Dialyse aktuell 2014; 18(02): 60-62
DOI: 10.1055/s-0034-1371925
Fachgesellschaften
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Kostenfaktor Pflege

Wir haben (k)eine Chance, nutzen wir sie
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Publication Date:
21 March 2014 (online)

 
 

Personaleinsparungen in den Dialyseeinrichtungen sind infolge der Absenkung der Sachkostenpauschale an der Tagesordnung. Die Auswirkungen sehen wir an den Rückmeldungen aus den Zentren und den Überlastungsanzeigen. Das Personal wurde in den letzten Jahren schon ständig reduziert und hat auch finanziell Abstriche hinnehmen müssen (z. B. kein Urlaubsgeld, kein Weihnachtsgeld). Jetzt soll weiter gespart werden – mit 100 Millionen Euro in der ersten Stufe. Davon gehen 40 Millionen Euro zurück an die Ärzte für den präterminalen Bereich. Also erhalten die Ärzte künftig mehr Geld. Sicher ist die Prävention ein sehr wichtiger Bereich, aber muss man dafür Personal einsparen?

Wohin es in Zukunft mit der ärztlichen Delegation und dem Gehalt im Pflegebereich gehen wird, zeigen besonders 2 Veröffentlichungen:

  • Vereinbarung über die Delegation ärztlicher Leistungen an nicht ärztliches Personal in der ambulanten vertragsärztliche Versorgung § 28 Abs. 1 S. 3 SGBV vom 01.10.2013 [ 1 ]

  • Gehaltstarifvertrag für Medizinische Fachangestellte/Arzthelferinnen vom 09.07.2013 [ 2 ]

Ärztliche Delegation

In dem Delegationspapier wird für den ambulanten Bereich geregelt, welche Tätigkeiten an nicht ärztliche Mitarbeiter delegiert werden können [ 1 ]. In einem Artikel der BANP (Bundesarbeitsgemeinschaft Nephrologische Pflege) haben wir darauf hingewiesen, dass der Mitarbeiter aufgrund seiner beruflichen Qualifikation (Ausbildungsverordnung) die Fähigkeiten und Kenntnisse für die Delegation besitzen muss [ 3 ]. Dies ist die Auswahlpflicht oder auch Organisationsverantwortung des Betreibers (Organisationsverantwortung der Delegierungsassistenten §315 ff. BGB).

Der Arbeitgeber hat eine Überwachungs- und Anleitungspflicht gegenüber seinen Mitarbeitern. Der Arzt haftet im Rahmen der Anordnungsverantwortung für die Richtigkeit der Anordnung und dokumentiert dies auf dem Verordnungsbogen. Dies findet sich auch in § 4 Allgemeine Anforderung an die Delegation der KBV wieder. Im Folgenden finden Sie einen Auszug aus der Auflistung der delegierbaren Tätigkeiten mit einer Zuordnung der Mindestqualifikation.


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Allgemeine Tätigkeiten

  • Die Anamnesevorbereitung ist eine Qualifikation der MFA.

  • Die Aufklärungsvorbereitung des Patienten ist eine Qualifikation der MFA.

  • Die Wundversorgung/der Verbandswechsel ist eine Qualifikation der MFA mit Fortbildung zum Wundexperten/Wundmanager


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Versorgungsbereich bzw. arztgruppenspezifische Tätigkeiten

  • Anästhesiologische Leistungen (Über-wachung der Vitalfunktionen, Beobachtung und Betreuung von Pa-tienten nach operativen und diagnostischen Eingriffen) sind eine Qualifikation der MFA; je nach Patientenzustand ist die Anwesenheit des Arztes erforderlich.

  • Internistische Leistungen im Bereich Nephrologie: Unterstützende Maßnahmen im Rahmen der Diagnostik (Anlegen, Steuern und Überwachen einer Dialyse) sind eine Qualifikation der MFA, ggf. mit Curriculum Dialyse.


