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DOI: 10.1055/s-0032-1311619
Hausarzt oder Spezialist im In- oder Ausland?
Ergebnisse einer multizentrischen Befragung von Studierenden im Praktischen Jahr zu ihren mittel- und langfristigen BerufszielenGeneral Practitioner or Specialist at Home or Abroad?Results of a Multicenter Postal Survey on the Mid- and Long-term Professional Objectives of Medical School GraduatesPublication History
Publication Date:
23 May 2012 (online)
Zusammenfassung
Ziel:
Im Rahmen einer multizentrischen Kohortenstudie von Absolventen und Absolventinnen des Medizinstudiums wurde die Frage untersucht, welche Präferenzen Medizinstudierenden im Praktischen Jahr in Bezug auf Disziplin, Ort und Status ihrer endgültigen beruflichen Position nach der fachärztlichen Weiterbildung unmittelbar vor Beginn der fachärztlichen Weiterbildung aufweisen. Untersucht wurde auch, inwiefern diesbezüglich Unterschiede zwischen den Geschlechtern bzw. zwischen alten und neuen Bundesländern identifiziert werden können.
Methodik:
Es handelt sich um eine standardisierte postalische Befragung aller Absolventinnen und Absolventen des Medizinstudiums des Jahrgangs 2009 in den medizinischen Fakultäten Erlangen, Gießen, Hamburg, Heidelberg, Köln, Leipzig und Magdeburg. Insgesamt wurden Fragebögen an 2 107 Personen versandt, von denen 1 012 einen ausgefüllten Fragebogen zurücksandten, was einer Rücklaufquote von 48% entspricht. Alle Fragebogen konnten in die Datenauswertung einbezogen werden.
Ergebnisse:
96% der befragten Studierenden im Praktischen Jahr gaben an, eine fachärztliche Anerkennung anzustreben; nur 0,4% strebten dies ausdrücklich nicht an. Insgesamt gaben 6,9% der Studierenden im Praktischen Jahr das Fach Allgemeinmedizin als erstes Wunschfach an. Fast genauso viele (6,5%) vergaben ihre erste Priorität für Innere Medizin ohne Schwerpunkt. 84% strebten eine Facharztweiterbildung in einem spezialisierten Fach an. Eine Niederlassung im hausärztlichen Bereich wurde von insgesamt 9,7% der Studierenden favorisiert, während 27,9% sich gebietsärztlich niederlassen wollten. Von den Befragten, die sich hausärztlich niederlassen wollten, planten nur 22,3% eine Niederlassung in einem ländlichen Gebiet in Deutschland, was einem Anteil von 2,2% derjenigen Befragten entspricht, die ein Karriereziel angegeben haben. 7% möchten ihre erste Weiterbildunsgstelle im Ausland antreten und 8% möchten nach der fachärztlichen Weiterbildung ausschließlich im Ausland tätig werden. In beiden Fällen spielt nur die Schweiz eine quantitativ bedeutsame Rolle.
Schlussfolgerungen:
In Anbetracht des fast 100%igen Satzes von Absolventinnen und Absolventen, die eine fachärztliche Weiterbildung anstreben, kann von einer Abkehr der jüngeren Generation von der klinischen Tätigkeit nicht gesprochen werden. Eine Präferenz für einer Tätigkeit im Ausland wird von weniger als 10% der Befragten angegeben. Als dramatisch ist die Diskrepanz zwischen Nachfrage nach Hausärzten und die anvisierte Berufswahl am Studienende anzusehen: 10% wollen sich vorrangig im hausärztlichen Bereich niederlassen, davon nur ein Fünftel in einer ländlichen Region. Maßnahmen zur Gewinnung von Hausärzten und Hausärztinnen bleiben vorranig auf der Tagesordnung, insbesondere im ländlichen Bereich.
Abstract
Aim:
This study investigated the career preferences of medical graduates in Germany with regard to discipline, place and position after the completion of postgraduate training. We also investigated differences in career options according to gender and region of study (former German Federal Republic vs. former German Democratic Republic).
Method:
The study is based on a standardised postal survey among all last year medical students in the medical faculties of Erlangen, Giessen, Hamburg, Heidelberg, Cologne, Leipzig and Magdeburg in 2009. 2 107 persons were contacted and 1 012 (48%) participated in the survey.
Results:
96% of participants stated their intention to pursue a postgraduate training in a medical discipline, and only 0.4% denied such an objective. 7% of the graduates preferred a career towards general practice, and a similar percentage preferred general internal medicine which usually also leads to a primary care activity. 84% aimed at becoming a medical specialist. In total, 28% intended to work in a specialist practice, and 10% in a general practice. Only one-fifth of the latter aimed at working in a countryside setting. 7% aimed at starting postgraduate training outside of Germany, and 8% preferred to work outside Germany after completion of the postgraduate training. In both cases, Switzerland was by far the most preferred country.
Conclusions:
The results contradict the thesis that young graduates are reluctant to enter clinical medicine. Working abroad is within the scope of less than 10% of the graduates. A dramatic difference between the demand for general practitioners and the career intentions of medical graduates is observed. Measures to increase the attractiveness of primary care, especially in the countryside, are urgently needed.
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