Diabetologie und Stoffwechsel 2015; 10(3): 124
DOI: 10.1055/s-0034-1397838
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Referat – Wie Schlafmangel das Diabetesrisiko erhöht

Manfred Hallschmid
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Publication Date:
06 August 2015 (online)

Hintergrund: Schlafmangel ist assoziiert mit einer Insulinresistenz und einem erhöhten Risiko für die Entwicklung eines Typ-2-Diabetes, wobei die pathophysiologischen Mechanismen dahinter noch unklar sind. Die Rolle zirkulierender nicht-veresterter, freier Fettsäuren (NEFA) untersuchten Josiane L. Broussard et al. Erhöhte NEFA-Konzentrationen können zu Insulinresistenz führen und spielen eine zentrale Rolle bei der Entwicklung metabolischer Erkrankungen. Auf der anderen Seite zeigen diese freien Fettsäuren bei Gesunden einen circadianen Rhythmus mit einem Maximum in der Nacht. Ob und wie sich dies bei Schlafmangel verändert, war bisher nicht bekannt. Die Autoren prüften bei gesunden Probanden, ob eine Schlafrestriktion die Ausschüttung von Hormonen verändert, die eine Lipolyse stimulieren, und ob dies zu einem Anstieg der NEFA-Konzentration führt.

Methoden: An der Studie nahmen 19 gesunde junge Männer teil. Unter kontrollierten Laborbedingungen blieben sie randomisiert in 4 aufeinanderfolgenden Nächten 8,5 Stunden im Bett (von 23 bis 7.30 Uhr, normaler Schlaf), in weiteren 4 aufeinanderfolgenden Nächten nur 4,5 Stunden (von 1 Uhr bis 4.30 Uhr, Schlafrestriktion). Zwischen den jeweils 4 polysomnografisch überwachten Nächten im Schlaflabor lagen mindestens 4 Wochen. Die Untersucher ermittelten einmal in den viertägigen Schlaflaborphasen 24-Stunden-Profile von NEFA, Wachstumshormon (GH), Noradrenalin, Kortisol, Glukose und Insulin. Die Abschätzung der Insulinsensitivität erfolgte mithilfe eines regelmäßigen intravenösen Glukosetoleranztests.

Ergebnisse: Unter den Laborbedingungen schliefen die Probanden bei langem Bettaufenthalt im Mittel 7,8 Stunden, bei Schlafrestriktion 4,3 Stunden. In beiden Fällen zeigte sich ein deutlicher circadianer Rhythmus der NEFA-Spiegel. Der induzierte Schlafmangel führte im Vergleich zu den normalen Nächten aber zu einer Verlängerung des NEFA-Maximums in der Nacht bis in den frühen Morgen hinein. Dabei lagen die maximalen Spiegel um 15 bis 30 % über denen in den normalen Nächten. Diese erhöhten NEFA-Konzentrationen bei Schlafmangel zeigten eine hohe Korrelation zu einer verlängerten nächtlichen GH-Sekretion von etwa 50 Minuten. Dabei zeigte der nächtliche GH-Spiegel bei den meisten Probanden unter Normalbedingungen einen einzigen Gipfel, bei Schlafrestriktion dagegen meist 2 Gipfel. Die Noradrenalinspiegeln waren in der frühen Nacht und am frühen Morgen bei den Bedingungen der Schlafrestriktion um etwa 30 % erhöht, also genau in der Zeit, in der die Probanden nachts nicht schlafen durften. Während der Anstieg in der frühen Nacht nicht mit dem NEFA-Spiegel korrelierte, ließ sich ein solcher Zusammenhang schon mit der NEFA-Spiegelerhöhung in den frühen Morgenstunden zeigen. Der Nüchterninsulinspiegel über Nacht war bei Schlafrestriktion bei vergleichbarer Blutzuckerkonzentration höher als nach einer normalen Nacht. Das Frühstück führte nach einer kurzen Nacht zu einer signifikant höheren Insulinantwort als nach einer langen Nacht. Diese reduzierte Insulinsensitivität bei Schlafrestriktion war positiv korreliert mit dem Anstieg der nächtlichen NEFA-Spiegel.

Folgerung: Schlafmangel führt bei jungen gesunden Männern zu erhöhten nächtlichen und frühmorgendlichen NEFA-Spiegeln. Das könnte ein Faktor sein, der die häufigere Insulinresistenz und das erhöhte Diabetesrisiko bei Schlafmangel und Schlafstörungen erklären könnte.

Frederike Klein, München