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Gehalt

Der Gehaltsvertrag für Medizinische Fachangestellte/Arzthelfer (MFA) trat am 01.09.2013 in Kraft [ 2 ]. Die Eingruppierung erfolgt nach Tätigkeitsgruppen (siehe unten).

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(Bild: istockphoto)

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Gruppe II

In Gruppe II sind MFA, die selbstständig Tätigkeiten ausführen, wobei gründliche und/oder vielseitige Fachkenntnisse vorausgesetzt werden. Erworben werden diese durch eine spezielle 40-stündige Fortbildung. Dies betrifft z. B. folgende Bereiche:

  • ambulante Versorgung älterer Menschen

  • Wundbehandlung/Wundmanagement

  • Hygienemanagement

  • Qualitätsmanagement

  • Patientenbegleitung und -koordinierung


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Gruppe IV

Gruppe IV betrifft leistungsbezogene Tätigkeiten, wofür besonders gründliche, vielseitige Fachkenntnisse vorausgesetzt werden. Das ist die Tätigkeit in der Dialyse. Dafür sollte als Qualifikation das Curriculum Dialyse (120 h) absolviert werden.

Gut ist, dass jede Gruppe genau ihr Tätigkeitsfeld und die dazu notwendige Qualifikation hat und entsprechend der Leistung bezahlt wird. In der Tätigkeitsgruppe IV wird die MFA mit Curriculum Dialyse der examinierten Krankenpflegekraft gleichgestellt. Da beide Berufsgruppen überwiegend die gleichen Tätigkeiten in der Dialyse nach dem Delegationspapier erfüllen, ist gleicher Lohn für die gleiche Arbeit nur gerecht. Allerdings liegt die Bezahlung der examinierten Krankenpflegekraft nach diesem Tarifvertrag deutlich unter der tariflichen Bezahlung im Öffentlichen Dienst (rund 600 Euro darunter, bei einer Fachpflegekraft für Nephrologie um 900 Euro).


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Personalstruktur und Haftung

Damit wird sich manch einer überlegen, ob er/sie als examinierte Pflegekraft im ambulanten Bereich arbeiten möchte. Viele niedergelassene Ärzte werden aber auch weiterhin an den examinierten und erfahrenen Kräften festhalten, da sie deren Spezialwissen schätzen und sie für die qualitativ gute nephrologische Versorgung auch weiterhin benötigen. Diese Fachkräfte werden auch entsprechend bezahlt werden. Sicher wird die Struktur und der Personalmix in den Einrichtungen neu überdacht und angepasst werden. Aber jede Veränderung ist auch eine Chance, die wir alle nutzen sollten.

Künftig werden in der chronischen Dialyse überwiegend MFA beschäftigt werden, an die der Nephrologe die Durchführung der Nierenersatztherapie delegiert. Haftungsrechtlich liegt damit die Verantwortung bei dem Betreiber. Im Rahmen der Organisationsverantwortung muss der Betreiber für die Qualifikation und Überwachung der Erfüllungsgehilfen sorgen.

Diese sollten aber auch an Folgendes denken: Wer etwas tut, haftet im Rahmen der Durchführungsverantwortung. Examinierte Fachpflegekräfte bringen von der Grundausbildung (KrpfG: Krankenpflegegesetz) und der Weiterbildung zur Fachschwester Nephrologie viele Zusatzqualifikationen für die nephrologische Patientenversorgung mit [ 4 ]. Eine MFA bringt von der Ausbildung nur unzureichende Erfahrungen bzgl. Krankenbeobachtung, Vitalzeichenkontrolle und Patientenschulung mit.

Interessant ist die Entwicklung in der Maschinentechnik: Neue technische Entwicklungen sollen die Maschinen für den Anwender sicherer und einfacher machen. Der künftige Anwender braucht die Maschinen nicht mehr verstehen, sondern soll sie nur effizient bedienen. Leider sehen wir aber genau das Gegenteil: Durch die nicht ausreichend gute Anwenderausbildung entstehen viele Bedienungsfehler, die unnötige Folgekosten verursachen.

