Diabetologie und Stoffwechsel 2015; 10(2): 71-72
DOI: 10.1055/s-0034-1397710
Referiert · kommentiert
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Referat – Glykämische Kontrolle verhindert Übersterblichkeit nicht völlig

Joachim Rosenbauer
Further Information

Publication History

Publication Date:
22 May 2015 (online)

Hintergrund: Die Abhängigkeit der Mortalität von dem Grad der glykämischen Kontrolle ist bei Patienten mit Typ-1-Diabetes bisher ungenügend erforscht. Schwedische Registerdaten, die Marcus Lind et al. ausgewertet haben, geben Einblick in die Exzess-Mortalität bei unterschiedlich stringenter glykämischer Kontrolle.

Methoden: In die Analyse wurden alle Patienten mit Typ-1-Diabetes eingeschlossen, die seit dem 1. Januar 1998 in das nationale schwedische Register aufgenommen worden waren. Pro Patienten ermittelten die Autoren im Zufallsverfahren je 5 hinsichtlich Alter, Geschlecht und Wohnort vergleichbare Kontrollen. Die Mortalität in Abhängigkeit von der Todesursache wurde bis zum 31. Dezember 2011 ausgewertet.

Das mittlere Alter der Patienten betrug zu Beginn 35,8 Jahre, das der Kontrollen 35,7 Jahre. In beiden Gruppen lag der Anteil von Frauen bei 41%. Die Diabetes-Patienten konnten über im Mittel 8,0, die Kontrollen über 8,3 Jahre beobachtet werden.

Ergebnisse: Im Untersuchungszeitraum starben 2701 von 33 915 Patienten mit Typ-1-Diabetes (8,0 %), von den Kontrollen 4835 von 169 249 (2,9 %). Damit lag das Sterberisiko bei den Patienten mit Typ-1-Diabetes 3,5-mal höher als das der Kontrollen (adjustierte Hazard Ratio [aHR] 3,52; 95 %-Konfidenzintervall [KI] 3,06–4,04). Mehr als ein Viertel der Todesfälle der Patienten mit Typ-1-Diabetes hatten eine kardiovaskuläre Ursache (2,7 %), bei den Kontrollen waren es nur 0,9 % (aHR 4,60; 95 %-KI 3,47–6,10). Eine Abnahme des Mortalitätsrisikos der Diabetes-Patienten über den Beobachtungszeitraum ließ sich nicht ausmachen.

Die multivariate-adjustierte Analyse ergab bei einem glykosylierten Hämoglobinwert (HbA1) von 6,9 % und niedriger ein um 2,36-fach erhöhtes Mortalitätsrisiko (aHR 2,36; 95 %-KI 1,97–2,83). Die Übersterblichkeit stieg bei einem HbA1-Wert zwischen 7,0 und 7,8 % demgegenüber wenig an (aHR 2,38; 95 %-KI 2,02–2,80).

Bei einem Wert zwischen 7,9 und 8,7 war die Mortalität mehr als 3-fach (aHR 3,11; 95 %-KI 2,66 – 3,62), bei einem HbA1-Wert von 8,8 bis 9,6 % noch deutlicher gegenüber vergleichbaren Kontrollen erhöht (aHR 3,65; 95 %-KI 3,11–4,30), um dann bei einem HbA1 von über 9,6 % dramatisch anzusteigen (aHR 8,51; 95 % KI 7,24–10,01).

Das Risiko für einen kardiovaskulären Tod lag in den entsprechenden Gruppen im Vergleich zu Kontrollen ebenfalls deutlich höher mit einer aHR von 2,92 (95 %-KI 2,07–4,13), bei einem HbA1 von 6,9 % und niedriger von 3,39 (95 %-KI 2,49–4,61), bei einem HbA1 von 7,0 bis 7,8 % von 4,44 (95 %-KI 3,32–5,96), bei einem HbA1 von 7,9 bis 8,7 % von 5,35 (95 %-KI 3,94–7,26) bei einem HbA1 von 8,8 bis 9,6 % und von 10,46 (95 %-KI 7,62–14,37) bei einem HbA1 von über 9,6 % .

Das erhöhte Mortalitätsrisiko der Patienten ließ sich überwiegend auf kardiovaskuläre Ursachen und Folgen des Diabetes zurückführen, Krebserkrankungen führten nicht häufiger zum Tode als bei den Kontrollen.

Folgerung: Nach der Auswertung der schwedischen Registerdaten ist das Sterberisiko von Patienten mit Typ-1-Diabetes gegenüber der Allgemeinbevölkerung selbst bei guter glykämischer Kontrolle (HbA1 6,9 % und niedriger) noch mehr als zweifach erhöht. Die kardiovaskuläre Mortalität zeigt eine entsprechende Risikoerhöhung für Patienten mit Typ-1-Diabetes wie die Gesamtmortalität. Bei schlechter glykämischer Kontrolle (HbA1 > 9,6 %) sind die entsprechenden Sterberisiken gar 8 bis 10-fach gegenüber der Allgemeinbevölkerung erhöht.

Friederike Klein, München