Z Sex Forsch 2024; 37(03): 151-166
DOI: 10.1055/a-2343-4279
Praxisbeitrag

Der aktuelle Forschungsstand zur Menstruationsgesundheit: Überblick über 20 bio-psycho-soziale Aspekte

The Current State of Research on Menstrual Health: Overview of 20 Bio-Psycho-Social Aspects
Nicola Döring
1   Institut für Medien und Kommunikationswissenschaft, Technische Universität Ilmenau
,
Anastasiia Shevtsova
1   Institut für Medien und Kommunikationswissenschaft, Technische Universität Ilmenau
,
Claudia Schumann-Doermer
2   Ärztin für Frauenheilkunde und Geburtshilfe, Ärztliche Psychotherapeutin, Northeim
› Author Affiliations
 

Zusammenfassung

Seit dem Jahr 2022 hat die Weltgesundheitsorganisation die Menstruationsgesundheit als zentrales Gesundheits- und Menschrechtsthema anerkannt. Bei der Menstruationsgesundheit geht es um ein ganzheitliches physisches, psychisches und soziales Wohlbefinden rund um die Monatsblutung. Regierungen sollen aktiv dazu beitragen, durch sachgerechte Menstruationsaufklärung, Bereitstellung von Menstruationsprodukten sowie medizinische Menstruationsversorgung, der tradierten Tabuisierung des Themas sowie der Stigmatisierung und Diskriminierung von menstruierenden Menschen in den einzelnen Staaten entgegenzuwirken. Das individuelle Menstruationserleben ist oftmals negativ, geprägt von Schmerz, Stress und Scham. Dabei kann die Periode auch als Zeichen reproduktiver Gesundheit und guter Allgemeingesundheit sowie als Ausdruck weiblicher Potenz gewürdigt und mit Stolz verbunden werden. Der vorliegende Beitrag fächert die verschiedenen Dimensionen der Menstruation vor dem Hintergrund aktueller Debatten um Menstruationsgesundheit auf. Es werden 20 verschiedene Aspekte in einem bio-psycho-sozialen Modell strukturiert. So geht es unter anderem um Menstruations-Apps, nachhaltige Monatshygiene, menstruationsfreundliche Arbeitsplätze, Menstruationssex, mediale Menstruationsdarstellungen und Menstruationsaktivismus. Der Beitrag präsentiert aktuelle Forschungsergebnisse, Praxisbeispiele und Visualisierungen, um sowohl die sexualpädagogische Praxis als auch die sexualwissenschaftliche Forschung zur weiteren Auseinandersetzung mit dem facettenreichen Phänomen der Menstruation zu inspirieren.


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Abstract

Since 2022, the World Health Organization has recognized menstrual health as a key health and human rights issue. Menstrual health is the holistic physical, psychological and social well-being associated with menstruation. Governments should actively contribute to counteracting the traditional taboos about menstruation, as well as stigmatization and discrimination against menstruating people through appropriate menstrual education, the provision of menstrual products and medical menstrual care. The individual experience of menstruation is often negative, characterized by pain, distress and shame. However, menstruation can also be recognized as a sign of reproductive health and good general health, as well as an expression of female potency and thus associated with pride. This article explores the different dimensions of menstruation in the context of current debates on menstrual health. It structures 20 different aspects in a bio-psycho-social model. These include menstrual apps, sustainable menstrual hygiene, menstrual-friendly workplaces, menstrual sex, media portrayals of menstruation, and menstrual activism. The article presents recent research findings, practical examples and visualizations to inspire both sexuality education and sexuality research to further explore the multifaceted phenomenon of menstruation.


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Jeden Monat menstruieren weltweit knapp zwei Milliarden Menschen [ 1 ] ([UNICEF 2023]). Die Bedingungen, unter denen sie das tun, variieren je nach Kulturkreis, Religion, Arbeitsplatz und Familie. Insbesondere im globalen Süden führen schlechte Hygienebedingungen und Tabuisierung (d. h. mangelnde Besprechbarkeit) dazu, dass viele Mädchen während der Monatsblutung nicht zur Schule gehen können. Auch im globalen Norden bzw. in einkommensstarken Ländern wird über hohe Kosten für Hygieneprodukte und über Stigmatisierung (d. h. Abwertung und Ausgrenzung) geklagt ([Barrington et al. 2021]). Eine aktuelle Befragung ergab, dass etwa 50 % der Frauen in Deutschland ihre Menstruation akzeptieren und 50 % damit hadern ([Plan International und WASH United 2022]). Die große Mehrheit der Menstruierenden berichtet, dass es für sie äußerst unangenehm und peinlich wäre, wenn durch Menstruationsartikel, Gerüche oder Blutflecke ihre Periode für Dritte bemerkbar wäre ([Thomas und Melendez-Torres 2024]). Neben körperlichen Menstruationsbeschwerden sind es insbesondere die mit dem Menstruationsstigma verbundenen gesellschaftlichen Erwartungen an eine jederzeit perfekt diskrete Handhabung der Blutung, die zu Stress und Scham bei Menstruierenden führen. Stigmatisierung der Menstruation steht in kulturhistorischem Zusammenhang mit männlicher Vorherrschaft, da die Blutung als Anlass bzw. Vorwand dienen kann, Mädchen und Frauen Unreinheit und Unzurechnungsfähigkeit zuzuschreiben und sie von bestimmten Aktivitäten und Orten auszuschließen ([Tan et al. 2017]).

Vor allem Aktivist*innen aus dem globalen Süden haben durch ihr beständiges Engagement erreicht, dass im Jahr 2022 die Weltgesundheitsorganisation (WHO) die Menstruationsgesundheit als zentrales Gesundheits- und Menschenrechtsthema anerkannt hat ([Hennegan et al. 2019]; [WHO 2022]). Mit dem Konzept der menstruellen Gesundheit und Rechte (engl. menstrual health and rights) wird die Monatsblutung in einen positiven Bedeutungsrahmen gestellt: Menstruationsgesundheit meint das maximal erreichbare physische, psychische und soziale Wohlbefinden rund um die Monatsblutung. Man spricht auch vom Ziel der gesunden, sicheren und menschwürdigen Menstruation (engl. healthy, safe, and dignified menstruation). Die WHO fordert alle Staaten auf, die für individuelle Menstruationsgesundheit notwendige Versorgung der Bevölkerung sicherzustellen bezüglich a) Menstruationsaufklärung, b) Menstruationsprodukten, sowie c) medizinischer Menstruationsversorgung.

Diese Betrachtungsweise entspricht dem allgemeinen WHO-Verständnis von sexuellen und reproduktiven Rechten und impliziert, dass die Menstruation als Thema normalisiert wird. Schließlich lässt sich die Monatsblutung auch als Ausdruck reproduktiver Gesundheit, guter Allgemeingesundheit und weiblicher Potenz betrachten ([Gille et al. 2021]). Dem Menstruationsstigma mit bejahenden Konzepten wie Periodenpositivität (engl. period positivity) oder weiblicher Potenz zu begegnen, birgt jedoch wiederum Probleme, nämlich Weiblichkeit auf biologische Faktoren zu verkürzen, Beschwerden und Störungen rund um die Menstruation auszublenden, nicht menstruierende Frauen in ihrer Weiblichkeit abzuwerten sowie Menstruierende, die sich nicht als Frauen identifizieren, zu exkludieren. Das Thema Menstruation ist also nicht nur facettenreich, sondern auch spannungsgeladen angesichts konträrer Ansätze der Entstigmatisierung. Sichtbar sind solche Spannungen nicht nur in Wortbeiträgen, sondern auch in Bildbeiträgen zur Menstruation. Ein kurzer Blick in die führende Stockfoto-Datenbank [ 2 ] Adobe Stock genügt, um zu erkennen, dass die Menstruation heutzutage sowohl blumig als auch blutig dargestellt wird (siehe [ Abb. 1 ]). Die Wahrnehmungen und Wirkungen unterschiedlicher Visualisierungen der Menstruation sind bislang kaum erforscht.

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Abb. 1 Visualisierungen der Menstruation in Stockfotos zwischen blumiger (links) und blutiger (rechts) Binde. ((Quelle: © lavrenkova/stock.adobe.com/© Pixel-Shot/stock.adobe.com))

Der vorliegende Übersichtsbeitrag präsentiert den aktuellen Diskussionsstand zur Menstruationsgesundheit. [ 3 ] Er greift auf Ergebnisse der interdisziplinären Menstruationsforschung, Praxisbeispiele und Visualisierungen zurück. Im Einzelnen werden 20 menstruationsbezogene Themen im Rahmen eines bio-psycho-sozialen Modells der Menstruationsgesundheit behandelt.

Konzeptuelle Modelle der Menstruationsgesundheit

Menstruation, Mens, Menorrhoe, Monatsblutung, Regelblutung, Periode, Tage, Rote Woche, Erdbeerwoche, Besuch von Tante Rosa, Falsche Zeit im Monat: Die fachlichen und alltagssprachlichen Bezeichnungen für die Menstruation sind mindestens so vielfältig wie die verschiedenen inhaltlichen Dimensionen des Phänomens. Zur Strukturierung der einzelnen Aspekte existieren im Wesentlichen drei konzeptuelle Modelle:

  • Kausalmodell der Menstruationsgesundheit und Menstruationsgerechtigkeit mit drei Ebenen ([Hennegan et al. 2019]): Demgemäß bestimmen auf der ersten Ebene die gesellschaftlichen Verhältnisse (Menstruationsstigma, Geschlechterrollen, aber auch Infrastruktur wie Wasserversorgung und ökonomische Faktoren wie Verfügbarkeit von Hygieneprodukten) den auf der zweiten Ebene angesiedelten praktischen Umgang mit der Menstruation (z. B. Fortsetzung der üblichen Alltagsaktivitäten im Zuge von effizientem Menstruationsmanagement oder sozialer Rückzug), der sich dann auf der dritten Ebene in mehr oder minder gut realisierter Menstruationsgesundheit und -gerechtigkeit niederschlägt (z. B. physisches und psychisches Wohlbefinden der Menstruierenden, gleichberechtigte Teilhabe an Bildung und Beruf).

  • Interaktionsmodell der Menstruation als gynäkologisches Thema mit Schnittstellen zu fünf weiteren gesellschaftlichen Bereichen ([Ramaiyer et al. 2023]): Demgemäß ist die Menstruation als gynäkologisches Thema maßgeblich verbunden mit 1) der Psychologie (z. B. Stress als Folge der Menstruation), 2) der Bildung (z. B. Menstruationsaufklärung), 3) der Wirtschaft (z. B. Entwicklung und Vermarktung neuer Menstruationsprodukte), 4) der Gesetzgebung (z. B. Recht auf sog. Menstruationsurlaub) und 5) der Kultur (z. B. religiöse Vorschriften im Umgang mit der Menstruation).

  • Bio-psycho-soziales Dimensionsmodell der Menstruationsgesundheit und ihrer Voraussetzungen ([WHO 2022]): Demgemäß sind im Zusammenhang mit Menstruationsgesundheit Aspekte auf drei Dimensionen relevant: 1) biologische Dimension (z. B. Menstruationszyklus, Management der Blutung), 2) psychologische Dimension (z. B. Erleben der Menstruation zwischen Schmerz, Scham, Stolz) und 3) soziale Dimension (z. B. Umgang mit der Menstruation im Kontext von Arbeit, Sport, Sexualität).

