Einführung
Der intraoperative Ultraschall (IOUS) stellt ein breit angewandtes Verfahren dar und
gewinnt in der gynäkologischen Chirurgie zunehmend an Bedeutung [1]. Bisher lag der Fokus der wissenschaftlichen Betrachtung der Sonografie in der Gynäkologie
auf der präoperativen Diagnostik und gezielten Therapieplanung. In den letzten Jahren
fand aufgrund der sich rasch vergrößernden Evidenz zum Potenzial der gynäkologischen
Sonografie – bei der bildgebenden Diagnosefindung, der Dignitätseinschätzung und der
Ausbreitungsdiagnostik, sowohl maligner (z. B. Ovarialkarzinom) wie benigner Prozesse
(z. B. Endometriose) – eine Etablierung in vielen Leitlinien, Experten-Empfehlungen,
standardisierten Qualitätsanforderungen und Ausbildungsprogrammen statt [2]
[3]
[4]
[5]
[6].
Allerdings entwickelte sich auch ein hochspezialisiertes Expertentum, welches im sonografischen
wie chirurgischen Bereich getrennte Wege ging. Allrounder, die auf höchstem Niveau
Sonografie im Allgemeinen wie auch die moderne gynäkologische Sonografie beherrschen,
sind leider handverlesen. Die kommunikative Schnittstelle zwischen präoperativer Diagnostik
und OP-Saal ist für den Gesamterfolg des Eingriffs von großer Bedeutung. Der IOUS,
also die Sonografie in den Händen des Operateurs unter OP-Bedingungen, kann hier eine
wertvolles Tool und viele Einsatzmöglichkeiten bieten.
Neben den bereits präoperativ möglichen sonografischen Zugangsmöglichkeiten (transabdominal,
transvaginal, transrektal, transperineal) sind besonders die Sonografie am offenen
Situs und die Sonografie mittels spezialisierter Stabsonden über den Weg der Laparoskopie
hervorzuheben, welche klare Erweiterungen der diagnostischen Möglichkeiten darstellen
([Abb. 1]).
Abb. 1 Laparoskopisches Setup zur intraoperativen Sonografie. A – laparoskopisches Setting zur Platzierung der endoskopischen Sonden; B – desinfektionsfähige Bedienungsoberfläche des Ultraschallgerätes mit sterilem Bezug;
C – flexible Stabsonde in situ; D – „Drop-in“-Sonde in situ.
Die spezifischen Vorteile des IOUS liegen in erster Linie in folgenden Aspekten:
-
hohe Mobilität, bei vergleichsweiser einfacher Verfügbarkeit
-
gezielte anatomische Korrelation präoperativ erhobener Befunde
-
vereinfachter sonografischer Zugang (z. B. bei schmerzhaftem Situs, bei laparoskopischem
Einsatz)
-
Echtzeit-Bildgebung, mit erweiterten Funktionen wie der Dopplersonografie oder Elastografie
-
erhöhte Präzision durch Schonung nicht erkrankten oder zu erhaltenden Gewebes
-
verbesserte Kontrolle des Ansprechens bei pathologischen Befunden
-
hohe Dokumentationsgüte
-
Reduktion der Komplikationsrate.
Der IOUS findet daher sowohl bei gutartigen Erkrankungen als auch in der gynäkologischen
Onkologie Verwendung, um die chirurgische Effizienz zu erhöhen und gleichzeitig die
Belastung für die Patientin zu minimieren [7]. Nicht unerwähnt sollte daher der Vergleich einiger Autoren bleiben, die den IOUS
als „das Stethoskop des Chirurgen“ bezeichneten [8].
Im folgenden Text soll ein Überblick über die bisherigen Einsatzgebiete des IOUS gegeben
werden.
IOUS bei gutartigen gynäkologischen Erkrankungen
IOUS bei gutartigen gynäkologischen Erkrankungen
Nicht schwangerschaftsassoziierte intrakavitäre Erkrankungen
Der IOUS ermöglicht im Rahmen hysteroskopischer Verfahren – wie der Entfernung von
Septen, Myomen oder Polypen sowie bei der Durchführung der Synechiolyse – eine verbesserte
Orientierung des Chirurgen und verringert somit das Risiko einer Perforation. Zudem
belegen Studien, dass die Kombination des IOUS und der Hysteroskopie die Vollständigkeit
der Resektion submuköser Myome begünstigt [9]
[10]
[11]
[12]
[13].
