung des
Ultraschall-Kontrastmittels der 1. Generation Levovist haben diverse Studien von Darge,
die jeweils die im Vergleich zur VCUG mindestens gleichwertige diagnostische Genauigkeit
zeigen konnten [21]
[22]
[23]
[24]
[25]
[26]. Dies konnte dann auch in den folgenden Jahren mittels diverser Studien bestätigt
werden [27]
[28]
[29]
[30]. Eine Metaanalyse von Darge aus dem Jahr 2008 ergab mehr mittels ceVUS detektierte
vesikoureterorenale Refluxe als mit VCUG, sowie in 19,6 % der konkordant detektierten
vesikoureterorenalen Refluxe ein höheres Grading in der ceVUS-Untersuchung im Vergleich
zur VCUG [22].
Eine Meta-Analyse aus dem Jahr 2022 verglich die Sensitivität und Spezifität der ceVUS-Untersuchungen
und konnte im Mittel für Ultraschallkontrastmittel der ersten Generation eine Sensitivität
von 92 %, eine Spezifität von 94 % und eine AUC von 97 % ermitteln. Für Ultraschallkontrastmittel
der zweiten Generation lagen diese Werte bei 93 %, 91 % beziehungsweise 97 % [31]. Die Rate an falsch negativen Ergebnissen mittels ceVUS lag insgesamt bei 3 %, sodass
sowohl in der Studie als auch in der aktuellen S2k-Leitlinie bei negativer ceVUS-Untersuchung
bei persistierendem Verdacht auf einen vesikoureterorenalen Reflux eine VCUG ergänzt
werden sollte [4]. Hierbei sollte jedoch auch immer an die fragliche klinisch-therapeutische Relevanz
einer erneuten invasiven Untersuchung gedacht werden.
Die Diskrepanz zwischen VCUG und ceVUS liegt insbesondere in der Diagnostik niedriggradiger
vesikoureterorenaler Refluxe, da aufgrund einer fehlenden Einsehbarkeit der distalen
Ureteren (z. B. bei Darmgasüberlagerung der Abgänge) oder aufgrund der hohen Kontrastmittelkonzentration
in der angrenzenden Harnblase die distalen Ureteren in der ceVUS teilweise nicht sicher
beurteilt werden können [13]. Umgekehrt zeigte eine weitere Studie, dass 9 % mehr vesikoureterorenale Refluxe
in der ceVUS dargestellt werden konnten als in der VCUG [22]. Ein wichtiger Punkt, weswegen eine VCUG einer ceVUS in vielen Fällen vorgezogen
wurde, ist die Expertise des Untersuchers. Eine Single-Center-Studie zur Erlernung
der ceVUS zeigte jedoch eine gute Lernkurve, während es bei der Durchführung der VCUG
auch große Unterschiede in der Durchführung und Dokumentation gibt [17]
[31].
Neben dem Vorteil einer Reduzierung der Strahlenexposition der vor allem sehr jungen
Patient*innen ist auch die Akzeptanz der ceVUS bei den sorgeberechtigten Personen
höher als bei der VCUG. In einer Studie würden 92,9 % der befragten Elternpaare eine
ceVUS im Vergleich zu einer VCUG vorziehen [32].
Wann sollte welche Untersuchung erfolgen?
Wann sollte welche Untersuchung erfolgen?
Die Leitlinien der Pädiatrie und Nephrologie in Deutschland sehen die aktuell zur
Verfügung stehenden Verfahren in der Diagnostik als gleichwertig an. In der S2k-Leitlinie
„Harnwegsinfektionen im Kindesalter“ aus dem Jahr 2021 wird die Empfehlung ausgesprochen:
„Wenn für die diagnostische Fragestellung ausreichend, sollte bei entsprechender Erfahrung
die sonografische Refluxprüfung (MUS) bevorzugt gegenüber strahlenexponierten Verfahren
eingesetzt werden“ [4]. Dies gilt für ein entsprechend selektioniertes Patientengut.
Sollten neben dem Verdacht auf einen vesikoureterorenalen Reflux weitere Krankheitsbilder
oder Anomalien der Harntraktes wie zum Beispiel eine Doppelniere oder eine Ureterozele
vermutet werden, ist zum aktuellen Stand eine VCUG der ceVUS vorzuziehen [33]. Bei einem Verdacht auf eine subvesikale Obstruktion kann sowohl die VCUG als auch
die ceVUS einen Hinweis auf die Ursache liefern [34]. Andererseits hat die ceVUS insbesondere dann Vorteile, wenn zusätzlich zum vesikoureterorenalen
Reflux auch ein intrarenaler Reflux (IRR) vorliegt [35]. Da ein IRR häufig zusätzlich zu einem vesikoureterorenalen Reflux auftritt (über
alle VUR-Grade gemittelt tritt ein zusätzlicher IRR in 3–10 % der Fälle auf), sollte
die Primärdiagnostik des vesikoureterorenalen Refluxes bei entsprechenden Voraussetzungen
der Klinik und des Untersuchers mittels ceVUS erfolgen [36].