Der vorliegende Beitrag verfolgt einen integrativen und interdisziplinären Ansatz. Er greift das bio-psycho-soziale Dimensionsmodell der Menstruationsgesundheit auf und unterlegt es mit 20 zentralen Aspekten, die in den anderen beiden Menstruationsmodellen enthalten sind und in der aktuellen Menstruationsdebatte eine wichtige Rolle spielen (siehe [ Tab. 1 ]). Das Modell ordnet die einzelnen Aspekte schwerpunktmäßig je einer Dimension zu, was jedoch nicht als exklusive Zuordnung zu verstehen ist, da es immer auch Interaktionen mit den anderen Dimensionen gibt. So basieren beispielsweise Menstruationsstörungen auf biologisch-organischen Ursachen, sie haben aber jenseits der biologischen Dimension auch psychologische und soziale Dimensionen (z. B. psychosomatisches Erleben der Störung, Umgang mit der Störung im sozialen Kontext). Die Strukturierung der Aspekte in einem Dimensionsmodell ist nützlich, um z. B. bei einem interdisziplinären Forschungsprojekt, einem sexualpädagogischen Bildungsprojekt oder bei einer Medieninhaltsanalyse zu entscheiden, welche Aspekte ein- oder ausgeschlossen werden sollen.

Tab. 1

Bio-psycho-soziales Modell der Menstruationsgesundheit mit 20 Aspekten (eigene Darstellung).

Modelldimensionen

Biologisch

Psychologisch

Sozial

Themengruppen

Menstruation und Zyklus

Menstruations-management

Medizinische Menstruations-versorgung

Menstruationserleben

Menstruation im Kontext

Gesellschaftlicher Umgang mit Menstruation

Aspekte

1. Physiologie

2. Monitoring

3. Hormonelle Verhütungsmittel

4. Menstruations-produkte: Monatshygieneartikel und Schmerzmittel

5. Menstruations-kosten

6. Menstruations-störungen

7. Prämenstruelle Störungen

8. Menstruelle und prämenstruelle Beschwerden

9. Positives Menstruationserleben

10. Erste Menstruation (Menarche)

11. Letzte Menstruation (Menopause)

12. Genderdiverse Menstruierende

13. Freizeit und Sport

14. Ausbildung und Arbeit

15. Sexualität

16. Medien

17. Kultur und Religion

18. Aktivismus und Politik

19. Aufklärung und Bildung

20. Forschung


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Menstruation und Zyklus

Die Monatsblutung ist Bestandteil des Menstruationszyklus. Zum grundlegenden Verständnis der Menstruation gehören die Physiologie der Menstruation und des Zyklus (1) sowie das Monitoring derselben mittels Kalender oder Smartphone-App (2). Diese beiden Aspekte der Menstruation sind eng mit biologischen bzw. physiologischen Prozessen verbunden und somit der biologischen Dimension des bio-psycho-sozialen Modells zugeordnet (siehe [ Tab. 1 ]).

Physiologie der Menstruation

Die Gebärmutter (Uterus) ist durch eine Schleimhaut (Endometrium) ausgekleidet, die aus zwei Schichten besteht. Die untere Schicht (Basalis) bleibt konstant, die obere Schicht (Funktionalis) verändert sich im Laufe des Zyklus. Die Monatsblutung (Menstruation) ist die monatliche Abstoßung der oberen Schicht der Gebärmutterschleimhaut, die ausgeschieden wird, wenn keine Schwangerschaft eingetreten ist. Dies zeigt sich durch eine Blutung aus der Gebärmutter, die über die Vagina nach außen geleitet wird. Am ersten Tag der Menstruation beginnt definitionsgemäß der Menstruationszyklus. Er dauert typischerweise 25 bis 35 Tage, wobei verschiedene Faktoren zu einer Verkürzung oder Verlängerung des Zyklus führen können. Der Menstruationszyklus bereitet den Körper auf eine mögliche Schwangerschaft vor.

Koordiniert wird der Menstruationszyklus vom zentralen Nervensystem ([Goeckenjan et al. 2024]): Der Hypothalamus als Teil des Zwischenhirns steuert die periodischen Vorgänge im Körper (z. B. Schlaf-Wach-Zyklus, Menstruationszyklus) und produziert u. a. das Gonadotropin-freisetzende Hormon (engl. gonadotropin releasing hormone; GnRH). Das GnRH stimuliert die Hirnanhangdrüse (Hypophyse), sowohl das follikelstimulierende Hormon (FSH) als auch das luteinisierende Hormon (LH) freizusetzen. Stimuliert durch die Hypophysenvorderlappenhormone LH und FSH werden in den Eierstöcken (Ovarien) die Geschlechtshormone (Ovarialhormonoe) Östrogen und Progesteron gebildet. Am Menstruationszyklus beteiligt sind also drei Organe, man spricht von der Hypothalamus-Hypophysen-Ovar-Achse (engl. hypothalamic-pituitary-ovarian axis).

In der ersten Zyklusphase reifen unter der Wirkung des FSH die Eibläschen (Follikel) heran (Follikelphase des Zyklus). Sie produzieren Östrogen und die Gebärmutterschleimhaut baut sich auf. Die Follikelphase endet, wenn als Folge des Anstiegs von LH ein Follikel platzt und die Eizelle freigibt (Eisprung, Ovulation). Ab dem Eisprung steigt die Basaltemperatur um 0.5 Grad Celsius. Die reife Eizelle wird vom Eileiter aufgenommen und wandert über mehrere Tage durch den Eileiter zur Gebärmutter. Der leere Follikel wandelt sich zum Gelbkörper und produziert das Gelbkörperhormon (Progesteron), das den weiteren Aufbau und Unterhalt der Gebärmutterschleimhaut bewirkt (Lutealphase des Zyklus). Kommt es im Eileiter zu einer Befruchtung der Eizelle, kann sie sich in die vorbereitete Schleimhaut der Gebärmutter einnisten und weiterentwickeln. Eine Schwangerschaft ist eingetreten und der Gelbkörper produziert zunächst das Gelbkörperhormon weiter.

Wird die Eizelle nicht befruchtet, entwickelt sich der Gelbkörper zurück und der Progesteronspiegel sinkt. Die Folge des abfallenden Hormonspiegels: Die aufgebaute obere Schicht der Gebärmutterschleimhaut und die unbefruchtete Eizelle werden zusammen mit Vaginalsekret und Blut wieder abgestoßen. [ 4 ] Diese Blutung gilt als Beginn des nächsten Menstruationszyklus. Das Abstoßen der Gebärmutterschleimhaut geht mit einem mehr oder minder spürbaren, zum Teil schmerzhaften Zusammenziehen der Gebärmutter einher. Der geringe Östrogen- und Progesteronspiegel direkt vor und während der Menstruation kann zudem diverse körperliche und psychische Veränderungen auslösen (z. B. Müdigkeit, Wassereinlagerungen, depressive Verstimmungen, Heißhunger).

Bei Abwesenheit von Störungen dauert die Monatsblutung (Eumenorrhoe) drei bis sieben Tage, wobei rund 50 bis 80 ml Blut bzw. Menstruationsflüssigkeit ausgeschieden werden. Im Schnitt menstruieren Frauen heute über eine Zeitspanne von 40 Jahren hinweg (im Alter von rund elf bis 51 Jahren). Sie durchleben dabei etwa 450 bis 480 Menstruationen abzüglich Menstruationspausen durch Schwangerschaften und Stillzeiten oder medikamentöser Unterdrückung der Blutung ([Wiegratz und Kuhl 2004]).

Eine detaillierte Darstellung der Physiologie des Menstruationszyklus bezüglich Hormonausschüttung, Eireifung und Gebärmutterschleimhautaufbau einschließlich Monatsblutung findet sich in gängigen Schulbüchern der Biologie (siehe [ Abb. 2 ]). Hier erscheint die Menstruation eingebettet in den komplexen Menstruationszyklus, dessen genaue Abläufe vermutlich nur einer Minderheit der Bevölkerung geläufig sind. Wissen über den Menstruationszyklus ist indessen wichtig für die Menstruationsgesundheit, für die Schwangerschaftsverhütung und für die Versorgung bei Menstruationsstörungen.

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Abb. 2 Schematische Darstellung der Physiologie von Menstruation und Zyklus wie sie in ähnlicher Form in Schulbüchern zu finden ist (LH: luteinisierendes Hormon; FSH: follikelstimulierendes Hormon) ((Quelle: Schünke M, Schulte E, Schumacher U, Voll M, Wesker K. 5.4 Inneres weibliches Genitale: Wandaufbau und Funktion des Uterus. In: Schünke M, Schulte E, Schumacher U, Voll M, Wesker K, Hrsg. Prometheus LernAtlas – Innere Organe. 6., vollständig überarbeitete und erweiterte Auflage. Stuttgart: Thieme 2022; doi:10.1055/b000000614).)

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Monitoring der Menstruation

Um Überblick über den Menstruationszyklus zu behalten, die Zeit um die Monatsblutung vorauszuplanen oder ihr Ausbleiben zu bemerken, wird Menstruierenden für das Monitoring ein Kalender empfohlen. Während dieser früher auf Papier geführt wurde, haben sich im Digitalzeitalter Menstruations-Apps (auch: Menstruationskalender-Apps, Zyklus-Apps, Zyklus-Tracker, Perioden-Tracker) etabliert als Teil des boomenden Marktes für FemTech (Female Health Technology), d. h. von Digitaltechnologien für die Frauengesundheit. Die Presse erstellt regelmäßig Übersichten der populärsten Apps (z. B. FLO, Clue, MyNFP, Ovy, Period Tracker) mit ihren Kosten und Funktionen (z. B. [Schirmer 2021]). Perioden-Tracker erlauben das Eingeben der Blutungstage. Die App gibt eine statistische Vorausberechnung der nächsten Monatsblutung aus. Die Eisprungschätzung kann als Information genutzt werden, wenn eine Schwangerschaft angestrebt wird. Weiterhin liefern manche Apps zusätzliche Informationen zur Menstruationsgesundheit. Die führende Zyklus-App FLO bietet auch die Option, die Zyklusdaten mit Partner*innen zu teilen, um etwa bei Kinderwunsch die gemeinsame Zeitplanung zu unterstützen (https://flo.health/de).

Die Nutzung von Menstruations-Apps kann die Körperwahrnehmung fördern ([Levy und Romo-Avilés 2019]). Andererseits sind Datenschutzbedenken relevant, insbesondere in Ländern, in denen der Schwangerschaftsabbruch illegalisiert ist ([Wimmer 2022]). Es wird empfohlen, die Datenschutzbestimmungen der Apps genau zu prüfen. Die meisten Zyklus-Apps sind nicht zur Verhütung zugelassen, da die Kalendermethode zur Eisprungschätzung zu ungenau ist ([DGGG et al. 2024]). Dennoch werden Zyklus-Apps immer wieder fälschlich zur Verhütung genutzt ([Hohmann-Marriott und Starling 2022]). Die Auswirkungen des Teilens von Zyklusdaten in Paarbeziehungen sind bislang unbekannt.