Die AfnP hat die Entwicklung auf dem personellen Gebiet frühzeitig erkannt und vor Jahren ihren Namen von „Arbeitsgemeinschaft für nephrologisches Pflegepersonal e. V.“ in „Arbeitsgemeinschaft für nephrologisches Personal e. V.“ geändert. Damit wurde die Möglichkeit einer vollen Mitgliedschaft für alle Berufsgruppen (examinierte Pflegekräfte, MFA, Ärzte, Techniker usw.) geschaffen. Die eigene Arbeitsgruppe der Arzthelferinnen/Medizinische Fachangestellten ist inzwischen genauso wie die Techniker mit je einem Mitglied im Vorstand vertreten. Wir werden auch das AfnP-Symposium in Fulda künftig neu organisieren und auf die Berufsgruppen ausrichten sowie den finanziellen Rahmenbedingungen Rechnung tragen. Grundsätzlich muss man aber sagen: Ohne den Kostenfaktor Pflege kann das System Gesundheitsversorgung nicht funktionieren.


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Kosten

2010 lagen die Ausgaben im Gesundheitswesen bei 11 % der Bruttosozialausgaben, was ungefähr 290 Milliarden Euro entspricht. Das meiste Geld wird aber wieder investiert in die Instandhaltung der Gebäude, Haushaltskosten, die Einrichtung, die Gerätetechnik etc. Die Personalkosten sind in diesem Dienstleistungsbereich besonders hoch und nehmen einen großen Anteil der Gesamtkosten ein.

Bei allen Kostenberechnungen geht es im nephrologischen Bereich direkt um schwer erkrankte Menschen, die nicht nur unter dem Aspekt „Krankheitsdiagnose verursacht folgende Kosten und nach Standard werden sie versorgt“ gesehen werden dürfen. Es handelt sich um chronisch kranke Menschen mit medizinischen, psychischen und psychosozialen Problemen sowie Begleiterkrankungen, die man ganzheitlich betrachten muss – auf der Basis der jeweiligen Lebenssituation und des Lebensabschnittes, in denen sich der Patient befindet. Denn die Diagnose „Nierenersatztherapie“ bedeutet in der Versorgung bei einem Kind, einem berufstätigen Patienten oder alten Menschen jeweils einen ganz anderen Bedarf und Aufwand, auch wenn alle denselben Diagnoseschlüssel haben.


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Fazit

Wir müssen unsere Entscheidungs- und Handlungskompetenz, welche auf pflegewissenschaftlichen Erkenntnissen aufbauen, besser darstellen. Wir alle tragen dabei Planungs- und Durchführungsverantwortung für unser pflegerisches Handeln. Ethische und moralische Verantwortung aus unserem Berufsbild sollten wir nicht vergessen. Die Prototypen des Pflegeroboters wurden gerade in China vorgestellt. Wir sollten uns fragen: Wie wollen wir selbst oder unsere Angehörigen künftig versorgt werden?

Marion Bundschu, Ulm


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Eine Mitgliedschaft, die sich lohnt!

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Geschäftsstelle der AfnP e. V.
Käppelesweg 8, 89129 Langenau
Tel.: 07345/22933, Fax: 07345/7540
E-Mail: info@afnp.de; www.afnp.de