Insgesamt ist die Wahl des Untersuchungsverfahrens jedoch abhängig von der Verfügbarkeit
der Ressourcen vor Ort, der expliziten klinischen Fragestellung und dem Ziel, eine
geringstmögliche Strahlenexposition bei maximalem Informationsgehalt zu verwenden.
Die Untersuchung kann frühestmöglich nach erfolgreicher Therapie des Harnwegsinfektes/der
Pyelonephritis erfolgen. Hierbei ist zu beachten, dass die Untersuchung nicht zu schnell
auf eine stattgehabte Infektion folgt, um etwaige falsch negative Befunde infolge
einer infektbedingten vorübergehenden Schwellung zu vermeiden [37]. Um dies zu gewährleisten und durch die Untersuchung keine Übertragung von Bakterien
aus der Harnblase in die Nierenbecken zu verursachen, ist eine Urin-Untersuchung vor
der ceVUS obligat. Die Untersuchung sollte nicht bei bestehendem intravesikalem Bakteriennachweis
erfolgen. Ein steriles Arbeiten bei der Anlage des Blasenkatheters und der intravesikalen
Injektion des Kontrastmittels ist ebenfalls wichtig. Zur periprozeduralen Anwendung
eines Antibiotikums gibt es für die ceVUS bislang keine ausreichende Literatur. Einzelstudien
wurden teilweise ohne Antibiotikagabe durchgeführt [38] oder mit einer Einmalgabe am Untersuchungstag [39]. Im Vergleich hierzu wird für die Durchführung der VCUG eine Antibiotikagabe am
Vortag, am Untersuchungstag und am Folgetag empfohlen [40]. Da bei beiden Untersuchungsverfahren die gleichen Risikofaktoren für die Entstehung
einer Infektion des Harntraktes vorliegen, empfehlen wir das analoge Vorgehen bei
der ceVUS.
Eine dauerhafte antibiotische Prophylaxe wird bei einem diagnostizierten vesikoureterorenalen
Reflux von aktuellen Leitlinien empfohlen, in neuen Studien aus dem Jahr 2023 allerdings
wieder diskutiert [4]
[38]. Bei zusätzlicher obstruktiver Erkrankung des Harnsystems soll eine antibiotische
Prophylaxe erfolgen [38].
Kontrastmittelarten zur Diagnostik des vesikoureterorenalen Refluxes
Kontrastmittelarten zur Diagnostik des vesikoureterorenalen Refluxes
Typische für die Diagnostik des vesikoureterorenalen Refluxes verwendete Ultraschallkontrastmittel
sind die Kontrastmittel der zweiten Generation SonoVue (größtenteils in Europa verwendet)
und Optison (größtenteils in den USA verwendet) sowie in ersten Studien das Kontrastmittel
der ersten Generation Levovist [42]. Von den beschriebenen Kontrastmitteln ist für Levovist und Sonovue die Nutzung
zur Detektion eines vesikoureterorenalen Refluxes in der Fachinformation enthalten,
jedoch wurde die Produktion von Levovist mittlerweile eingestellt. Bei Optison ist
eine generelle Erlaubnis zur Anwendung des Kontrastmittels bei Minderjährigen beschrieben
[43]. Zur Sicherheit der intravesikalen Anwendung des Ultraschallkontrastmittels wurden
mehrere Studien durchgeführt. Es wurden keine schwerwiegenden Ereignisse berichtet.
In einer Studie lag die Rate nicht-schwerwiegender Ereignisse bei 0,31 %, wovon die
meisten mit der Anlage des Harnblasenkatheters assoziiert waren [32]
[44]
[45]
[46].
Ablauf der ceVUS-Untersuchung
Ablauf der ceVUS-Untersuchung
Der Untersuchungsablauf einer ceVUS wurde bereits häufiger beschrieben. Hierbei kann
man sich an die Übersichtsarbeiten der ESPR und den Übersichtsartikel von Ntoulia
et al. aus dem Jahr 2021 halten [44]. Es gibt verschiedene Füllungstechniken der Harnblase mit dem Ultraschallkontrastmittel.