Frühgravidität
In der chirurgischen Behandlung der gestörten Frühgravidität, von Schwangerschaftsabbrüchen
sowie von Blasenmolen wird der IOUS eingesetzt, um die Komplikationsrate zu senken.
Werden gynäkologisch-operative Maßnahmen wie die Dilatation und Kürettage ohne bildgebende
Kontrolle, also blind, durchgeführt, erhöht sich nachweislich das Risiko für Perforationen
der Uteruswand, übermäßige Blutungen und intrakavitäre Residuen. Studien zeigen, dass
die Verwendung des IOUS das Risiko von Komplikationen reduzieren kann und zu einer
schnelleren und sichereren Durchführung führt. Insbesondere bei der Blasenmole eignet
sich der IOUS zur Beurteilung einer myometrialen Invasion [14]
[15]
[16]
[17]
[18].
Ektope Schwangerschaften
Ektope Schwangerschaft stellen mitunter erhebliche Herausforderungen für die chirurgische
Behandlung dar, insbesondere, wenn es sich nicht um die konventionelle Tubargravidität
handelt. In der Literatur finden sich vornehmlich Berichte zum IOUS bei der chirurgischen
Behandlung von Schwangerschaften in einer Sectio-Narbe des Uterus, bei der die Komplikationsraten
bei 8–14 % beschrieben werden. Im Hinblick auf eine sichere Lokalisation, Schonung
und den Erhalt von gesundem Gewebe sowie der Vermeidung starker Blutungen ist der
IOUS bei Anwendung der Saugkürettage/Vakuum-Aspiration oder der Einlage eines intra-uterinen
Ballons unersetzlich. Auch führt die Anwendung zu verkürzten Eingriffszeiten, minimiert
das Risiko von Residuen und senkt somit die Komplikationsraten [19]
[20]
[21]
[22].
Intramurale und subseröse Myome des Uterus
Die präoperative transvaginale Sonografie sowie die Magnet-Resonanz-Tomografie (MRT)
bieten bereits eine gute Diagnostik bezüglich der Lokalisation und Ausdehnung von
Myomen. Insbesondere bei intramuralen Myomen kann die Detektionsrate durch die Anwendung
des IOUS verbessert werden. Im Rahmen einer klinischen Studie konnte in diesem Zusammenhang
der Nutzen des IOUS mittels Kontaktsonografie des Uterus bei der offenen Myomektomie
an 64 Frauen gezeigt werden. Insgesamt wurden 182 Myome mittels präoperativer transvaginaler
und abdominaler Ultraschall-Untersuchung erfasst. Durch die Verwendung des IOUS konnten
weitere 46, zuvor nicht diagnostizierte Myome, mit einem mittleren maximalen Durchmesser
von 11,82 mm (Median 11,00mm; Bereich 5–25 mm) festgestellt werden [23]. Eine weitere klinische Studie anhand von 135 Patientinnen bestätigte diese Ergebnisse
und zeigte eine doppelte Detektionsrate für den laparoskopischen IOUS (n = 818), gefolgt
vom MRT (standardisierte Zweitbefundung; n = 619), dem konventionellen MRT (n = 562)
und dem transvaginalen Ultraschall (n = 403) [24]. Grundsätzlich ist die Bildgebung der Palpation deutlich überlegen, sodass offene
chirurgische Eingriffe vermieden werden können und insbesondere der IOUS die Präzision
der Myomentfernung verbessert [2]
[25]
[26]
[27].
Endometriose und Adenomyosis uteri
Eine adäquate präoperative bildgebende Diagnostik der Endometriose im Bereich des
kleinen Beckens, des Rektums und Sigmas stellt häufig eine große Herausforderung dar.
Bei tief infiltrierender Endometriose kann die additive Anwendung des IOUS zur sicheren
Zielansprache und bei der Feinjustierung des Resektionsvolumens einen Benefit bieten
[28]
[29]
[30]
[31].