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  • Literatur

  • 1 Kassenärztliche Bundesvereinigung. Vereinbarung über die Delegation ärztlicher Leistungen an nicht ärztliches Personal in der ambulanten vertragsärztliche Versorgung § 28 Abs. 1 S. 3 SGBV vom 01.10.2013. Im Internet: http://www.kbv.de/rechtsquellen/43973.html; Stand: 31.01.2014
  • 2 Bundesärztekammer. Gehaltsvertrag für Medizinische Fachangestellte/Arzthelfer. Deutsches Ärzteblatt 2013; 110: 1505-1508
  • 3 Bundschu M, Fernsebner T. Bundesarbeitsgemeinschaft nephrologische Pflege (BANP) – Position zur Personalsituation und -diskussion in Dialyseeinrichtungen. Dialyse aktuell 2012; 16: 272-273
  • 4 Fernsebner T, Bundschu M, Küntzle W et al. Nephrologische Fachweiterbildung – Kompetenzbasierter Rahmenlehrplan. Dialyse aktuell 2012; 16 (Sonderdruck BANP): 3-15
  • 5 Bundesarbeitsgemeinschaft nephrologische Pflege (BANP). Spielwiese „Heimdialyse“ im Seniorenheim – Kostendruck gefährdet Patientensicherheit. Dialyse aktuell 2012; 16: 384-386
  • 6 Bundesarbeitsgemeinschaft nephrologische Pflege (BANP). Bundesarbeitsgemeinschaft nephrologische Pflege (BANP) – Was sollen wir in Zukunft leisten?. Dialyse aktuell 2012; 16: 440
  • 7 Bundschu M, Gerpheide K, Berner J, Schröder HM. Bundesarbeitsgemeinschaft Nephrologische Pflege (BANP) – Mehr Pflegeaufwand, weniger Mittel: die nephrologische Pflege in der Kostenfalle. Dialyse aktuell 2013; 17: 178
  • 8 Wiederhold D, Gerpheide K. Bundesarbeitsgemeinschaft Nephrologische Pflege (BANP) – Definition der nephrologischen Fachpflege. Dialyse aktuell 2012; 16: 330-335

  • Literatur

  • 1 Kassenärztliche Bundesvereinigung. Vereinbarung über die Delegation ärztlicher Leistungen an nicht ärztliches Personal in der ambulanten vertragsärztliche Versorgung § 28 Abs. 1 S. 3 SGBV vom 01.10.2013. Im Internet: http://www.kbv.de/rechtsquellen/43973.html; Stand: 31.01.2014
  • 2 Bundesärztekammer. Gehaltsvertrag für Medizinische Fachangestellte/Arzthelfer. Deutsches Ärzteblatt 2013; 110: 1505-1508
  • 3 Bundschu M, Fernsebner T. Bundesarbeitsgemeinschaft nephrologische Pflege (BANP) – Position zur Personalsituation und -diskussion in Dialyseeinrichtungen. Dialyse aktuell 2012; 16: 272-273
  • 4 Fernsebner T, Bundschu M, Küntzle W et al. Nephrologische Fachweiterbildung – Kompetenzbasierter Rahmenlehrplan. Dialyse aktuell 2012; 16 (Sonderdruck BANP): 3-15
  • 5 Bundesarbeitsgemeinschaft nephrologische Pflege (BANP). Spielwiese „Heimdialyse“ im Seniorenheim – Kostendruck gefährdet Patientensicherheit. Dialyse aktuell 2012; 16: 384-386
  • 6 Bundesarbeitsgemeinschaft nephrologische Pflege (BANP). Bundesarbeitsgemeinschaft nephrologische Pflege (BANP) – Was sollen wir in Zukunft leisten?. Dialyse aktuell 2012; 16: 440
  • 7 Bundschu M, Gerpheide K, Berner J, Schröder HM. Bundesarbeitsgemeinschaft Nephrologische Pflege (BANP) – Mehr Pflegeaufwand, weniger Mittel: die nephrologische Pflege in der Kostenfalle. Dialyse aktuell 2013; 17: 178
  • 8 Wiederhold D, Gerpheide K. Bundesarbeitsgemeinschaft Nephrologische Pflege (BANP) – Definition der nephrologischen Fachpflege. Dialyse aktuell 2012; 16: 330-335

 
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