Klin Monbl Augenheilkd 2010; 227(10): 759
DOI: 10.1055/s-0029-1245766
Editorial

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Brillenbestimmung durch den Kinderarzt?

Refractometry by the Pediatrician?J. Esser1
  • 1Universitätsaugenklinik Essen
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Publication Date:
20 October 2010 (online)

Die Brille vom Kinderarzt: für viele Augenärzte eine ungewöhnliche und auch erschreckende, aber realistische Vorstellung. Neue Autorefraktometer scheinen dies möglich zu machen und die neue U 7a, bei der der Kinderarzt im 36. Lebensmonat eine Amblyopie und auch amblyogene Faktoren ausschließen soll, lässt manchen kinderärztlichen Kollegen an deren Einsatz denken. Die Augenärzte sind deshalb gefordert, die Wertigkeit dieser Autorefraktometer hinsichtlich Sensitivität und Spezifität zu untersuchen. Schmidt-Bacher [1] kann in einer prospektiven Untersuchung, bei der die Ergebnisse von zwei handgehaltenen Autorefraktometern (Pediatric Autorefractor und Retinomax) mit dem Goldstandard „Skiaskopie in Zykloplegie” verglichen wurden, zeigen, dass das sphärische Äquivalent in nur 50 – 60 % und der Astigmatismus in 80 – 90 % übereinstimmen. Strauss & Ehrt [2] finden beim Einsatz des Vision Screeners eine Gesamtsensitivität von 75 % bei einer Spezifität von 91 % für amblyogene Refraktionsfehler (Prävalenz: Astigmatismus 22 %, Hyperopie 6 %, Anisometropie 6 %). Ferner setzten sie dieses Gerät (als Off-label-Einsatz) zur Detektion einer Schielabweichung ein, finden jedoch keine Korrelation zwischen den mit dem VisionScreener gemessenen und den in einer orthoptischen Untersuchung ermittelten Schielwinkel. Das Fazit beider Studien [1] [2] lautet, dass auf eine augenfachärztliche Untersuchung hinsichtlich Refraktionsfehler und amblyogener Faktoren nicht verzichtet werden kann.

Eine spät entdeckte oder hartnäckige Amblyopie stellt eine besondere Herausforderung an den Therapeuten dar, insbesondere was die Mitarbeit der im Schulalter befindlichen Kinder sowie deren Eltern betrifft. Kracht et al. [3] können bei 7 – 15 Jahre alten Kindern, bei denen die tatsächliche Okklusionsdauer elektronisch überprüft wurde, zeigen, dass sich der Versuch einer „späten” Okklusionsbehandlung durchaus lohnt. Gusek-Schneider et al. [4] behandelten 3 – 7 Jahre alte Kinder mit exzentrischer Fixation, also einer häufig therapieresistenten Amblyopieform, und haben bei Vorliegen einer Anisomyopie und eines frühkindlichen Innenschielens die beste Erfolgsquote, wobei sich insbesondere die Fixationen: papillennah, temporaler Makulawallrand und oberhalb der Foveola als besonders günstig erweisen. Beim Mikrostrabismus dominiert eine quasi eingebrannte nasal-exzentrische Fixation.

Okulomotoriusparesen stellen aufgrund der Komplexität der Augenbewegungsstörungen hohe Ansprüche an Operationsplanung und -technik. Gräf & Lorenz [5] stellen die nasal-inferiore Transposition des M. rectus lateralis als eine wirkungsvolle Methode zur Korrektur der Exotropie in speziellen Fällen einer Okulomotorius-Parese vor, wobei sie besonders den zyklotorsionalen Effekt der Operation herausarbeiten. Der vertikale Effekt des Verfahrens ermöglicht es zudem, eine zusätzliche Hypertropie zu korrigieren. Lüchtenberg et al. [6] können mittels optischer Kohärenztomografie des vorderen Augenabschnitts erstmals nachweisen, dass Augenmuskeloperationen bei Erwachsenen weder Hornhautdicke noch Vorderkammertiefe oder Kammerwinkelweite signifikant verändern.

Abgerundet wird das vorliegende Strabismus-Heft durch Übersichtsarbeiten über die idiopathische orbitale Entzündung im Kindesalter [7] und das mit markanten Okulomotorikstörungen einhergehende Joubert-Syndrom [8].

Literatur

  • 1 Schmidt-Bacher A E, Kahlert C, Kolling G. Zur Messung der objektiven Refraktion in Zykloplegie im Kindesalter mit Skiaskopie und automatischer Refraktometrie mit dem Pediatric Autorefractor und dem Retinomax.  Klin Monatsbl Augenheilkd. 2010;  227 792-797
  • 2 Strauss R W, Ehrt O. Detektion amblyogener Risikofaktoren mit dem Vision Screener (Plusoptix).  Klin Monatsbl Augenheilkd. 2010;  227 798-803
  • 3 Kracht J, Bachert I, Diehl C M et al. Elektronisch erfasste Okklusionstherapie bei über 7-jährigen Amblyopen: Visusanstieg noch nach mehr als 4 Monaten?.  Klin Monatsbl Augenheilkd. 2010;  227 774-781
  • 4 Gusek-Schneider G C. Ergebnisse später Therapie von exzentrischer Fixation bei verschiedenen Amblyopieformen.  Klin Monatsbl Augenheilkd. 2010;  227 765-773
  • 5 Gräf M, Lorenz B. Nasal-inferiore Transposition des M. rectus lateralis bei Okulomotoriusparese.  Klin Monatsbl Augenheilkd. 2010;  227 804-808
  • 6 Lüchtenberg M, Haeussler-Sinangin Y, Kohnen T et al. Evaluation anatomischer Veränderungen des vorderen Augenabschnittes nach Augenmuskelchirurgie bei Erwachsenen mittels optischer Kohärenztomographie.  Klin Monatsbl Augenheilkd. 2010;  227 782-785
  • 7 Bau V, Röpke R, Marquardt L. Idiopathische orbitale Entzündung im Kindesalter – Fallbericht und Literaturübersicht.  Klin Monatsbl Augenheilkd. 2010;  227 760-764
  • 8 Schild A M, Fricke J, Herkenrath P et al. Neuroophthalmologische und ophthalmologische Befunde beim Joubert-Syndrom.  Klin Monatsbl Augenheilkd. 2010;  227 786-791

Prof. Dr. Joachim Esser

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