ergoscience 2009; 4(3): 125-126
DOI: 10.1055/s-0028-1109581
Veranstaltungsberichte

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Ergotherapie zeigt Effekt – Bericht vom 54. Ergotherapie-Kongress vom 22.–24. Mai in Köln

H. Becker1
  • 1Alice Salomon Hochschule Berlin
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Publication Date:
15 July 2009 (online)

Mit dem Thema „Wirksamkeitsforschung” setzte der DVE sein Bemühen fort, die wissenschaftliche Fundierung der Ergotherapie in Deutschland voranzutreiben. In den letzten Jahren wurden dazu einige Maßnahmen getroffen, beispielsweise die verstärkte Teilnahme an der Entwicklung von Leitlinien, die Einrichtung einer Website für EBP und der Aufbau einer Datenbank mit deutschsprachigen Studienzusammenfassungen. Sabine George unterstrich in ihrem Eröffnungsvortrag nochmals die Bedeutung der Wirksamkeitsforschung und die Chance der Ergotherapie, ihre Kompetenz im Bereich der Teilhabe in das Gesundheitssystem einzubringen.

Dazu ist ein Brückenschlag zwischen Praxis und Theorie, zwischen Erfahrungswissen und Forschung notwendig, wie Arnd Longrée in seiner Eröffnungsrede betonte. Das Kongressprogramm spiegelte diese beiden Welten wider, in denen Berichte aus der Praxis über Therapiemethoden neben der Vorstellung von Bachelor- und Masterarbeiten sowie anderen Forschungsprojekten oder Professionalisierungsthemen nebeneinander stehen. Aktuelle Themen waren z. B. Kultursensibilität, Empowerment, Betätigungsorientierte Assessments, Qualitätsmanagement, neue Arbeitsfelder wie Gesundheitsförderung, Job-Coaching oder Case-Management und die Anwendung der ICF. In Vorbereitung ist die deutsche Übersetzung der Kinderversion ICF-CY (Child and Youth), mit deren Freigabe man noch in diesem Jahr rechnet. Die Kinderversion wurde notwendig, da einige Aktivitäten und Teilhabebeschreibungen der Erwachsenenversion nicht passten und die entwicklungsbedingten Unterschiede in der Klassifikation nicht ausreichend berücksichtigt werden konnten. Die Kinderversion wird kürzer sein, modifizierte In- und Exklusionskriterien, neue Items und Kategorien, vor allem aber Beschreibungen für verschiedene Altersgruppen enthalten. Damit lässt sich die Situation eines Kindes oder Jugendlichen angemessen beschreiben, Angebote können interdisziplinär geplant und evaluiert, Bedarfsgruppen erfasst werden. Das Modell der ICF wird auch für die Frühförderung eine wichtige Beschreibungsgrundlage sein. Ziele lassen sich damit auf Körperfunktions-, Aktivitäts- und Partizipationsebene formulieren, Kontextfaktoren können erfasst und Kriterien für die Intervention entwickelt werden, die u. a. für die Outcome-Erfassung wichtig sind. Damit wird die ICF auch in der Pädiatrie einen wichtigen Beitrag leisten können, um die Therapieergebnisse zu evaluieren und transparent zu machen. Ute Steding-Albrecht und Andrea Espei zeigten in ihrem Workshop die praktischen Möglichkeiten der ICF am Beispiel der Hilfsmittelversorgung anschaulich auf und gaben zugleich eine Einordnung in den internationalen politischen Bezugsrahmen. Die ICF wird in wenigen Jahren verbindlich sein; damit Ergotherapeuten gut darauf vorbereitet sind, müssen noch weitere Veranstaltungen zur praktischen Umsetzung folgen und die Heilmittelkataloge angepasst werden.

Mit der Vorbereitung auf die Zukunft beschäftigten sich auch Bettina Weber und Mieke le Granse in ihrem Workshop, der für Berufserfahrene, aber auch für in Ausbildung befindliche künftige ETs angeboten wurde. Die Schülerinnen und Schüler zeigten sich ebenso wie die bereits berufserfahrenen Ergotherapeuten gut informiert und engagiert. Sie konnten die Trends in Deutschland und auf internationaler Ebene treffend benennen. Die Trends wurden als Tendenzen in der ergotherapeutischen Praxis, in der Ergotherapie-Forschung sowie in der Ergotherapie-Ausbildung betrachtet. So verlagern sich z. B. in der Praxis die Ziele von Körperfunktionen hin zu Aktivität und Teilhabe, gewinnen Klientenzentrierung und das Clinical Reasoning an Bedeutung, bekommen handwerkliche und gestalterische Techniken eine neue Rolle zugewiesen, werden Alltagsaktivitäten in der Therapie immer wichtiger. Vom traditionellen medizinischen Rahmen aus werden neue Arbeitsfelder im sozialen Raum erschlossen, indem Ergotherapeuten beispielsweise vermehrt in und mit der Gemeinde arbeiten. Den berufserfahrenen Ergotherapeuten war es besonders wichtig, darauf hinzuweisen, dass valide und reliable Assessments der Partizipation und Lebensqualität in der Praxis eingesetzt werden sollten und dass sich Ergotherapeuten ihrer sozialen und politischen Verantwortung bewusst werden.

Neue Technologien eröffnen andere Möglichkeiten der Beratung und Betreuung, z. B. im Rahmen der e-health. Ergotherapeuten müssen sich in Ausbildung und Forschung darauf vorbereiten und neue Kooperationspartner finden. Dabei werden vor allem Netzwerke wichtig, seien es Forschungs- und Praxisnetzwerke, aber auch Netzwerke für die Ausbildung und die Qualitätsentwicklung. Der Kongress war dafür ideal, bot er doch reichlich Gelegenheit für Networking, Projektentwicklungen und Erfahrungsaustausch.

Der nächste Kongress mit dem Motto „Neue Horizonte” findet vom 28.–30. Mai 2010 in Erfurt statt. Abstracts können bis zum 1. Oktober 2009 eingereicht werden (www.kongress.dve.info).

Heidrun Becker

Email: heidrun.becker@ash-berlin.eu