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Menstruationsmanagement

Hormonelle Verhütungsmittel können die Blutung unterdrücken (1). Menstruationsprodukte fangen das Blut auf und lindern Schmerzen (2). All das ist mit Kosten verbunden (3). Diese drei Aspekte des Menstruationsmanagements drehen sich vor allem um den Umgang mit dem körperlichen Prozess der Blutung. Sie sind daher der biologischen Dimension des bio-psycho-sozialen Modells zugeordnet (siehe [ Tab. 1 ]).

Hormonelle Verhütungsmittel

Die Pille und andere hormonelle Verhütungsmittel können Blutungen und Schmerzen reduzieren bis zum völligen Ausbleiben einer Blutung. Andererseits können sich durch die Kupferspirale Blutung und Schmerzen während der Menstruation intensivieren.

Die Verhütungspille besteht meist aus einer festen Kombination von Östrogen und Gestagen. Das typische Einnahmeschema dieser Einphasen-Kombinationspille sieht nach 21 Tagen täglicher Wirkstoffeinnahme eine siebentägige Einnahmepause vor, in der es zur Hormon-Entzugsblutung kommt. Dieses Einnahmeschema ahmt den natürlichen Zyklus nach. Wird die Pille jedoch ohne Pause durchgenommen (sog. Langzyklus, Langzeitzyklus), setzt die monatliche Entzugsblutung aus ([Keck et al. 2019]). Prinzipiell sind alle Einphasen-Mikropillen für die Langphasen-Einnahme geeignet. In Deutschland sind drei Pillen offiziell für den Langzyklus zugelassen (Seasonique, Evaluna und Velmari). Bei den anderen oralen sowie nicht oralen (z. B. Hormonring, Hormonpflaster) hormonellen Verhütungsmitteln gehört die Nutzung im Langzyklus zum Off-Label-Gebrauch.

Die Notwendigkeit der Entzugsblutung bei Pilleneinnahme wird zunehmend infrage gestellt. Die inzwischen erreichte hohe Anzahl an Lebenszeit-Monatsblutungen (ca. 450 bis 480 versus 160 noch vor 120 Jahren) wird sogar als potenzielles Gesundheitsrisiko betrachtet ([Thomas und Ellertson 2000]). Die medikamentöse Unterdrückung der Blutung entlastet von Hygienemaßnahmen und kann bei Menstruationsbeschwerden wie Schmerzen und Stimmungsschwankungen, bei zyklusabhängigen Erkrankungen wie Endometriose und Migräne sowie bei transmaskuliner oder nichtbinärer geschlechtlicher Identität Erleichterung bringen ([Davis 2019]; [Ramaiyer et al. 2023]; [Wiegratz und Kuhl 2004]). Allerdings geht ein Langzeitzyklus mit einer erhöhten Hormonzufuhr einher, was bei einigen Menstruierenden Bedenken hinsichtlich der Nebenwirkungen sowie einer Entfremdung vom natürlichen Zyklus aufwirft. Wenn die Option zur medikamentösen Unterdrückung der Blutung zur neuen Norm würde, könnte sich das Menstruationsstigma verstärken. Vor diesem Hintergrund divergierender Beurteilungen bedeutet Menstruationsautonomie, eigenständig eine informierte Entscheidung treffen und umsetzen zu können. Immer wieder werden beispielsweise bei Menschen mit Behinderungen Verletzungen der sexuellen und reproduktiven Selbstbestimmung beklagt, etwa wenn Frauen, die nicht sexuell aktiv sind, ohne informierte Einwilligung die Pille im Langzyklus verabreicht wird, um die Monatsblutung zu vermeiden und die Pflege zu erleichtern (vgl. [Draths 2022]).


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Menstruationsprodukte: Monatshygieneartikel und Schmerzmittel

Es gibt eine Vielzahl von Artikeln der Monatshygiene (siehe [ Abb. 3 ]) mit jeweils unterschiedlichen Vor- und Nachteilen, wobei Tampons und Binden in Deutschland am weitesten verbreitet sind ([Plan International und WASH United 2022]: 12). Sie erfordern die Verfügbarkeit von Hygienebeuteln, Abfalleimern und Waschbecken für eine problemlose Nutzung. Umweltbewusste Menstruierende suchen vermehrt nach nachhaltigen Alternativen wie plastikfreien Bio-Tampons und Bio-Binden, waschbaren Menstruationsschwämmen (sog. Soft-Tampons) und Stoffbinden. Weitere Optionen sind auswaschbare Menstruationstassen und -scheiben aus Silikon, die in der Vagina getragen werden und es noch umfassender als Tampons erfordern, sich selbst in die Vagina zu greifen. Periodenunterwäsche und Periodenbadebekleidung aus besonders saugfähigem Material sollen Binden ergänzen oder ersetzen. Alternativ dazu gibt es die Methode des Free Bleeding, die ganz ohne Hygieneprodukte auskommt. Beim Free Bleeding wird das in Intervallen aus der Gebärmutter in die Vagina fließende Blut gezielt in die Toilette abgegeben, sofern man den richtigen Zeitpunkt erspüren und die Alltagsabläufe auf häufige Toilettengänge einstellen kann.

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Abb. 3 Illustration von Produkten der Monatshygiene: Menstruationstasse, Tampon, Binde, Periodenunterwäsche, Stoffbinde (von links nach rechts) ((Quelle: © Renata Sattler/stock.adobe.com).)

Soziale Normen verlangen im Sinne einer strengen Menstruationsetikette in vielen Kontexten eine maximal diskrete Handhabung der Monatshygiene. Darüber hinaus bestimmen wirtschaftliche und infrastrukturelle Faktoren (Verfügbarkeit und Finanzierbarkeit, lokale Wasserversorgung) die Wahl der Produkte. Nicht zuletzt spielen kulturelle Faktoren und individuelle Präferenzen eine wichtige Rolle: So ist in Deutschland der sogenannte manuelle Tampon fest etabliert, der mit dem Finger in die Vagina geschoben und mit dem Rückholfaden wieder entfernt wird. In anderen Ländern werden nur Tampons mit Einführhilfe akzeptiert, da die Benutzung des eigenen Fingers als unhygienisch oder unpassend gilt. In katholisch geprägten lateinamerikanischen Ländern hat sich der Tampon bis heute nicht durchgesetzt, da seine Einführung in die Vagina mit sexueller Penetration assoziiert wird: Mädchen und Frauen, die Tampons nutzen, wird nicht selten zugeschrieben, dass sie keine Jungfrauen mehr seien, wohl auch gern masturbieren und sich insgesamt promisk verhalten würden ([Tarzibachi 2022]). Vorbehalte gegen den Tampon gibt es auch in anderen kulturellen und religiösen Kontexten, in denen Jungfräulichkeit als Wert propagiert wird.

Neben Hygieneartikeln benutzen Menstruierende noch weitere Produkte, insbesondere verschreibungsfreie krampflösende Schmerzmittel [ 5 ] (z. B. Dolormin, Buscopan) und andere schmerzlindernde Mittel wie Wärmflaschen, Wärmekissen, Wärmepflaster, Entspannungsbäder, krampflösende Tees usw. ([Plan International und WASH United 2022]). Eine ausreichende Versorgung mit Hygieneprodukten und bei Bedarf auch mit schmerzlindernden Mitteln ist für Menstruierende wichtig, um während der Monatsblutung weitgehend ungestört gewünschten Aktivitäten nachgehen zu können. Seit 2014 wird jedes Jahr am 28. Mai der internationale Tag der Menstruationshygiene (engl. menstrual hygiene day; MHD) organisiert, um auf die Verfügbarkeit von Produkten der Monatshygiene als Menschenrecht hinzuweisen.


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Menstruationskosten

Zu den Menstruationskosten gehören die Kosten für die Hygieneprodukte und Schmerzmittel sowie für Menstruations-Tracker; auch hormonelle Verhütungsmittel können dazugezählt werden. Hochrechnungen gehen von Lebenszeit-Menstruationskosten aus, die zwischen 7000 und 17 000 Euro liegen (vgl. [Moss 2015]). Insbesondere für einkommensschwache Frauen stellen Menstruationskosten ein Problem dar, das international als Periodenarmut (engl. period poverty) bezeichnet wird. In Deutschland gab 2019 knapp ein Viertel (23 %) der Frauen an, die Menstruationskosten als finanzielle Belastung zu erleben und z. B. durch selteneres Wechseln von Binden und Tampons Kosten einzusparen, was mit Komfortverlust und Gesundheitsrisiken [ 6 ] einhergeht ([Plan International und WASH United 2022]).

Angesicht hoher Menstruationskosten und Periodenarmut wurde lange kritisiert, dass auf Produkte der Monatshygiene in Deutschland 19 % Mehrwertsteuer entfallen. Eine 2015 gestartete Online-Petition an die deutsche Bundesregierung unter dem Titel „Die Periode ist kein Luxus – senken Sie die Tamponsteuer!“ war mit knapp 200 000 Unterschriften ein Erfolg. [ 7 ] Seit dem 1. Januar 2024 werden Produkte der Monatshygiene in Deutschland mit dem verringerten Mehrwertsteuersatz von 7 % für Artikel des täglichen Bedarfs besteuert. Inzwischen wird diskutiert, ob Periodenprodukte in Deutschland nicht gänzlich von der Mehrwertsteuer befreit werden sollten, wie das z. B. in England und Irland bereits der Fall ist. Steuersenkungen oder -befreiungen schützen indessen nicht vor Preisanhebungen der Hersteller. Der globale Markt für Produkte der Monatshygiene hat ein Volumen von rund 50 Milliarden Euro pro Jahr ([Statista 2024]), was die ökonomische Bedeutung dieses Industriezweigs unterstreicht.

Neben Steuersenkungen und -befreiungen wird gefordert, Hygieneprodukte in öffentlichen Toiletten und Einrichtungen kostenfrei anzubieten, was teilweise bereits umgesetzt wird. Pilotprojekte in verschiedenen Organisationen setzen jeweils eine Klärung der Kostenübernahme sowie die Installation, Wartung und Befüllung der Tampon- und Binden-Spender voraus. Seit 2020 läuft in Deutschland eine Online-Petition mit dem Titel „#Periodenarmut: Freier Zugang zu Menstruationsprodukten in öffentlichen Einrichtungen“ [ 8 ], die bereits über 100 000 Unterschriften gesammelt hat. Die Petition fordert die Bundesregierung auf, dem Vorbild Schottlands zu folgen, das als erstes Land der Welt gesetzlich vorschreibt, Menstruationsartikel in öffentlichen Gebäuden und Bildungseinrichtungen kostenlos bereitzustellen. [ 9 ] Damit wird allen Menstruierenden der Alltag erleichtert, insbesondere wenn sie unterwegs von einer Blutung überrascht werden. Für unterversorgte (z. B. wohnungslose) Bevölkerungsgruppen würden kostenfreie Tampon- und Bindenspender auf öffentlichen Toiletten das ermöglichen, was im internationalen Diskurs als menschenwürdige Menstruation bezeichnet wird.


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Medizinische Menstruationsversorgung

Für die Menstruationsgesundheit ist medizinische Versorgung wichtig, da behandlungsbedürftige menstruelle (1) und prämenstruelle (2) Störungen auftreten können. Diese beiden Aspekte werden der biologischen Dimension des bio-psycho-sozialen Modells zugeordnet, da die Störungen biologisch-organische Ursachen haben (siehe [ Tab. 1 ]).