Das Kontrastmittel kann entweder extrakorporalin eine 0,9 %igen NaCl-Lösung gegeben
und im weiteren Verlauf kontinuierlich appliziert werden oder die direkte Gabe des
Kontrastmittels nach vorheriger Teilfüllung der Harnblase mit 0,9 %iger NaCl-Lösung
in die Harnblase erfolgen. Der mechanische Index zur Untersuchung ist abhängig vom
jeweils gewählten Ultraschallkopf, sollte jedoch bestenfalls unter 0,1 liegen, während
die Fachinformation von Sonovue einen Wert von weniger als 0,4 empfiehlt [47].
Die Untersuchung sollte während des Befüllens und des Entleerens der Harnblase erfolgen.
Ist es während einer Entleerung der Harnblase nicht möglich, beide Nieren sowie beide
Ureteren zu beurteilen, kann die Harnblase erneut befüllt werden. Mit Hilfe von mehreren
Füllungen konnte die Sensitivität der Untersuchung weiter gesteigert werden.
Niedriggradige, insbesondere Grad I vesikoureterorenale Refluxe, lassen sich häufig
in der Füllungsphase der Untersuchung gut detektieren, während ansonsten die gefüllte
Harnblase wie auch die Miktionsphase der geeignetste Zeitpunkt zur Beurteilung des
Schweregrades des vesikoureterorenalen Refluxes ist. Sollte die Füllung wiederholt
werden, so ist die extrakorporale Mischung des Ultraschallkontrastmittels mit der
Trägerlösung die geeignetere Methode, um eine gleichmäßige Kontrastierung während
der Untersuchung zu erreichen.
Eine durchgehende Beschallung der Harnblase während der Füllung ist nicht zu empfehlen,
da die Kontrastmittelbläschen mit fortlaufender Dauer der Untersuchung zerstört werden.
Daher empfiehlt es sich in regelmäßigen Abständen Pausen einzulegen.
Tägliche Praxis/Handlungsempfehlung
Tägliche Praxis/Handlungsempfehlung
Die Kontrastmittelgestützte Ultraschalluntersuchung der Harnblase und der ableitenden
Harnwege nimmt einen immer wichtigeren Stellenwert in der Diagnostik des vesikoureterorenalen
Refluxes ein und sollte als Primärdiagnostik bei entsprechender Verfügbarkeit der
Ressource in den dafür passenden Fällen eingesetzt werden. Als Indikationsstellung
gilt der Verdacht auf einen vesikoureterorenalen Reflux, der entweder primär oder
sekundär auftritt. Indikationen sind eine angeborene Hydronephrose, eine verwandte
Person 1. Grades mit einem vesikoureterorenalen Reflux, eine Harnwegsinfektion mit
non-E. coli-Bakterien, eine auffällige B-Bild-Sonografie nach einem fieberhaften Harnwegsinfekt
oder eine mindestens zweimalig aufgetretene Pyelonephritis im Alter von weniger als
zwei Jahren. Die ceVUS ist eine schnell zu lernende Untersuchung, die der bisherigen
Goldstandarduntersuchung (VCUG) gleichzusetzen ist, und sollte bei fehlender Strahlenexposition
bei häufig sehr jungen Patienten*innen als Primärdiagnostik genutzt werden. Die Untersuchung
sollte nicht während, sondern erst nach behandelter Harnwegsinfektion/Pyelonephritis
im entzündungsfreien Zeitraum erfolgen. Hierbei ist zu beachten, dass nach der Infekt-Behandlung
ausreichend Zeit vergangen sein sollte, um keine falsch negativen Befunde infolge
einer vorübergehenden Schwellung des Ostiums und des distalen Ureterabschnitts zu
riskieren.
Bei methodenbedingten Schwächen in der Diagnostik geringgradig ausgeprägter vesikoureterorenaler
Refluxe (Grad I) kann je nach klinischer Relevanz bei persistierendem Verdacht bei
unauffälliger ceVUS eine VCUG bzw. RNC ergänzt werden. Zur Koordination der gesamten
Untersuchungen und gegebenenfalls zügigen Therapieeinleitung ist eine Anbindung des
Patienten an ein kinderurologisches, -chirurgisches oder -nephrologisches Zentrum
sinnvoll. Hier kann dann insbesondere bei konservativem Vorgehen, bestenfalls in einem
interdisziplinären Board, die aktuell diskutable Frage einer antibiotischen Dauerprophylaxe
geklärt werden.