Eine spezielle Erscheinungsform der Endometriose stellt die Adenomyosis uteri dar,
bei deren Diagnosestellung der Sonografie eine besondere Bedeutung zukommt. Die Diagnose
der Adenomyosis uteri war über lange Zeit eine rein klinische Diagnose, die durch
die Einführung der standardisierten Ultraschall-Klassifikationen an Kontur gewann
[5]
[32]. Doch auch hinsichtlich des interventionellen Ultraschalls ist der wissenschaftliche
Ansatz einer Studie zu vermerken, bei der die laparoskopische sonografisch gesteuerte
Stanzbiopsie des Uterus zur histologischen Sicherung einer Adenomyosis uteri erfolgt.
Urogynäkologie
Die sonografische Untersuchung des Beckenbodens ermöglicht die Beurteilung der Harnröhre
und des Blasenhalses, des Rektums und des anorektalen Übergangs, der Integrität der
Levator-ani-Muskeln sowie die Visualisierung rekonstruierender vaginaler Netzimplantate
und spannungsfreier Schlingen (TVT) zur Behandlung der Stressinkontinenz [33]. So können diese bei operativen Eingriffen geschont werden und Beckenboden-Rekonstruktionen
optimiert werden [34]. In diesem Zusammenhang konnte in einer Studie gezeigt werden, dass durch den IOUS
eine verbesserte Platzierung eines TVT-O (tension-free vaginal tape-obturator) möglich
ist [35]. Eine weitere Studie beschreibt die Anwendung der intraoperativen Dopplersonografie
bei gefüllter Blase zur Darstellung des Ureterjets, um dessen Funktionalität zu zeigen
[36].
IOUS in der gynäkologischen Onkologie
IOUS in der gynäkologischen Onkologie
Borderline-Ovarialtumoren
Der IOUS wird zur Festlegung des Resektionsvolumens bei Borderline-Ovarialtumoren
eingesetzt. Durch die exakte Abgrenzung der Tumoren zum gesunden Rest-Ovar kann im
Sinne des Fertilitätserhalts besonders gewebeschonend operiert werden [37]
[38]
[39].
Myometrium-Invasion bei Endometriumkarzinomen
Ein weiteres Anwendungsgebiet des IOUS ist die Bewertung der Myometrium-Invasion bei
Endometriumkarzinomen. Die intraoperative ex-vivo-Hochauflösungssonografie (IEVHS)
bei 45 Patientinnen schätzte die myometrane Invasionstiefe in 39 von 45 Fällen (86,6 %)
korrekt ein, wohingegen die Schnellschnitt-Untersuchung die myometrane Invasionstiefe
in 41 von 46 Fällen (91,1 %) korrekt beurteilte [40]. Da die myometrane Invasionstiefe ein entscheidender Faktor für die Indikation zur
Lymphknoten-Dissektion darstellt, ist eine möglichst genaue Einschätzung präoperativ,
aber spätestens intraoperativ, wünschenswert, um die Behandlungsplanung zu optimieren
und einen Zweiteingriff zu vermeiden. Der IOUS unmittelbar an der Uteruswand kann
hierbei die Prädiktion der präoperativen Bildgebung verbessern.
Brachytherapie bei Gebärmutterhalskrebs
Der IOUS unterstützt die exakte Platzierung von Applikatoren für die intrakavitäre
Brachytherapie bei der Behandlung des Zervixkarzinoms. Es konnte gezeigt werden, dass
der IOUS die Inzidenz von Uterusperforationen verringert. Die ultraschallgesteuerte
Platzierung von Applikatoren verbessert die lokale Tumorkontrolle und sorgt für bestmögliche
Behandlungsergebnisse [41]
[42]
[43].
Lebermetastasen
Der IOUS spielt seit langer Zeit eine wichtige Rolle bei der Identifizierung von Lebermetastasen,
insbesondere bei Krebserkrankungen, bei denen herkömmliche Bildgebungsverfahren wie
die Computertomografie (CT) oder die präoperative Sonografie Metastasen nicht ausreichend
erfassen können. Obwohl die meisten Studien in diesem Bereich im Zusammenhang mit
Darmkrebs durchgeführt wurden, gibt es Hinweise dafür, dass der IOUS auch bei gynäkologischen
Krebserkrankungen hilfreich sein kann. In der Leberchirurgie findet der IOUS, unterstützt
durch Kontrastmittel und 3D-Animation, seine bislang fortschrittlichste Anwendung
[44]
[45]. In der aktuellen Ausgabe von „Ultraschall in der Medizin“ stellen Bitterer et al.
eine hervorragende Arbeit zum kontrastmittelgestützten Einsatz der IOUS bei Lebermetastasen
vor.