Menstruationsstörungen

Von der störungsfreien Menstruation (Eumenorrhoe) mit der im Abschnitt zur Physiologie beschriebenen idealtypischen Frequenz, Variabilität und Stärke der Blutung und allenfalls geringen Beschwerden werden Menstruationsstörungen (Zyklusstörungen) abgegrenzt ([Moll et al. 2024]). Bei belastenden Regelschmerzen spricht man von Dysmenorrhoe. Primäre Dysmenorrhoe bedeutet, dass die Regelschmerzen ab der ersten Menstruation auftreten, während die sekundäre Dysmenorrhoe erst später auftritt und mit anderen Erkrankungen in Verbindung stehen kann (z. B. Endometriose, Geschwulste und Entzündungen der Gebärmutter). Zudem gehören zu den Menstruationsstörungen diverse Störungen der Blutungshäufigkeit und der Blutungsstärke wie Amenorrhoe (seit sechs Monaten fehlende Blutung), Oligomenorrhoe (seltener als monatliche Blutung), Polymenorrhoe (häufiger als monatliche Blutung), Hypomenorrhoe (schwache Blutung), Hypermenorrhoe (sehr starke Blutung), Menorrhagie (lang andauernde Blutung) sowie Zwischen- und Schmierblutungen. Menstruationsstörungen können nicht nur die Lebensqualität erheblich einschränken, sondern sind mit weiteren Risiken verbunden wie z. B. chronischem Östrogenmangel und Blutarmut (vgl. [Moll et al. 2024]). Bei unerfülltem Kinderwunsch werden oft Zyklus-Unregelmäßigkeiten gefunden, die auf einen seltenen oder fehlenden Eisprung hinweisen können.

Zur Diagnose von Menstruationsstörungen gehören vor allem eine ausführliche allgemeine Anamnese, genaue Angaben zum Zyklusverlauf und eine gynäkologische Untersuchung. Je nach Situation kommen eine Ultraschalluntersuchung der Gebärmutter und der Eierstöcke, Bestimmung des Hormonstatus, Chromosomen-Untersuchung oder Gebärmutterspiegelung, Letztere verbunden mit einer Ausschabung (Abrasio) zur feingeweblichen Untersuchung der Schleimhaut, zum Einsatz. Eine Menstruationsstörung kann Symptom einer anderen Störung oder Erkrankung sein. So kann z. B. Amenorrhoe bei Untergewicht und Essstörungen auftreten, aber auch in Stress-Situationen („Flucht-Amenorrhoe“). Leistungssportlerinnen haben oft lange Phasen der Amenorrhoe. Weiterhin stehen Menstruationsstörungen in Verbindung mit zyklusabhängigen Erkrankungen wie der Endometriose (führt oft zu Dysmenorrhoe) oder dem polyzystischen Ovarialsyndrom (PCO) (führt oft zu Oligomenorrhoe und/oder Hypermenorrhoe). Hier sind jeweils individuelle Untersuchungen und Behandlungspläne notwendig. Dazu kann neben oder ergänzend zu anderen Interventionen auch ein medikamentöses Menstruationsmanagement mit einer Verhütungspille gehören, um die Beschwerden zu lindern.


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Prämenstruelle Störungen

In den Tagen unmittelbar vor der Menstruation kann es zu prämenstruellen Störungen (engl. premenstrual disorders; PMDs) kommen ([Nappi et al. 2022]). Dazu gehören das prämenstruelle Syndrom und die prämenstruelle dysphorische Störung.

  • Vom prämenstruellen Syndrom (PMS) sind rund 20 bis 30 % der Menstruierenden betroffen ([Appleton 2018]). Es zeichnet sich durch eine Vielzahl an physischen und psychischen Symptomen aus (z. B. Heißhunger, Hautunreinheiten, Kopfschmerzen, Schlafstörungen, Verdauungsstörungen, Angstzustände, Niedergeschlagenheit, Reizbarkeit, Konzentrationsprobleme). PMS wird auf Hormonschwankungen, Schwankungen im Serotoninhaushalt, genetische Veranlagung und Lebensstilfaktoren zurückgeführt.

  • Die prämenstruelle dysphorische Störung (PMDS) ist eine schwere Form der PMS, die bei 3 bis 8 % der Menstruierenden auftritt ([Appleton 2018]). Der Leidensdruck bei PMDS ist sehr hoch und führt dazu, dass der Alltag nicht mehr wie gewohnt bewältigt werden kann. Die Symptome ähneln denen einer Depression und können mit Suizidgedanken und Suizidversuchen einhergehen. So ist bei PMDS die Wahrscheinlichkeit für einen Suizidversuch um das Siebenfache erhöht (Prasad et al. 2022). Mehrere Studien unter strafgefangenen Frauen zeigten zudem, dass diese ihre Straftaten überzufällig oft in der prämenstruellen Zyklusphase begangen haben und vereinzelt wurde PMDS auch schon als mildernder Umstand vor Gericht anerkannt ([Langer 2012]). Bei PMDS ist eine medizinische Versorgung geboten, wobei das Behandlungskonzept u. a. hormonelle Verhütungsmittel, Antidepressiva, Psychotherapie und Lebensstilanpassungen beinhalten kann ([Dorn et al. 2023]).

Der Anerkennung von PMDS als klinische Störung gingen sehr kontroverse Debatten voraus. Denn diese Diagnose scheint das Stereotyp der durch den Zyklus unzurechnungsfähigen Frau zu bekräftigen. Andererseits deuten die Daten aber eben darauf hin, dass zumindest eine kleine Teilgruppe der Menstruierenden in klinisch relevantem Maße mental belastet ist, was im Extremfall zu Selbst- und Fremdgefährdung führen kann, wenn adäquate medizinische Versorgung fehlt. Die Existenz von zyklusabhängigen Störungsbildern bedeutet indessen nicht, dass Zyklus und Menstruation per se einen Krankheitswert haben.


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Menstruationserleben

Das alltägliche Menstruationserleben ist für die meisten Mädchen und Frauen nicht von klinisch relevanten Störungen geprägt, sondern von eher leichten Beschwerden (1). Auch ein positives Menstruationserleben wird berichtet (2). Nicht zuletzt ist zu beachten, dass das Erleben der ersten Menstruation (Menarche) (3) sowie der letzten Menstruation (Menopause) (4) besondere Merkmale hat, ebenso wie das Erleben genderdiverser Menstruierender (5). Diese fünf Aspekte des Menstruationserlebens werden hier schwerpunktmäßig der psychologischen Dimension des bio-psycho-sozialen Modells zugeordnet (siehe [ Tab. 1 ]).

Menstruelle und prämenstruelle Beschwerden

Die Abstoßung der Gebärmutterschleimhaut während der Monatsblutung geht mit unterschiedlich starken Kontraktionen der Gebärmutter einher, die gar nicht, als leichtes Ziehen oder als deutliche Krämpfe erlebt werden. Zudem kann der niedrige Östrogen- und Progesteronspiegel unmittelbar vor und während der Menstruation zu Kopfschmerzen, Gereiztheit, depressiven Verstimmungen, Müdigkeit, Heißhunger und Wassereinlagerungen führen ([Plan International und WASH United 2022]: 13). Die Intensität von Menstruationsbeschwerden variiert zwischen Personen sehr stark und kann sich auch bei derselben Person über die Lebensspanne hinweg ändern, da der Menstruationszyklus von vielen inneren und äußeren Faktoren beeinflusst wird.

Im Sinne der Menstruationsgesundheit ist es wichtig, keine unnötigen Ängste vor der Monatsblutung zu schüren und diese auch nicht pauschal zu pathologisieren, da sie ein normaler Bestandteil des Monatszyklus ist. So zeigte eine bevölkerungsrepräsentative Befragung in Deutschland unter Mädchen und Frauen im Alter von 14 bis 55 Jahren, dass die große Mehrheit von 76 % keine beeinträchtigenden Menstruationsbeschwerden angaben, während 20 % leichte und 4 % schwere Beeinträchtigungen berichteten ([Häuser et al. 2014]). Menstruationsbeschwerden hängen mit niedrigerem Einkommen, anderen körperlichen Symptomen und höherer Depressivität zusammen ([Häuser et al. 2014]). Etwa die Hälfte der betroffenen Personen hat ihre Menstruationsbeschwerden bereits bei ärztlichen Konsultationen angesprochen, wobei nur die Hälfte sich angemessen beraten fühlte ([Plan International und WASH United 2022]: 13). Darstellungen der Menstruation in Stock-Datenbanken betonen oft den Schmerz (siehe [ Abb. 4 ]).

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Abb. 4 Medikalisierte Darstellung der Menstruation mit Fokus auf Schmerz ((Quelle: © Kaspars Grinvalds/stock.adobe.com).)

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Positives Menstruationserleben

In feministischen Debatten über Menstruationsgesundheit wird immer wieder eine Medikalisierung der Menstruation kritisiert, welche die Monatsblutung hauptsächlich als gynäkologisches Problem betrachtet und mit Symptomen und Störungen in Verbindung bringt. Es gibt Ansätze für ein positives Menstruationserleben, die sich gegen diese Sichtweise wehren und verschiedene Ausprägungen haben. Die im Ökofeminismus der 1970er- und 1980er-Jahre verankerten Vorstellungen von Periodenpositivität assoziierten den weiblichen Menstruationszyklus mit den Mondphasen, mit Spiritualität und göttlicher Weiblichkeit. Damit wurde die Menstruation zum Inbegriff weiblicher Identität und Kraft stilisiert. Bis heute gibt es Ansätze, die diese Form des Zyklusbewusstseins vertreten. Gleichzeitig steht eine solche essenzialistische Überhöhung seit den 1990er-Jahren in der Kritik. Im „RosaMag“, einem Online-Lifestylemagazin von und für afrodeutsche Frauen, wird die Umkehr von Stigmatisierung in Huldigung der Menstruation folgendermaßen problematisiert ([Moka 2020]):

„Der Hype um spirituelle Bedeutsamkeit des weiblichen* Zyklus verleiht ihm eine positive Konnotation. Frauen* werden also darin empowert, ihre Scham abzulegen und ihren Körper mit all seinen Abläufen zu feiern. Wenn sie durch die Bewegung also leichter zu Selbstakzeptanz und -liebe finden können, ist doch alles super, oder? Leider wird dabei leicht übersehen, dass sich zwar die Bewertung des Zyklus von schamhaft/schlecht zu göttlich/wundervoll ändert, aber in beiden Fällen der Wert von Frauen* über eine Körperfunktion verhandelt wird. Überspitzt gesagt: ‚Du bist nichts, wenn du blutest, oder du bist alles, wenn du es tust!‘ Der weibliche Zyklus ist für viele ein Bestandteil ihres Lebens und sollte als etwas Natürliches begriffen werden können. Frei vom Stigma, sich dafür schämen oder verstecken zu müssen. Aber auch frei vom Druck, deshalb als ‚Female Goddess‘ performen zu müssen, die jede Körperfunktion begeistert beweihräuchert.“

Dementsprechend gilt es, genauer zu untersuchen, inwiefern verschiedene Ansätze, die ein positives Menstruationserleben fördern sollen, tatsächlich mit einem besseren Körper- und Selbstbild einhergehen und wo sie womöglich sogenannte toxische Positivität darstellen (also die Existenz negativer Empfindungen verleugnen oder tabuisieren). Vielleicht reicht anstelle von Periodenpositivität oftmals auch einfach Periodenneutralität.

