Ultraschall Med 2024; 45(03): 329-330
DOI: 10.1055/a-2312-0967
DEGUM-Mitteilungen

STELLUNGNAHME der DEGUM zur transvaginalen Sonografie der Eierstöcke – Unzulässiger Eingriff in die ärztliche Beratungskompetenz und in die freiheitliche Selbstbestimmung der Patientinnen

 

Erneut stehen Individuelle Gesundheitsleistungen (IGeL) in der Kritik. Es handelt sich um medizinische Leistungen außerhalb des Leistungskataloges der gesetzlichen Krankenkassen. Anfang April hat der Patientenbeauftragte der Bundesregierung, Stefan Schwartze (SPD), sogar vorgeschlagen, bestimmte IGeL-Leistungen zu verbieten. Dabei wurde zum wiederholten Mal die transvaginale Sonografie von Uterus und Eierstöcken angeprangert. Die DEGUM kritisiert wie schon 2023 diese Einschätzung und fürchtet eine Verunsicherung der Patientinnen. Die DEGUM weist wiederholt darauf hin, dass die transvaginale Sonografie der Eierstöcke als wichtige komplettierende Erweiterung der gynäkologischen Routine-Untersuchungen zu betrachten sei, unter anderem in der Diagnostik und Ausbreitungseinschätzung der Endometriose. Eine pauschale Kritik an den angebotenen Selbstzahlerleistungen hält die DEGUM für einen unzulässigen Eingriff in die ärztliche Beratungskompetenz und in die freiheitliche Selbstbestimmung der Patientinnen.


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Die DEGUM sieht die Gefahr, dass eine bewährte und wichtige Untersuchungsmethode grundsätzlich in Misskredit gerät, durch Äußerungen wie: „Junge Frauen werden völlig unnötig in Angst und Schrecken versetzt“. Stefan Schwartze wiederholt hier wörtlich den IGeL-Monitor von 2023, den die DEGUM bereits kommentiert hat. Die Fachgesellschaft möchte deshalb nochmals ihre Stellungnahme wiederholen.

Richtig ist, dass die aktuelle Datenlage keine Reduktion der Sterblichkeit durch ein allgemeines Screening auf Eierstockkrebs durch den Ultraschall nachweisen konnte und daher eine solche Regeluntersuchung mittels Ultraschall oder Tumormarkern von nationalen wie internationalen Fachgesellschaften zu Recht abgelehnt wird. Dennoch gibt es zahlreiche Beispiele für den belegten Nutzen des transvaginalen Ultraschalls an den Eierstöcken. Der Patientenbeauftragte wird den Patientinnen einen Bärendienst erwiesen haben, wenn diese dem als schädigend dargestellten transvaginalen Ultraschall nun lieber aus dem Weg gehen.

Die transvaginale Sonografie der Eierstöcke ist nachweislich die treffsicherste nicht invasive Methode zur Differenzierung zwischen gut- und bösartigen Eierstockbefunden [6]. Nicht zuletzt ist sie das wegweisende diagnostische Instrument bei eierstockbedingten Notfällen wie zum Beispiel akuten Verdrehungen, Einblutungen, schweren Infektionen mit Abszessbildung oder Eileiter-Schwangerschaften [7]. Viele dieser Probleme entwickeln sich häufig und lange ohne warnende Symptome.

Transvaginale Sonografie bedeutsam in der Diagnostik und Ausbreitungseinschätzung der Endometriose

Das Hauptargument für das Angebot einer transvaginalen Sonografie ist also nicht die Krebsfrüherkennung, sondern die komplettierende Erweiterung der gynäkologischen Routine-Untersuchungen. Der Fokus liegt hierbei auf den viel häufigeren funktionellen und gutartigen Veränderungen sowie gynäkologischen Problemen. Allen voran sei hier die Endometriose mit geschätzten 40 000 Neuerkrankungen pro Jahr in Deutschland genannt, bei der die Betroffenen die oft um Jahre verzögerte Diagnose bemängeln. Es findet sich in den vergangenen Jahren zunehmend eine Evidenz für die herausragende Bedeutung der Ultraschallmethode in der Diagnostik und Ausbreitungseinschätzung der Endometriose [4]. Sie ermöglicht ein Monitoring der normalen wie der auffälligen Eierstockfunktion sowie die Einschätzung von Risikofaktoren beim unerfüllten Kinderwunsch oder von Fehlgeburten [1]. Aber auch anderen, nicht krebsassoziierten Befunden, wie gutartigen, aber behandlungsbedürftigen Raumforderungen des Eierstocks, Eileiterverklebungen oder Veränderungen mit Entartungsrisiko (sogenannten Borderline-Tumoren) wird in der Argumentation des IGeL-Monitors keine Rechnung getragen.

In einer der größten und aktuellsten Studien zum Screening der Eierstöcke wird eine Rate von 8–18 Falsch-Positiv-Fällen auf 100 000 untersuchte Frauen ermittelt [2] [5]. Das heißt, das individuelle Risiko für einen solchen Falsch-Positiv-Befund ist sehr niedrig. Auf der anderen Seite wäre beispielsweise die Operation einer Eierstock-Zyste aufgrund einer voranschreitenden Endometriose medizinisch sinnvoll; im Sinne einer Krebsfrüherkennung würde sie als falsch-positiv in die Statistik einfließen. Des Weiteren wird längst nicht jeder auffällige Befund operiert. Die DEGUM setzt sich hier für ein Mehrstufenkonzept ein, sodass in Zweifelsfällen stets eine Ultraschallexpertin oder ein Ultraschallexperte hinzugezogen werden sollte, bevor aufwendigere oder invasive Verfahren eingeleitet werden [3]. Auch die Daten des Instituts für Qualitätssicherung und Transparenz im Gesundheitswesen (IQTIG) belegen keinen Trend für einen Anstieg an Eierstock-Operationen. Insbesondere bei Eingriffen an den Ovarien sind die durchführenden Krankenhäuser in hohem Maße zur Meldung der Anzahl der Eingriffe, der Rate des Organerhalts, der Komplikationen und nicht zuletzt der Ergebnisse der feingeweblichen Untersuchung verpflichtet. Kliniken, die wahllos Eierstöcke wegen unauffälliger Befunde operieren oder gar entfernen würden, würden in den jährlichen Auswertungen des IQTIG auffallen.

Die DEGUM sieht eine zwingende Notwendigkeit darin, Patientinnen bezüglich des Nutzens und der Risiken einer Untersuchungsmethode umfassend aufzuklären. Die Fachgesellschaft wird sich weiterhin in der Aus- und Weiterbildung der gynäkologischen Sonografie engagieren und die aktuellen wissenschaftlichen Fortschritte zum Nutzen der Patientinnen intensiv unterstützen.


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Publikationsverlauf

Artikel online veröffentlicht:
04. Juni 2024

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