Darstellung der Nerven und Lymphknoten im Retroperitoneum
Während die oben angeführten Applikationen bereits in klinischer Anwendung sind, sind
folgende wissenschaftliche Untersuchungsgebiete gesondert hervorzuheben. Beispielsweise
untersucht eine laufende Studie die intraoperative sonografische Darstellung von Nerven
des kleinen Beckens bei urogynäkologischen Operationen ([Abb. 2]). Eine weitere Studie befasst sich mit der intraoperativen sonografischen Befundung
des pelvinen Sentinel-Lymphknotens beim Zervix- und Endometriumkarzinom im Rahmen
von laparoskopischen und robotischen gynäkoonkologischen Eingriffen ([Abb. 3]).
Abb. 2 Laparoskopisch gesteuerte Sonografie zur Darstellung des N. genitofemoralis vor Eröffnung
des Retroperitoneums. A – laparoskopische Platzierung der „Drop-in“-Sonde im Bereich des M. psoas rechts
zur Darstellung des N. genitofemoralis rechts; B – sonografische Darstellung eines sich aufteilenden N. genitofemoralis rechts; im
Bild beide Äste grün umrandet; C – anatomische Korrelation des sonografischen Bildes nach Eröffnung der Beckenwand
rechts; die sonografische Ebene ist im Bild mit einem grünen Balken markiert.
Abb. 3 laparoskopisch gestützter IOUS des Sentinel-Lymphknotens bei einer Patientin mit
Zervixkarzinom. A – Platzierung der „Drop-in“-Sonde im Bereich des ICG-positiven (ICG: Indocyaningrün)
Sentinel-Lymphknotens im Bereich der A. iliaca externa rechts; B – sonografisches Bild des Sentinel-Lymphknotens vor Präparation mit ovaler Konfiguration
und erhaltener Markrindenstruktur; im Bild grün umrandet; C – der Sentinel-Lymphknoten präpariert mit Gammasonde zur intraoperativen Messung
der Technetiumsaktivität des markierten Sentinel-Lymphknotens; im Bild grün umrandet.
Vorteile und Herausforderungen des IOUS
Vorteile und Herausforderungen des IOUS
Der IOUS bietet während eines Eingriffs eine präzise Echtzeit-Visualisierung, welche
die chirurgische Zielansprache verbessert und das Risiko von Komplikationen verringert.
Insbesondere bietet der IOUS einen Vorteil bei minimal-invasiven und hier vor allem
robotisch unterstützten Eingriffen. -Dabei bietet die verbesserte visuelle Information
einen Kompensationsmechanismus zu einem potenziellen Mangel an taktiler Rückmeldung.
Die standardisierte Befundung und Dokumentation ermöglichen zudem ein verbessertes
anatomisches Mapping. Insbesondere bietet der IOUS auch eine verbesserte Dokumentationsmöglichkeit
gegenüber dem konventionellen chirurgischen Vorgehen, was sich nicht nur positiv auf
die Qualitätssicherung und die Transparenz chirurgischer Eingriffe auswirken kann,
sondern auch dazu geeignet ist, Behandlungsfehler nachweislich ausschließen zu können.
Jedoch ist der IOUS von der Expertise des Anwenders abhängig, da die Erstellung und
Interpretation von Ultraschallbildern spezialisierte Kenntnisse erfordert. Daher sind
eine weitere Standardisierung der Befundungen sowie die flächendeckende Ausbildung
der Anwender des IOUS erstrebenswert.
Fazit
Der IOUS hat sich als wertvolles Instrument in der gynäkologischen Chirurgie etabliert.
Er verbessert die operative Präzision und reduziert Komplikationen, insbesondere bei
komplexen und minimal-invasiven Eingriffen. Trotz einiger Herausforderungen, wie der
Abhängigkeit von der Expertise des Chirurgen, bietet IOUS erhebliche Vorteile und
hat das Potenzial, die Zukunft der gynäkologischen Chirurgie weiter zu verändern.
Die fortschreitende Forschung und die Integration neuer Technologien werden den Anwendungsbereich
des IOUS in der gynäkologischen Chirurgie weiter ausbauen.