In der Tradition der in den 1970er-Jahren gegründeten Frauengesundheitsbewegung stehen aktuelle psychosoziale Interventionen zum Menstruationserleben, die im Unterschied zum Ökofeminismus keine spirituelle Überhöhung verfolgen, sondern eine konsequente Selbstbestimmung und Entpathologisierung. Eine bekannte Vertreterin ist die australische Gesundheitspsychologin Jane Ussher, die Frauen dabei unterstützt, zyklische Veränderungen nicht als „Symptome“ (z. B. von PMS) anzusehen, sondern als normale, vorübergehende Veränderungen, auf die man sich im Alltag ohne den kulturell üblichen Selbsthass („ich habe PMS und bin schon wieder aufgedunsen, fett und unausstehlich“) einstellen könne, was dann jenseits medizinischer Interventionen zu Entlastung und Empowerment führe ([Ussher und Perz 2020]).


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Erste Menstruation (Menarche)

Das Alter der ersten Menstruation (Menarche) liegt in der westlichen Welt durchschnittlich bei 13 Jahren (z. B. [Gottschalk et al. 2020]). Dabei gibt es jedoch große interpersonale Unterschiede und möglicherweise auch eine biografische Vorverlegung. So zeigt die Trendstudie „Jugendsexualität“ der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung, dass sich der Anteil der Mädchen, die ihre erste Regelblutung mit elf Jahren oder früher erleben, binnen vierzig Jahren von 8 % (1980) auf 16 % (2019) verdoppelt hat ([Scharmanski und Hessling 2022]). Im Alter von 13 Jahren haben 84 % der Mädchen die Menarche hinter sich. Faktisch bedeutet dies, dass die biologische Geschlechtsreife im Kindesalter eintritt, nicht erst im Jugendalter.

Im Jahr 2019 berichteten 70 % der im Rahmen der Studie „Jugendsexualität“ befragten Mädchen retrospektiv, dass sie auf die erste Regelblutung ausreichend vorbereitet waren (etwa durch Menstruationsaufklärung in Elternhaus und Schule); dagegen wussten 23 % nichts Genaues und 7 % gar nichts, waren also völlig unvorbereitet ([Scharmanski und Hessling 2022]). Weiterhin ist zu beachten, dass aus medizinischer Sicht frühe Menarche mit einigen gesundheitlichen Risikofaktoren zusammenhängt ([Lee et al. 2022]), was auch auf medizinischen Versorgungsbedarf hinweist. Ebenso sind starke Menstruationsschmerzen in jungen Jahren verbreiteter als im späteren Lebensverlauf.

Die Menarche ist ein sichtbarer Meilenstein auf dem Weg zum Erwachsenwerden, der mit inneren und äußeren Konflikten verknüpft sein kann. Psychoanalytische Deutungen gehen davon aus, dass die erste Monatsblutung zuweilen wie eine Kastration erlebt wird, als Bestrafung für aufkommende pubertäre Sexualwünsche, und dass unregelmäßige erste Blutungen Ängste heraufbeschwören, innerlich verletzt zu sein oder nicht richtig zu funktionieren ([Donmall 2013]). Mangelnde Menstruationsaufklärung und das gesellschaftliche Menstruationsstigma können es begünstigen, dass die Menarche nicht begrüßt, sondern eher gefürchtet wird. Laut Befragungen ist die erste Menstruation oft mit Angst vor Schmerzen, Ekel und Sorgen über peinliche Situationen assoziiert, also mit einem negativem Körper- und Selbstbild; das Erleben von Stolz und Bestätigung körperlicher Gesundheit, Reife, Fruchtbarkeit und Weiblichkeit („ich bin jetzt eine Frau“) tauchen in Interviewstudien seltener auf ([Chang et al. 2010]).

In manchen Kulturen wird die Menarche mit einem Initiationsritual oder Fest begangen, da das Mädchen damit offiziell in den Kreis der erwachsenen Frauen aufgenommen wird. Je nach kulturellem Kontext ist dies aber nicht unbedingt positiv. So berichtet die Menschenrechtsaktivistin Musu Bakoto Sawo aus Ghana, wie sie selbst ihre ab dem Alter von zwölf Jahren eingetretene Menstruation zwei Jahre lang vor der gesamten Familie verheimlichte, um ihre Verheiratung hinauszuzögern. Denn trotz des Verbots von Kinderehen werden in Ghana bis heute Mädchen ab der Menarche verheiratet ([Sawo 2020]). Dieser Aspekt verdeutlicht besonders eindrücklich, warum die Menstruation ein Menschenrechtsthema ist.

Pubertierende Mädchen tauschen sich in unterschiedlicher Weise über die erste Menstruation aus, etwa im Rahmen von lokalen Schulhof- und Toilettengesprächen sowie neuerdings verstärkt auf globalen Sozialen Medien. Hier parodiert beispielsweise die Influencerin @Jaezshecan zwei Typen von Mädchen bei der ersten Periode: die eine, die sie stolz mit allen teilt und wortwörtlich mit Binden und Tampons um sich wirft, und die andere, die sich lieber zwei Jacken um die Hüften bindet, damit keinesfalls ein Periodenfleck sichtbar werden könnte. Das deutschsprachige TikTok-Video [ 10 ] vom April 2023 sammelte binnen eines Jahres rund 2.5 Millionen Aufrufe und 2 000 Kommentare. Insgesamt ist wenig darüber bekannt, wie Jugendliche im Alltag und in Sozialen Medien über ihre Erfahrungen mit der ersten Menstruation kommunizieren ([Döring 2023]).


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Letzte Menstruation (Menopause)

Bei der Menopause (letzte Menstruation, Wechseljahre) wird zwischen natürlicher Menopause und chirurgisch (durch Entfernen der Eierstöcke) oder medikamentös induzierter Menopause differenziert. Die natürliche Menopause tritt typischerweise im Alter zwischen 45 und 55 Jahren ein. Aktuelle Daten weisen in der westlichen Welt einen Altersmittelwert von 53 Jahren nach, Tendenz steigend ([Gottschalk et al. 2020]). Einige Studien gehen der Frage nach, welche Faktoren (z. B. Alter bei der Menarche, Nutzung hormoneller Verhütungsmittel, Anzahl der Schwangerschaften) mit einer früheren oder späteren Menopause einhergehen. Visualisierungen der Menopause in Stock-Datenbanken arbeiten mit dem Pausensymbol von Audio- und Videorekordern, zeigen Frauen mit Fächer oder Ventilator, um Hitzewallungen anzudeuten, oder präsentieren Veränderungen im Hormonspiegel in Schaubildern. Auf Bildern gelungener Menopause sind elegante, perfekt frisierte, fitte Frauen beim Teetrinken oder in der Yogastunde zu sehen.

Das Erleben der Menopause ist zwiespältig. So können das Ende der Fruchtbarkeit und der Übergang in das höhere Lebensalter negativ als Verluste (z. B. Empty-Nest-Syndrom) und Belastungen erlebt und mit negativem Körper- und Selbstbild verbunden sein. Andererseits berichten Frauen aber auch ein positives Gefühl der Erleichterung, Menstruationsbeschwerden und die Notwendigkeit der Schwangerschaftsverhütung hinter sich zu lassen, Sexualität damit unbeschwerter zu erleben und/oder im neuen Lebensabschnitt andere Ziele zu setzen (vgl. [Ilankoon et al. 2021]). Ebenso wie bei der Menarche werden bei der Menopause eine bessere Sexuelle Bildung und gynäkologische Versorgung angemahnt ([Cucinella et al. 2024]). Gleichzeitig konstatiert die Forschung eine stark gestiegene Sichtbarkeit der Menopause in Medien und Öffentlichkeit, etwa durch Stellungnahmen von Prominenten. Es ist gar von einer menopausalen Wende (engl. menopausal turn) die Rede – vom früheren Verschweigen zum heutigen intensiven Besprechen ([Jermyn 2023]), nicht nur am Welttag der Menopause (18. Oktober). Kritisch hinterfragt im Kontext von Kommerzialisierung wird der Boom der Menopausen-Produkte von Tees bis zu Gesichtscremes mit ihren irreführenden Versprechungen (Orgad und Rottenberg, im Druck).

Auch die Frage der hormonellen Behandlung wird immer wieder neu und kontrovers diskutiert: Sollten Frauen hier eine bessere medizinische Versorgung zur Linderung von menopausalen Beschwerden erfahren, etwa durch Normalisierung der Hormonersatztherapie? Oder sollten sie umgekehrt besser vor einer Medikalisierung der Menopause geschützt werden, indem altersbedingte hormonelle und sonstige körperliche Veränderungen normalisiert und nicht zur behandlungsbedürftigen Krankheit erklärt werden? Eine Fülle von Einzelstudien und Meta-Analysen liegt vor, die unterschiedliche Behandlungsmethoden (z. B. hormonell, nicht-hormonell) mit unterschiedlichen Effekten (z. B. menopausale Beschwerden, Mortalität) verknüpfen. Gleichzeitig werden methodische Einschränkungen dieser Studien beklagt (z. B. Wattar et al. 2024).


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Genderdiverse Menstruierende

Für genderdiverse Menstruierende wie nichtbinäre Personen, intergeschlechtliche Menschen oder trans Männer ist es wichtig, dass genderinklusiv über Menstruation gesprochen und eine entsprechende Versorgung angeboten wird. Die Blutung und ihre Konnotationen von Weiblichkeit können Genderdysphorie verstärken ([Ramaiyer et al. 2023]). Genderdiverse Personen wünschen oft eine Unterdrückung der Blutung, z. B. durch Testosteron, während die Einnahme der Pille eher abgelehnt wird ([Karrington 2021]). So berichtet der Influencer Luca, der sich selbst als trans Mann bezeichnet, auf Rückfrage seines Publikums, dass kurz nach Beginn seiner Testosteroneinnahme die Blutung aussetzte und er seitdem auch keine Periodenkrämpfe mehr habe. [ 11 ] Eine Analyse von 24 YouTube-Videos von nichtbinären und transmaskulinen Menstruierenden sowie zugehörigen Publikumskommentaren hat ergeben, dass für Menstruation bewusst neue inklusive (z. B. „queeriode“ statt „periode“) oder maskulin konnotierte Begriffe (z. B. „manstruation“ statt „menstruation“) verwendet werden ([Kosher et al. 2023]). In Stock-Datenbanken finden sich kaum Visualisierungen dieses Aspekts.


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Menstruation im Kontext

Der Umgang mit der Menstruation hängt stark vom situativen und Umweltkontext ab. Das betrifft Freizeit und Sport (1), Ausbildung und Arbeitsleben (2), Sexualität (3) sowie Medien (4). Diese vier Aspekte der Menstruation im Kontext sind schwerpunktmäßig der sozialen Dimension des bio-psycho-sozialen Modells zugeordnet (siehe [ Tab. 1 ]).

Menstruation in Freizeit und Sport

Für den Freizeitsport gilt, dass Mädchen und Frauen während der Monatsblutung alle Sportarten weiterhin ausüben können, sofern sie sich wohlfühlen. Bewegung kann Menstruationsbeschwerden sogar lindern. Beim Zyklus-orientierten Training (engl. cycle-oriented training) werden Trainingsbelastungen der Zyklusphase angepasst (z. B. schweres Muskeltraining bevorzugt zwischen Menstruation und Eisprung). Forschung aus dem Leistungssport zeigt, dass während der Monatsblutung die Athletinnen a) subjektiv ihre Leistungsfähigkeit etwas schlechter einschätzen ([Swiss Olympic 2021]) und b) objektiv in Leistungstests auch geringfügig schlechter abschneiden ([McNulty et al. 2020]). Derartige Effekte sind jedoch insgesamt so gering und weisen so starke interpersonale Schwankungen auf, dass sich kaum Kollektivempfehlungen ableiten lassen ([Meignié et al. 2021]). Vielmehr ist es wichtig, dass Athletinnen sich individuell mit ihren Coaches absprechen. Doch die Menstruation kommt in Trainingskontexten oft gar nicht zur Sprache ([Srinivasa Gopalan et al. 2024]).

Das gilt auch für Wettkämpfe, wo es stets für weltweite Aufmerksamkeit sorgte, wenn einzelne Athletinnen ihre Leistungen mit Bezug zur Periode kommentierten wie etwa die chinesische Schwimmerin Fu Yuanhui ([Berres 2016]) oder die deutsche Skispringerin Anna Rupprecht ([Der Spiegel 2023]). Besonders gefeiert wurde die britische Triathletin Emma Pallant-Browne, die während eines Wettkampfs ihre Periode bekam, was im Schritt ihres hellen Badeanzugs deutlich sichtbar war (siehe [ Abb. 5 ]). Sie postete das Foto mit dem sichtbaren Periodenfleck auf ihrem Instagram-Account zusammen mit dem Kommentar, dass sie es falsch gefunden hätte, das Foto zu retuschieren. Schließlich sei die Periode völlig normal und aufgrund ihrer eigenen Vorgeschichte mit Essstörungen und Amenorrhoe sei sie besonders froh, wieder zu bluten ([Haddadian 2023]).

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Abb. 5 Illustration von Menstruationsflecken in weißer Wäsche ((Quelle: © Monika Jurczyk/stock.adobe.com).)

Um Leistungssportlerinnen von dem Stress zu entlasten, mitten im Wettkampf sichtbare Periodenflecken befürchten zu müssen, werden farbliche Kleidervorschriften inzwischen kritisiert. Bei den Wimbledon Championships dürfen Tennis-Spielerinnen seit 2024 erstmals dunkle Unterwäsche tragen. Der britische Fußballverband erlaubt neuerdings die Kombination von weißen Trikots mit dunklen (statt weißen) Fußballshorts. Dass es hier nicht nur um symbolische, sondern vermutlich um leistungsrelevante Veränderungen geht, deutet eine Analyse aller Fußballspiele der letzten 20 Jahre (2002 bis 2023) bei Weltmeister- und Europameisterschaften an ([Krumer 2024]): Frauen-Teams, nicht aber Männer-Teams, die in weißen Shorts spielen mussten, erzielten statistisch signifikant schlechtere Leistungen, mutmaßlich weil sie durch die Angst vor sichtbaren Periodenflecken abgelenkter waren. Es ist wichtig, den Umgang mit Menstruation nicht nur im Sport, sondern auch bei anderen Freizeitaktivitäten zu betrachten, wie beispielsweise auf Reisen.


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Menstruation in Ausbildung und Arbeitsleben

In Ausbildung und im Arbeitsleben gilt es im Sinne der Menstruationsgesundheit und -gerechtigkeit, menstruationsfreundliche Bedingungen zu schaffen. Dazu gehört an erster Stelle die Sicherstellung von ausreichenden Toiletten mit Waschgelegenheiten, Umkleidemöglichkeiten, Hygienebeuteln, Abfalleimern und Spendern für Artikel der Monatshygiene. Je nach Art der Tätigkeit ist es zudem wichtig, auf flexible und ausreichende Pausenregelungen zu achten, damit Menstruierende die Möglichkeit haben, regelmäßig für ihre Monatshygiene zu sorgen. Weiterhin soll auf Menstruationsbeschwerden und -störungen Rücksicht genommen werden: Je nach Ausbildungs- und Arbeitskontext können hier z. B. flexible Arbeitszeiten, eigenständige Aufgabeneinteilungen und das Arbeiten im Home-Office Entlastungen bieten. So berichten z. B. Menstruierende aus dem akademischen Arbeitskontext, dass sie an Tagen mit intensiverer Blutung oder stärkeren Schmerzen lieber allein im Home-Office tätig sind und lange Präsenz-Sitzungen möglichst verschieben ([Sang et al. 2021]). Bei starken Menstruationsbeschwerden kann man sich krankschreiben lassen, wobei Arbeitnehmer*innen in Deutschland ab dem ersten Krankheitstag Lohnfortzahlung erhalten. In anderen Ländern wird über sogenannten Menstruationsurlaub diskutiert, um bei starken Beschwerden eine Freistellung mit Lohnfortzahlung zu erreichen.

Nicht zuletzt gehört zum menstruationsfreundlichen Ausbildungs- und Arbeitsklima eine Offenheit für das Thema, sodass diskriminierende Witze und Sprüche („du hast wohl deine Tage“) unterbleiben und gleichzeitig bei Bedarf die Möglichkeit besteht, auf akute Menstruationsprobleme hinzuweisen, um situativ Unterstützung und Verständnis zu erhalten. Eine solche Veränderung in Richtung Entstigmatisierung wird am ehesten erreicht, wenn die jeweiligen Organisationsleitungen das Thema unterstützen und Maßnahmen gemeinsam mit den Organisationsmitgliedern entwickeln ([Karin 2023]). Die 2014 gegründete schwedische Initiative „Mensen – Period Works!“ setzt sich durch Schulungen und Zertifizierungen für menstruelle Rechte und menstruationsfreundliche Arbeitsplätze ein (https://mensen.se/; [Olsen 2023]). Studien aus Schulen zeigen, dass hier bislang oft besonders unsensibel mit dem Thema umgegangen wird ([Thomas und Melendez-Torrez 2024]): Meist sind die Toiletten nicht ausreichend mit Menstruationsprodukten ausgestattet, Lehrkräfte tabuisieren das Thema und Jungen betreiben ungebremst Period Shaming. Manche Mädchen fehlen jeden Monat ein bis drei Tage wegen starker und schmerzhafter Regelblutung. Denn sie können in der Schule oft nicht diskret für ihre Monatshygiene sorgen, müssen etwa mit blutigen Fingern am Gemeinschaftswaschbecken stehen und können sich bei Schmerzen nicht in Ruheräume zurückziehen. Andere fürchten die permanente Konfrontation mit unangenehmen Situationen, etwa dass sie mit einem Blutfleck auf der Sporthose oder einem Tampon in der Hand gesehen und ausgelacht werden. Daher bleiben sie während der Periode dann lieber der Schule fern.


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Menstruation und Sexualität

Unter Menschen aller Geschlechter und sexuellen Identitäten gibt es diejenigen, die Periodensex unhygienisch und unsexy finden und diejenigen, die sich an der Blutung nicht stören. Positive wie negative Einstellungen zum Menstruationssex hängen mit unterschiedlichen Faktoren zusammen wie dem kulturellen und religiösen Kontext, der Intensität von Menstruationsbeschwerden, Merkmalen der Paarbeziehung und situativen Faktoren ([Ciarilli und Fahs 2023]; [Demirtaş und Oskay 2024]; [Fahs 2014]; [Van Lonkhuijzen et al. 2023]).

Eine internationale Online-Umfrage ergab, dass 15 % der befragten Frauen ihr Sexualleben während der Blutung unverändert fortsetzten, bei den queeren Frauen waren es 21 % ([KI-CURT 2018]). Insgesamt gab aber auch jede fünfte Frau (21 %) an, während der Periode ganz auf Sex zu verzichten. Transmaskuline Menstruierende erwähnten zudem, dass sie Sex während der eigenen Menstruation eher meiden, sich an der Menstruation des Gegenübers aber sexuell nicht stören ([KI-CURT 2018]).

Die meisten Frauen (64 %) teilten mit, dass sie sich während der Periode beim Sex auf bestimmte Aktivitäten beschränken. Insbesondere verzichten sie öfter darauf, selbst genital stimuliert zu werden, und befriedigen eher das Gegenüber. Populärkulturell wird die Menstruation in heterosexuellen Kontexten daher zuweilen auch als Blowjob Week gehandelt. In Internet-Foren wird kontrovers diskutiert, ob das Konzept der Blowjob-Woche primär Ausdruck sexueller Anspruchshaltung des Mannes und/oder eine von der Frau selbst gewünschte Alternative darstellt. [ 12 ] Es existieren Internet-Memes, die das Konzept der Blowjob-Woche bestätigen wie auch parodieren (siehe [ Abb. 6 ]). Während der Menstruation wird weiterhin oft penetrativer Sex praktiziert. Die während der Menstruation am stärksten gemiedene Praktik ist Cunnilingus ([KI-CURT 2018]).

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Abb. 6 Internet-Meme zum Periodensex, das die Gleichsetzung der Menstruation mit der Blowjob Week parodiert ((Quelle: Eigene Darstellung mit https://imgflip.com/memegenerator und dem Motiv Futurama Fry).)

Im öffentlichen Diskurs ist Menstruationssex in den letzten Jahren sichtbarer geworden. So gibt es zahlreiche Beiträge in der Presse, auf Online-Gesundheitsportalen, auf Websites für Menstruationsprodukte sowie auf Portalen der Sexuellen Bildung, die Periodensex ansprechen und praktische Tipps zur Umsetzung vermitteln: Der Tenor ist hier durchgängig, dass Periodensex völlig normal ist, wenn alle Beteiligten ihn wollen. Dabei wird oft betont, dass manche Menstruierende keine Lust auf Sex verspüren, während bei anderen die Lust gesteigert ist. Sexuelle Aktivitäten und Orgasmen werden als wohltuend gegen Menstruationsbeschwerden beschrieben. Hingewiesen wird darauf, dass auch während der Menstruation eine Schwangerschaft entstehen kann und somit bei Bedarf Verhütungsmittel anzuwenden sind. Zudem wird daran erinnert, dass Barrieremethoden (Kondom, Lecktuch) beim Periodensex wichtig sind, da bei vorliegender Infektion über das Menstruationsblut Hepatitis und HIV [ 13 ] übertragen werden können. Zur Vermeidung sichtbarer Blutflecke werden dunkle Bettwäsche und dunkle Handtücher zum Unterlegen sowie Aktivitäten unter der Dusche oder in der Badewanne erwähnt. Hygieneprodukte, die intravaginal getragen werden (Tampon, Menstruationstasse), verhindern sichtbaren Blutfluss, sogenannte Soft-Tampons (Menstruationsschwämme) können auch während der Penetration getragen werden.


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Menstruation und Medien

Ganz im Sinne von Gesundheit und Gleichstellung ist die Menstruation in den letzten Jahren medial deutlich sichtbarer geworden. Insbesondere Informationsmedien wie Nachrichten und Dokumentationen greifen viele der oben bereits behandelten Aspekte der Menstruation auf: Von Tipps für Menstruationssex, Aufklärung über die Menopause bis zu Diskussionen über Periodenarmut. Die halbstündige Filmdokumentation „Period. End of Sentence” (2018) erzählt die Geschichte der Frauen aus dem indischen Dorf Kathikhera bei Delhi, die lernen, mit einer Maschine nachhaltige Binden herzustellen und zu vermarkten (https://thepadproject.org/period-end-of-sentence/). Diese Emanzipationsgeschichte wurde zum Welterfolg: Die Dokumentation gewann zahlreiche Filmpreise und einen Oscar.

Die Werbung für Monatsbinden hat nach langjähriger Kritik an der Verwendung blauer Flüssigkeit, die eher an Scheibenreiniger oder Mundwasser als an Menstruationsblut erinnert, inzwischen auf rote Flüssigkeit umgestellt. Das wird als positives Signal gegen Period Shaming verstanden. Stock-Fotos von Binden meiden ebenfalls die blaue Farbe, idealisieren das Blut aber oft mit Blütenblättern, Glitzersteinchen, Vogelfedern oder Herzchen (siehe [ Abb. 1 ]). Eine Auswertung von Internet-Memes zum Thema Menstruation (auffindbar z. B. auf Instagram über den Hashtag #periodmemes) zeigte sowohl eine fortgesetzte Stigmatisierung als auch die humorvolle Dekonstruktion der Stigmatisierung ([Tomlinson 2021]). Eine ältere Analyse der Presseberichterstattung über Menstruationsmanagement mit der Pille im Langzyklus moniert, dass hier die Monatsblutung zu einseitig negativ dargestellt wird ([Johnston-Robledo et al. 2006]), ein Vergleich mit der aktuellen Berichterstattung wäre aufschlussreich. Die seit den 1960er-Jahren praktizierte Menstruationskunst, bei der z. B. mit Menstruationsblut gemalt wird oder Bildmotive mit Menstruationsblut fotografiert werden, ist heute in Sozialen Medien gut sichtbar.

Was fiktionale Mediendarstellungen betrifft, so wird als größtes Manko verzeichnet, dass zahlreiche Romane und Filme zwar Mädchen und Frauen als Protagonistinnen darstellen, diese aber so gut wie nie menstruieren, während andere Körpervorgänge (z. B. schlafen, essen, trinken, urinieren) durchaus gezeigt oder angedeutet werden ([Rosewarne 2012]). Wenn die Menstruation in Filmhandlungen auftaucht, dann am ehesten die erste Menstruation ([Metreveli 2023]). Jüngst wagten sich Regisseurinnen in ihren Filmen auch an blutige Cunnilingus-Szenen. So zeigt der Film „Saltburn“ (2023, Regie: Emerald Fennell) eine nächtliche Verführungsszene im Garten. Sie: „Es ist die falsche Zeit im Monat!“. Er: „Meinst du, das stört mich?“. Was folgt, ist wegen der blutigen Küsse als „Vampir-Szene“ bekannt geworden. Der Film „Fair Play“ (2023, Regie: Chloe Domont) beginnt mit der leidenschaftlichen Cunnilingus-Szene eines verliebten Paares im Bad auf einer Hausparty. Angesichts ihrer plötzlich einsetzenden Menstruation wird die Szene recht blutig, was das Paar mit unbeschwerter Ausgelassenheit quittiert. Beide Szenen gehören zu den meistdiskutierten Inhalten der jeweiligen Filme. Während die Filmkritik teilweise Anstoß nahm an den vermeintlichen Schock-Szenen, lobten vor allem Frauen die Erotik und Romantik dieser medialen Darstellung von Menstruationssex mit seinen Konnotationen von Hingabe, Innigkeit und Intimität (vgl. [Bergeson 2023]).


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Gesellschaftlicher Umgang mit Menstruation

Der gesellschaftliche Umgang mit Menstruation ist von Tabuisierung und Stigmatisierung geprägt, die in Kultur und Religion verankert sind (1). Gleichzeitig gibt es einen Menstruationsaktivismus, der sich für kulturellen Wandel und politische Veränderungen einsetzt (2). Die Menstruationsaufklärung zielt darauf ab, das Verständnis menstrueller Gesundheit und Rechte im Kontext Sexueller Bildung zu fördern (3). Die Menstruationsforschung hat weiterhin viele offene Fragen zu beantworten (4). Diese vier gesellschaftlichen Aspekte werden der sozialen Dimension des bio-psycho-sozialen Modells zugeordnet (siehe [ Tab. 1 ]).

Die Menstruation in Kultur und Religion

Mythische Erzählungen über die Menstruation sind aus der Menschheitsgeschichte und den antiken Kulturen bekannt: In diversen Mythen, Sagen und Legenden wird das Menstruationsblut als heilig, als Geschenk der Götter oder als Strafe für Sünden beschrieben, dabei ist es fast immer magisch und mächtig ([Tan et al. 2017]). Bis heute halten sich mythische Vorstellungen von der Menstruation, etwa dass sie den Mondphasen folge (hier sind die Zusammenhänge schwach und komplex: [Helfrich-Förster et al. 2021]; [Wehr und Helfrich-Förster 2021]) oder dass sich die Blutung zusammenlebender Frauen synchronisiere (dies ist vermutlich eine Fehleinschätzung, die jedoch der Solidarisierung unter Menstruierenden dient; [Fahs et al. 2014]). Zum Aberglauben gehört auch, dass menstruierende Frauen nichts einkochen oder einmachen dürfen, da das Ergebnis verderben würde. Dieser Aberglaube ist vermutlich verbunden mit dem Mythos, dass die Menstruation eine innere Selbstreinigung sei, bei der Giftstoffe ausgeschieden werden.

Die meisten Weltreligionen betrachten die Menstruation – in unterschiedlichem Ausmaß – als Problem, sehen sie als Zeichen von Unreinheit und als Gesundheitsgefahr ([Ramaiyer et al. 2023]; [Tan et al. 2017]). Deshalb werden menstruierende Frauen isoliert und während der Blutung in mehr oder minder starkem Maße vom religiösen, gesellschaftlichen und familiären Leben ausgeschlossen. Das umfasst auch Sexualverbote. Menstruierende Frauen sollen andere Menschen mit ihrem unreinen Blut nicht krank machen und die heiligen Stätten nicht verunreinigen. Manche Religionen verlangen am Ende der Monatsblutung ein Reinigungsritual von den Frauen, bevor sie wieder am religiösen und sozialen Leben teilnehmen dürfen. Für gläubige Menschen spielen religiöse Sichtweisen auf die Menstruation bis heute eine wichtige Rolle. Aber auch in säkularisierten Kontexten besteht eine Stigmatisierung teilweise in dem Sinne fort, dass eben die Menstruation als unangenehmes Thema und das Menstruationsblut als unhygienisch und eklig empfunden werden ([Tan et al. 2017]).

Die kritische Betrachtung kultureller und religiöser Normen rund um die Menstruation ist wichtig, muss aber differenziert erfolgen und sollte nicht dazu führen, Mädchen und Frauen aus bestimmten Kulturen und Religionen pauschal zu Opfern zu erklären ([Winkler 2021]). Ebenso gehört zur kulturhistorischen Auseinandersetzung mit der Menstruation auch die Anerkennung der Vorläufer zeitgenössischer Emanzipationsbewegungen und positiver Menstruationsrituale.


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Menstruationsaktivismus und Politik

Der Menstruationsaktivismus ist eine soziale, politische, ökologische und kulturelle Bewegung, die sich gegen das Menstruationsstigma, für Menstruationsgesundheit und für Menstruationsgerechtigkeit einsetzt. Menstruationsaktivismus war bereits in den 1960er- und 1970er-Jahren ein wichtiges Thema der sogenannten zweiten Welle der Frauenbewegung und hat im aktuellen Feminismus der dritten Welle neuen Aufwind bekommen ([Bobel 2010]). Der Menstruationsaktivismus wird von einer Vielzahl von Organisationen und Aktivist*innen auf lokaler, nationaler und internationaler Ebene getragen (z. B. https://period.org/). Er ist u. a. durch Hashtag-Kampagnen auf Sozialen Medien sichtbar (z. B. #MenstruationMatters, #PeriodPositive) sowie durch Demonstrationen, Kulturaktionen und Online-Petitionen. Aus dem Menstruationsaktivismus haben sich eine Reihe von Unternehmen entwickelt, etwa das Sozialunternehmen Erdbeerwoche.com für nachhaltige Periodenprodukte aus Österreich sowie diverse FemTech-Startups, die digitale Technologien für Frauengesundheit (einschließlich Menstruations- und Menopausengesundheit) entwickeln ([Misha 2023]).

Diese und andere Strömungen im Menstruationsaktivismus verzeichnen deutliche Erfolge, die sich u. a. in der Anerkennung der Menstruationsgesundheit als zentrales Thema durch die WHO niederschlagen sowie in vielen nationalen politischen Veränderungen (z. B. Maßnahmen gegen Periodenarmut und für menstruationsfreundliche Arbeitsplätze). Dennoch werden einzelne Maßnahmen und Strömungen im Menstruationsaktivismus kritisch hinterfragt, etwa mit Blick auf unterschiedliche Problemlagen im globalen Norden und Süden ([Winkler 2021]). Der Menstruationsaktivismus mit seinem Diktum der Period Positivity weist zudem Verbindungen zu anderen feministischen Strömungen auf wie z. B. den Bewegungen der Sex Positivity und Body Positivity. Parolen aus dem Menstruationsaktivismus werden in unterschiedlichen Kontexten verbreitet, auch in Stock-Bildern (siehe [ Abb. 7 ]).

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Abb. 7 Stock-Bilder greifen in gefälligem Design Parolen aus dem Menstruationsaktivismus auf ((Quelle: © WinWin/stock.adobe.com).)

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Menstruationsaufklärung und Bildung

Im Rahmen der Förderung von Menstruationsgesundheit und -gerechtigkeit ist eine evidenzbasierte und zielgruppenorientierte Menstruationsaufklärung als Bestandteil professioneller Sexueller Bildung wichtig, wobei diese in schulischen und außerschulischen Kontexten gefragt ist (siehe [ Abb. 8 ]). Da die Menarche mehrheitlich vor dem Jugendalter einsetzt, teilweise im Alter von sieben oder acht Jahren, gehört Menstruationsaufklärung in die Grundschule. Eine vom Menstruationsprodukte-Unternehmen Erdbeerwoche.com (2017) durchgeführte Befragung unter 1 100 Jugendlichen im Jahr 2017 zeigte, dass 60 % der Mädchen der Periode negativ gegenüberstanden und 70 % der Jungen das Thema „unwichtig“ und „peinlich“ fanden. Diese negativen Einstellungen lassen sich als Ausdruck des Menstruationsstigmas verstehen. Daher gehören zu den Zielgruppen der Menstruationsaufklärung nicht nur Mädchen und genderdiverse Menstruierende, sondern auch Jungen bzw. nicht menstruierende Personen. So wurde der Period Pain/Cramp Simulator zum viralen Social-Media-Hit, der Menstruationsschmerzen induzieren und so für Nichtmenstruierende erfahrbar machen soll. [ 14 ] Menstruationsaufklärung ist dabei nicht nur ein Thema für Kinder und Jugendliche, sondern auch für Erwachsene, etwa im Kontext der Menopause.

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Abb. 8 Stock-Foto der Menstruationsaufklärung mithilfe eines Modells des Reproduktionsapparats ((Quelle: © megaflopp/stock.adobe.com).)

Die wachsende Menge an Online-Informationen zur Menstruationsgesundheit ist hilfreich, stellt aber auch neue Anforderungen an die Online-Gesundheitskompetenz, um digitale Informationen richtig einordnen zu können. Das gilt etwa, wenn Frauen sich gegenseitig Tipps zur Menstruation in Facebook-Gruppen geben ([Gaybor 2022]). Jugendliche berichten, dass sie Menstruationsinformationen aus verschiedenen Online- und Offline-Quellen beziehen und dabei sowohl Faktenwissen von Fachleuten schätzen als auch Erfahrungswissen aus dem nahen Umfeld ([Clark und Southerton 2024]; [Döring und Lehmann 2023]). Menstruationsinformationen, die von Fachkräften aus Journalismus, Medizin oder Sexualpädagogik bereitgestellt werden, existieren online in diversen Formaten. So gibt es fachlich geprüfte Broschüren zur Menstruation ([pro familia Bundesverband 2023]), die auch in Leichter Sprache angeboten werden ([pro familia Landesverband NRW 2021]; [pro familia Landesverband Sachsen 2020]). Weiterhin existieren zahlreiche YouTube-Videos, Instagram-Posts und TikTok-Clips. Eine systematische Inhalts- und Qualitätsanalyse dieses Materials steht noch aus ([Döring 2023]). Ebenso fehlen Inhalts- und Qualitätsanalysen der Antworten, die Chatbots der Künstlichen Intelligenz (z. B. ChatGPT) auf Fragen zur Menstruationsgesundheit geben.


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Menstruationsforschung

International kann seit den 1960er- und 1970er-Jahren von einer boomenden interdisziplinären Menstruationsforschung mit zahlreichen Publikationen, Fachzeitschriften und eigenen wissenschaftlichen Fachgesellschaften (z. B. Society for Menstrual Cycle Research: https://www.menstruationresearch.org/) gesprochen werden, während die Forschungsaktivitäten in Deutschland deutlich begrenzter sind ([Bauer 2022]). In den letzten Jahren sind englischsprachige Sammelbände (z. B. [Bobel et al. 2020]; [Standing et al. 2024]) und breite Übersichtsartikel (z. B. [Critchley et al. 2020]) zur Menstruationsforschung erschienen. Ein Teil der Menstruationsforschung versteht sich ausdrücklich als „kritisch“ in dem Sinne, dass der Umgang mit Menstruation im Kontext von Macht- und Herrschaftsverhältnissen betrachtet wird. Damit sind Geschlechterungleichheiten in Verbindung mit weiteren Ungleichheitsdimensionen gemeint (z. B. soziale Klasse, Ethnizität, Behinderung) sowie kritische Perspektiven auf Kommerzialisierung, Medikalisierung und Biologisierung der Kategorie Frau ([Bauer 2022]). Methodisch werden in der Menstruationsforschung qualitative, quantitative und Mixed-Methods-Designs eingesetzt. Es existieren erste Forschungssynthesen, die zu ausgewählten Fragestellungen alle verfügbaren qualitativen (z. B. [Hennegan et al. 2019]; [Thomas und Melendez-Torres 2024]) oder quantitativen (z. B. [McNulty et al. 2020]; [Prasad et al. 2021]) Einzelstudien aggregieren.


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Fazit

Der vorliegende Beitrag hat entlang eines bio-psycho-sozialen Modells der Menstruationsgesundheit insgesamt 20 Aspekte des Phänomens anhand von aktuellen Forschungsergebnissen, Praxisbeispielen und Visualisierungen vorgestellt – mit Fokus auf die Verhältnisse in Deutschland bzw. Mitteleuropa. Dabei ist der Strukturierungsvorschlag (siehe [ Tab. 1 ]) als vorläufig zu verstehen. Verfeinerungen und Weiterentwicklung sind notwendig, um das Modell für unterschiedliche Bildungs- und Forschungszusammenhänge fruchtbar zu machen. So sind bestimmte Aspekte (z. B. technische und rechtliche) in der aktuellen Darstellung nicht als separate Punkte benannt, sondern in anderen Themen eingeschlossen (z. B. technische Aspekte beim Monitoring der Menstruation mit Smartphone-Apps, rechtliche Aspekte beim Umgang mit Menstruation im Arbeitsleben), was auch anders gestaltet werden könnte.

Mit Blick auf die Sexualforschung wäre es beispielsweise wünschenswert, den Menstruationssex in seiner Praxis und medialen Repräsentation noch genauer unter die Lupe zu nehmen. Ebenso scheinen die sexuellen Konnotationen der Nutzung intravaginal getragener Menstruationsprodukte in unterschiedlichen Kulturen, Religionen und Altersgruppen ein relevantes Thema zu sein. Bezüglich Menstruationsaufklärung wäre es nützlich, in einem partizipativen Ansatz mit unterschiedlichen Stakeholder-Gruppen zeitgemäße Curricula und Materialien für die Sexuelle Bildung zu erarbeiten und deren Akzeptanz und Wirksamkeit empirisch zu untersuchen.


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Interessenkonflikt

Die Autorinnen geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.

Fußnoten

1 Menstruierende Menschen sind statistisch vor allem Mädchen und Frauen im gebärfähigen Alter, zudem nichtbinäre Personen und trans Männer der entsprechenden Altersgruppe. Der vorliegende Beitrag verwendet sowohl den geschlechtsneutralen Begriff „Menstruierende“ (engl. menstruators), um daran zu erinnern, dass Personen unterschiedlicher Geschlechtsidentitäten menstruieren, spricht aber auch bewusst von „Mädchen und Frauen“, um zu betonen, dass Menstruation ein zentrales Thema der Mädchen- und Frauengesundheit ist.


2 Digitale Stock-Datenbanken bieten zu allen erdenklichen Themen einschließlich der Menstruation vorgefertigte Fotos und sonstiges Bildmaterial (Grafiken, Zeichnungen). Die Stockbilder können gegen Lizenzgebühren in Zeitungen, Zeitschriften, Broschüren, Flyern, Büchern, Werbeanzeigen sowie auf Postern, Wahlplakaten oder Webseiten verwendet werden.


3 Der vorliegende Beitrag wurde im Rahmen des von der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) von 2023 bis 2026 geförderten und von der Erstautorin geleiteten Forschungsprojekts EMSA (Erstes Mal, Menstruation und Schwangerschaftsabbruch in Sozialen Medien) erarbeitet ([Döring 2023]).


4 Das sogenannte Menstruationsblut besteht neben Blut somit aus weiteren Bestandteilen, weshalb die Bezeichnung Menstruationsflüssigkeit korrekter wäre. Die Menstruationsflüssigkeit als Gemisch hat eine andere Farbe und Konsistenz als reines Blut, wie es z. B. aus einer Schnittwunde austritt.


5 Auch wenn Hygieneprodukte und Schmerzmittel unterschiedlichen Produktkategorien angehören, werden sie hier zusammengefasst, da sie aus Sicht der Menstruierenden zum Menstruationsmanagement gehören.


6 Ein seltenes Wechseln von Tampons (empfohlen ist ein Wechsel spätestens alle vier bis sechs Stunden) kann das Risiko des Toxischen Schocksyndroms (TSS) erhöhen. Das TSS wird durch Toxine von Bakterien (Streptokokken und Staphylokokken) hervorgerufen, die sich z. B. auf einem Tampon (aber auch z. B. einer Menstruationstasse) ansiedeln und vermehren können. Das TSS kann innerhalb von 48 Stunden zum Tod führen.


7 https://www.change.org/p/die-periode-ist-kein-luxus-senken-sie-die-tamponsteuer-starkwatzinger-bmfsfj


8 https://www.change.org/p/periodenarmut-freier-zugang-zu-menstruationsprodukten-in-öffentlichen-einrichtungen-bmfsfj


9 Außerhalb Europas wurde in Ländern wie Kenia und Neuseeland zuvor bereits gesetzlich vorgeschrieben, in Schulen kostenlose Menstruationsprodukte bereitzustellen. Schottland ist darüber hinausgegangen und bezieht alle öffentlichen Gebäude mit ein.


10 https://www.tiktok.com/@jaezshecan/video/7223458204376780037?q=jeazchean&t=1714435919573


11 https://www.tiktok.com/@lukaelias7/video/7281676149313342752


12 Diskussion zur Blowjob-Woche auf Reddit: https://www.reddit.com/r/TwoXChromosomes/comments/xbpmv/blowjob_week_etc_is_­anyone_else_bothered_by_this/


13 Bei einer behandelten HIV-Infektion mit sehr geringer Viruslast ist keine Infektion möglich.


14 Beispiel-Video: https://www.youtube.com/watch?v=Pl_sDO0oCpE



Korrespondenzadresse

Prof. Dr. phil. Nicola Döring
Technische Universität Ilmenau
Institut für Medien und Kommunikationswissenschaft
Ehrenbergstr. 29
98693 Ilmenau
Deutschland   

Publication History

Article published online:
30 July 2024

© 2024. Thieme. All rights reserved.

Georg Thieme Verlag KG
Rüdigerstraße 14, 70469 Stuttgart, Germany


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Abb. 1 Visualisierungen der Menstruation in Stockfotos zwischen blumiger (links) und blutiger (rechts) Binde. ((Quelle: © lavrenkova/stock.adobe.com/© Pixel-Shot/stock.adobe.com))
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Abb. 2 Schematische Darstellung der Physiologie von Menstruation und Zyklus wie sie in ähnlicher Form in Schulbüchern zu finden ist (LH: luteinisierendes Hormon; FSH: follikelstimulierendes Hormon) ((Quelle: Schünke M, Schulte E, Schumacher U, Voll M, Wesker K. 5.4 Inneres weibliches Genitale: Wandaufbau und Funktion des Uterus. In: Schünke M, Schulte E, Schumacher U, Voll M, Wesker K, Hrsg. Prometheus LernAtlas – Innere Organe. 6., vollständig überarbeitete und erweiterte Auflage. Stuttgart: Thieme 2022; doi:10.1055/b000000614).)
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Abb. 3 Illustration von Produkten der Monatshygiene: Menstruationstasse, Tampon, Binde, Periodenunterwäsche, Stoffbinde (von links nach rechts) ((Quelle: © Renata Sattler/stock.adobe.com).)
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Abb. 4 Medikalisierte Darstellung der Menstruation mit Fokus auf Schmerz ((Quelle: © Kaspars Grinvalds/stock.adobe.com).)
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Abb. 5 Illustration von Menstruationsflecken in weißer Wäsche ((Quelle: © Monika Jurczyk/stock.adobe.com).)
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Abb. 6 Internet-Meme zum Periodensex, das die Gleichsetzung der Menstruation mit der Blowjob Week parodiert ((Quelle: Eigene Darstellung mit https://imgflip.com/memegenerator und dem Motiv Futurama Fry).)
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Abb. 7 Stock-Bilder greifen in gefälligem Design Parolen aus dem Menstruationsaktivismus auf ((Quelle: © WinWin/stock.adobe.com).)
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Abb. 8 Stock-Foto der Menstruationsaufklärung mithilfe eines Modells des Reproduktionsapparats ((Quelle: © megaflopp/stock.adobe.com).)